Frank Darabont war führender Geburtshelfer von “The Walking Dead”, doch als das Baby lebensfähig war und sich prächtig entwickelte, wurde er unfreundlich vor die Tür gesetzt. Die genauen Gründe blieben im Ungefähren, mal hieß es, Darabonts cineastische Vorstellungen ließen sich finanziell nicht umsetzen, dann war er schlicht das Opfer eines rigide gekappten Budgets, dem er sich nicht fügen wollte und konnte.
Lange blieb er nicht arbeitslos. Angeregt von John Buntins Sachbuch “L.A. Noir, über die organisierte Kriminalität im Los Angeles der 40er”, beschloss Darabont seiner früheren Leidenschaft für den Film Noir nachzugehen und eine Serie zu entwerfen. Der Sender TNT war zur Produktion bereit, die Drehbücher für die sechsteilige erste Staffel war binnen Wochen fertig, eine passende Besetzung, inklusive der zeitweise zum “The Walking Dead”-Hauptcast gehörenden Jon Bernthal und Jeffrey De Munn, war fix gefunden, ebenso die stimmigen und stimmungsvollen Locations in und um Los Angeles. Für den atmosphärischen Soundtrack war der verlässliche Mark Isham zuständig. Frank Darabont, der Oscar-Gewinner, führte bei vier der sechs Episoden Regie. Müsste eigentlich ein Erfolg werden.
Denkste. “Mob City” floppte. Historische Kostümserien – um nichts anderes handelt es sich – sind ein Vabanque-Spiel. Während “Boardwalk Empire” Preise und Zuschauerzuspruch, für mittlerweile fünf Staffeln, bekam, ging “Mob City” baden (ähnlich erging es “Magic City” mit Jeffrey Dean Morgan, das es immerhin auf zwei Staffeln brachte und der netten 60er-Jahre-Sause “Vegas” mit Dennis Quaid, bei der ebenfalls nach der ersten Saison die letzte Klappe fiel) . TNT verweigerte die Produktion einer zweiten Staffel. Zu schade, denn nicht nur visuell ist der Sechsteiler eine aufregende Angelegenheit.
Als Antagonisten stehen sich in “Mob City” Polizei-Captain William ‘Boy Scout Bill’ Parker und die führenden Mobster, in Gestalt der bauernschlauen Dampframme Mickey Cohen, des eiskalten Ausputzers Sid Rothman und des eleganten Las Vegas-Visionärs – mit cholerischen Eruptionen – Ben ‘Bugsy’ Siegel gegenüber. Am Schluss hat noch der aalglatte Meyer Lansky ein paar eindrückliche Auftritte.
Im Mittelpunkt der Serie befinden sich aber der Polizist Joe Teague, ein mehrfach ausgezeichneter, post-traumatisierter Kriegsveteran, Ned Stax, der smarte Mafia-Anwalt und ehemaliger Kriegskamerad Teagues, und Jasmine die Ex-Gattin des Cops.
Der maulfaule und loyale Joe Teague gerät über den abgehalfterten Komiker Hecky Nash (eine atypische Rolle für Simon Pegg) in eine üble Erpressungsaffäre. Hecky hat Bugsy Siegel bei einem Mord beobachtet und Fotos machen lassen. Teague ahnt ziemlich schnell, dass die Fotografien von seiner großen Liebe und ehemaligen Gattin Jasmine stammen. Und so hat er alle Hände voll zu tun, sie aus der Schusslinie zu halten. Was sich als nahezu unmöglich erweist, denn Jasmine hat mehr als einen Gangster am Hals. Wobei das Spektrum von klugen Soziopathen bis zu durchgeknallten Freaks reicht.
Während Joe mit allen möglichen legalen und illegalen Mitteln um Jasmines Überleben kämpft, versucht Bill Parker Bugsy Siegel ordnungsgemäß des Mordes zu überführen. Als aufrechter Gesetzesvertreter inmitten eines korrumpierten Polizeiapparates hat er einen schweren Stand, vor allem wenn er bei seinem mutigen Vorpreschen gegen die Mafia einmal den Kürzeren zieht. Doch ein wahrer Pfadfinder gibt niemals auf (siehe auch “Gangster Squad”).
“Mob City” spielt, von einigen Rückblenden abgesehen, 1947, dem Jahr in dem Bugsy Siegel in seinem Haus in L.A. erschossen wurde. Der Schütze wurde nie gefasst. Frank Darabonts Serie liefert eine fiktionale Interpretation der Exekution.
“Mob City” erfindet den Film Noir nicht neu, ist eher eine hyperstilisierte Hommage, die ihre Vorbilder genau kennt. Licht, Ausstattung, Kostüme, Settings, Songs und Kolorit werden exzellent eingesetzt. So entsteht zwar ein hochglänzender Eindruck, der aber nicht aseptisch sondern organisch wirkt. Besonders das Spiel mit den Schatten gelingt Darabont und seiner Crew hervorragend.
Die Schauspieler schultern den Rest scheinbar mühelos. Jon Bernthal ist der perfekte, gebrochene Antiheld, man sieht ihm auf Anhieb an, dass er eine Menge einstecken musste, zigmal zu Boden gegangen ist, aber liegen bleiben ist keine Alternative für ihn. Was in der letzten Folge deutlich thematisiert wird. Milo Ventimiglia als smarter Anwalt hält die Waage zwischen Sympathieträger und verachtenswertem Subjekt, der hagere Robert Knepper als Sid Rothman strahlt beständig Gefahr aus, ihm reichen kleine Gesten und Blicke, um sowohl cool wie brutal zu wirken.
Eine Überraschung ist Ed Burns, der Ben Siegel überzeugend darstellt. Den Gentleman nimmt man ihm sofort ab, aber Burns hat auch die jähzornige Seite Siegels mit Schmackes drauf. Neal McDonough als stoischer Bill Parker ist wie gewohnt eine sichere Bank, Jeffrey DeMunn und die restlichen Nebendarsteller agieren ebenfalls passgenau.
Höhepunkt des Ganzen ist die umwerfende Alexa Davalos als Jasmine Fontaine. In ihrer Mischung aus Verletzlichkeit und femme fatale wirkt sie tatsächlich wie eine Zeitgenossin Lauren Bacalls und Katherine Hepburns, die es ohne zu altern ins einundzwanzigste Jahrhundert verschlagen hat.
Die Gewaltdarstellungen sind allerdings gegenwärtiger Natur, das Blut spritzt weit, die Knochen brechen und am Ende wird “Kill Bill” zitiert. Zumindest gibt es eine augenfällige Ähnlichkeit.
Wir haben also einen spannenden, hochatmosphärischen Sechsteiler, mit lakonischem, sarkastischem Humor, derben Gewaltspitzen und nachdenklichen Momenten des Innehaltens. Gut, die Geschichte ist nicht neu und auch das Genre wird nicht neu definiert, aber die Erzählung ist ansprechend und packend, kleinere Fahrlässigkeiten (Joe Teague arbeitet beispielsweise wie eine Ein-Mann-Armee und nicht wie der Angehörige einer Polizeieinheit) haben sich zwar eingeschlichen, wiegen aber nicht allzu schwer. Am Ende werden ein paar Dinge abgeschlossen und neue Entwicklungsmöglichkeiten angedeutet. Eine naheliegende wäre, dass der Einzelgänger Teague den Polizeidienst quittiert und als Privatdetektiv weitermacht. Aber das werden wir nie erfahren.
Warum “Mob City” ein Flopp wurde, ist schwer erklärbar. Vielleicht liegt es daran, dass eine Teil des Publikums sich mit einem ‘Helden’ schwertat, der gleich in der ersten Episode einen Unbewaffneten mehrfach in den Rücken schießt. Joe Teague hat zwar einen guten Grund für diesen heimtückischen Mord, doch anscheinend kommt man mit so etwas nur durch, wenn das hinterrücks erschossene Opfer ein untoter Walker ist.
Kein Grund sich vom Kauf von “Mob City” abhalten zu lassen. Das Bonusmaterial ist gefällig und dreht sich hauptsächlich um die Gestaltung des historischen Kontextes und das Wort “Noir”. Die Blu Ray-Version ist der DVD wegen ihrer bestechenden Bildqualität unbedingt vorzuziehen.
Cover & Szenenfotos © polyband
- Titel: Mob City
- Originaltitel: Mob City
- Produktionsland und -jahr: USA, 2013
- Genre:
Krimi, Film Noir, , TV-Serie
- Erschienen: 01.07.2015
- Label: polyband Medien GmbH
- Spielzeit:
276 Minuten auf 2 DVDs
276 Minuten auf 2 Blu-Rays - Darsteller:
Jon Bernthal
Milo Ventemiglia
Robert Knepper
Alexa Davalos
Neal McDonough
Ed Burns
Simon Pegg
Jeffrey DeMunn
- Regie:
Frank Darabont
Guy Ferland
- Drehbuch:
Frank Darabont
John Buntin
David Johnson
David J. Schow
Michael Sloane
- Kamera:
David Tattersall
Rohn Schmidt
- Musik:
Mark Isham
- Extras:
Behind the Scenes (ca. 4 Min.), The Look of Noir (ca. 5 Min.)
Making-Of (ca. 16 Min.), On Location (ca. 6 Min.)
The Style of Noir (ca. 5 Min. - Technische Details (DVD)
Video: 16×9 anamorph (1,78:1)
Sprachen/Ton: D (Dolby Digital 5.1), E (Dolby Digital 5.1)
Untertitel: D, GB
- Technische Details (Blu-Ray)
Video: 16×9 anamorph (1,78:1)
Sprachen/Ton: D (DTS-HD 5.1), E (DTS-HD 5.1)
Untertitel: D, GB
- FSK: 18
- Sonstige Informationen:
Produktseite
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Wertung: 11/15 dpt