Mit einem Nachrichtensprecher, der verkündet: “In das Popcorn, das Sie gerade essen, hat wer reingepisst”, beginnt “Kentucky Fried Movie”, die Verfilmung des ersten Drehbuchs der legendären ZAZ, den beiden Zucker-Brüdern David und Jerry sowie Jim Abrahams. Regie führte John Landis, vor den “Blues Brothers” und nach “Schlock, das Bananenmonster”.
Hatten die folgenden Filme von Zucker, Abrahams, Zucker einen losen roten Faden, an dem sich Nummernrevuen voller kreativem Wortwitz im Geiste der Marx-Brothers und wildem Slapstick (im Geiste aller anderen) entlanghangelten, ist “Kentucky Fried Movie” ein Kompilationsfilm, bestehend aus siebenundzwanzig Episoden, deren kürzeste sechs Sekunden und die längste, die “Der Mann mit der Todeskralle”-Parodie “A Fistful of Yen”, bereits eine Blaupause für die Folgewerke wie “Airplane” (“Die unglaubliche Reise in einem verrückten Flugzeug”), “Top Secret” und “Police Squad!” (“Die nackte Kanone”), etwas mehr als eine halbe Stunde dauert.
Eine überbordende Mediensatire, die vor nichts Halt macht, was der Konsumgesellschaft heilig ist.
Das ist krude, albern, sophisticated, treffend und zügellos. Von hohem Tempo und sehr, sehr komisch, selbst, wenn man die parodierten Formate nicht (mehr) kennt. Aber jeder, der nur ein bisschen Fernsehgeschichte intus hat, wird die Zuordnungen hinkriegen, egal ob er “Leave It To Beaver” und anderes selbst gesehen hat.
Hochinteressant ist bereits wie austauschbar in Teilen das amerikanische und deutsche Fernsehprogramm in seinen Showteilen war und ist. Ob “Was bin ich”, “Herzblatt” (auf das sich eine untertitelte Sequenz bezieht, die bei der Kinoauswertung Ende der Siebziger fehlte. Da suchte Rudi Carrell hierzulande noch nicht nach Herzensgefährten) oder Werbung für Kopfschmerztabletten: Kulturimperialismus allüberall. Natürlich gibt es auch USA-spezifische Formen wie “Point/Counterpoint” (Duales Diskussionsforum) oder “Courtroom” (dokumentarische Gerichtsshow), die kaum oder viel später erst in Deutschland umgesetzt wurden. Der gescheiterte Versuch, dokumentarisch angehauchte Gerichtssendungen in Deutschland zu etablieren, führte dank Comedy-Juristen wie Barbara Salesch, Alexander Hold, Ingo “Zwirbelbart” Lenßen und all den anderen juristischen Medienzöglingen direkt in die Scripted-Reality-Vorhölle. An deren Durchgang zum Haupttrack Sendungen mit Postleitzahlen im Titel bereits sabbernd warteten. Doch das soll “Kentucky Fried Movie” nicht tangieren.
Denn hier geht es um eine Zeit als Fernsehen noch mit einer vorgeblichen Ernsthaftigkeit betrieben wurde, die das niedertourige Quoten-Kalkül scheinbar außen vor ließ. Beziehungsweise keinen Hehl daraus macht, möglichst billig Erfolge einzufahren. Was sich wunderbar ad absurdum führen lässt. Und ebenfalls für die Filmwirtschaft gilt.
“Kentucky Fried Movie” ist gespickt mit Fake-Trailern (lange vor Quentin Tarantino und Robert Rodriguez) zu kommenden, nicht ganz so großen Ereignissen aus der Produktion des geschäftigen Samuel L. Bronkowitz (offenkundig eine Anspielung auf Samuel Z. Arkoff, den “König des Low-Budget-Films” und langjährigen Hausproduzenten Roger Cormans). Ob “Katholische Schulmädchen in Not”, “That’s Armageddon” oder “Cleoptra Schwartz”, Bronkowitz hat sie alle. Donald Sutherland, George Lazenby mit Kurzauftritten und einem asketischen, kleinen Rabbi mit einer Hauptrolle in einem Blaxploitation-Film.
ZAZ und John Landis zerpflügen die Kulturlandschaft und zerpflücken die Errungenschaften des modernen Lebens mit Lust, Laune und viel Liebe zu ihren Sujets (abzüglich der Gags geht “A Fistful of Yen” als komprimierte Paraphrase des originalen “Der Mann mit der Todeskralle” glatt durch. Inklusive Kung Fu und Bruce Lee-Manierismen). Sie verspotten rassistische Klischees (“Rex Kramer – Gefahrensucher”), machen sich über nationale und internationale Eigenheiten wie Ölgewinnung lustig (“Argon-Öl”), scheuen sich nicht vor heiklen Themen wie vorzeitigem Samenerguss (“Die wunderbare Welt des Sex”) und treiben selbst mit dem Tod makabre Scherze (“Scot Free” – Monopoly trifft auf Kennedy-Attentat, “Hilfe für die Toten”). Zwischen dem MAD-Magazin, Monty Python und den Marx-Brothers in der Ahnengalerie toben sich Zucker, Abrahams und Zucker in ihrer ganz eigenen Arena mit enormer Gagdichte herum. Deren Trefferquote so hoch wie erstaunlich ist. Das bereitet auch heute noch erstaunlich und wiederholt viel Spaß, eignet sich zum stundenlangen Nachspielen – wie es sich für einen echten Kultfilm gehört.
1987 setzte es mit “Amazonen auf dem Mond oder Warum die Amis den Kanal voll haben” ein galliges Quasi-Sequel, ohne die Zucker-Gang, aber mit John Landis, neben anderen Regisseuren wie Joe Dante und Carl Gottlieb, an Bord. Dem aber kein großer Erfolg an den Kinokassen beschieden war. Im Gegensatz zu den oben erwähnten von ZAZ-Projekten.
Technisch ist die Veröffentlichung eine zwiespältige Angelegenheit. Das Bild der Blu-ray pendelt zwischen extremer Körnigkeit, teilweise trotzdem verwaschen, und klaren, recht scharfen Sequenzen. Die separat anwählbare Vollbild-Version wirkt zwar weichgezeichneter, bietet aber eine recht homogene, ansehnliche Oberfläche. Da sich der Film zum mehrfachen Sehen eignet, kann man jede Variante nach eigenem Gusto checken. Die originale Synchronisation wurde beibehalten und geht, bis auf einige länderspezifische Aussetzer (So wird ein Schweizer Gefangener statt des originalen CIA-Agenten zur Strafe sinnlos nach Zürich und nicht nach Detroit verbannt), formal und inhaltlich einigermaßen in Ordnung. Die ursprünglich fehlende “Herzblatt”-Sequenz wurde nicht neu synchronisiert sondern im Original mit Untertiteln belassen.
Egal in welcher Version, der Kauf ist Pflicht, wenn man sich im Klaren darüber ist, dass der Film gefühlsaktiv gezeigt wird. Nein, es ist nicht “Deep Throat”.
“Ich habe keine Hosen an, Film nach elf.” So endet es.
Einer von vielen zentralen Sätzen: “Endlich ein Film, der den Mut hat, ungeschminkt die verheerenden Folgen der Onanie zu zeigen!”
Cover & Szenenfotos © Koch Media
- Titel: Kentucky Fried Movie
- Originaltitel: Kentucky Fried Movie
- Produktionsland und -jahr: USA, 1977
- Genre:
Komödie, Kompilationsfilm
- Erschienen: 03.12.2015
- Label: Koch Media
- Spielzeit:
80 Minuten auf DVD
83 Minuten auf Blu-Ray - Darsteller:
Billl Bixby
Evan Kim
George Lazenby
Donald Sutherland
Master Bong Soo Han
David Zucker
Jerry Zucker
Jim Abrahams
Regie:
John Landis
- Drehbuch:
David Zucker
Jim Abrahams
Jerry Zucker
- Kamera: Stephen M. Katz
- Musik: Igo Kantor
- Extras:
Trailergalerie, Eastern-Trailershow
Vollbildfassung des Films
Exklusiv im Mediabook: 16-seitiges Booklet zum Film
Im Gespräch mit David und Jerry Zucker (ca. 62 Minuten)
Behind the Scenes (ca. 19 Minuten)
Fotogalerie, Eastern-Trailershow
- Technische Details (DVD)
Video: 1.85:1 (16:9)
Sprachen/Ton: D, E, Dolby Digital 2.0
Untertitel: D
- Technische Details (Blu-Ray)
Video: 1.85:1 (16:9)
Sprachen/Ton: D, E DTS-HD Master Audio 2.0
Untertitel: D - FSK: 16
- Sonstige Informationen:
Produktlink
Erwerbsmöglichkeiten
Wertung: 12/15 dpt