Eigentlich ist es ja altbekannt, dass man mit Wünschen achtsam sein sollte, denn sie könnten in Erfüllung gehen. So schickte mir Tiberius-Film freundlicherweise gleich drei Staffeln “Hunter”, als ich zur Besprechung der siebten und letzten Staffel vorlaut verkündete, dass ich die Serie bei ihrer Erstausstrahlung im deutschen Fernsehen gerne gesehen habe.
“Hunter & McCall” sollte – laut Stepfanie Kramer (nur echt mit “f” nach dem “p”) alias Dee Dee McCall – der ursprüngliche Titel lauten, doch man hätte sich gegen diesen Titel entschieden, weil seinerzeit zu viele Shows mit Doppelnamen im TV liefen (Kramer kann sich im Interview nicht mehr erinnern, meint aber vermutlich “Hardcastle & MCCormick an, ebenfalls eine Lupo/Cannell-Produktion sowie “Simon & Simon” und “Jake And The Fatman”). Allerdings ist das einsame “Hunter” folgerichtig, denn auch wenn Dee Dee McCall relativ viel Sendezeit bekommt, gleichwertig ist sie nicht zum Aushilfs-Clint Eastwood Fred Dryer, der den Titelhelden Sergeant Rick Hunter gibt, jenen Dirty Harry im Westentaschenformat.
Zurück zum Wunschpunsch. Gleich in der ersten Folge hagelt es Ernüchterung. Mehr als ein Vierteljahrhundert ist eine lange Zeit im TV-Business, und auch wenn “Hunter” damals schon nicht mit den wegweisenderen Vorreitern wie “Miami Vice”, “Hill Street Blues” oder den etwas später gestarteten “NYPD Blue” mithalten konnte, hatte ich es als solide, etwas krawallige und – fürs Fernsehformat – relativ brutale Serie in Erinnerung.
Die erste Folge der fünften Staffel zeichnet sich dadurch aus, dass eine Polizeipsychologin einen Jugendlichen, der den Mord an seinen Eltern beobachtet hat, mit zu sich nach Hause nimmt. Dazu gesellt sich eine spröde Dramaturgie mit gestelzten Dialogen und eine biedere Inszenierung in schlichtem TV-Format. Und Dee Dee McCall, in der freundlichen Erinnerung ein schnuckeliger Hingucker, entpuppt sich als zeitverlorener, modischer Fauxpas. Mit Frisuren, die zwischen sturmgebeutelter Jennifer Rush und wildem Handfeger unter Strom pendeln. Kramer selbst nimmt die modischen Entgleisungen im Interview mit viel Humor.
“Saat des Schweigens” besitzt zwar eine finstere Pointe, die Respekt verdient. Leider wird die Dramatik der Auflösung völlig verdaddelt, vielen Pointen im weiteren Verlauf ergeht es so, die meisten Enden wirken ziemlich verhuscht. Schlussgags ließ man meist aus. “Hunter” ist insgesamt eine wenig humorige Serie, lediglich Captain Charlie Devane sorgt für einen etwas unbeholfenen, aber passenden, Comic Relief. Auch ein spektakuläres Auskosten der nahezu hundertprozentig erzielten Ermittlungserfolge bleibt aus. Die Folgen enden einfach im Standbild, dann Abspann. Neuer Tag, neue Arbeit. Letztlich ist genau dieses Understatement ein Bonuspunkt der Serie.
Es dauert ein paar Folgen, bis man sich an das gemächliche Erzähltempo, die willkürlichen Ermittlungen, das unprofessionelle Verhalten (Hunter und McCall sind oft allein unterwegs, Schutzwesten kennt man nicht, SEKs ebenso wenig, größere Teams lassen gerne viel Platz für ordentliche Schusswechsel oder vorerst erfolgreiche Fluchtversuche der bösen Buben und Mädchen), die oft auf dem Tablett servierten Lösungen und die Frühneunziger-Bildästhetik gewöhnt hat. Manchmal gibt es gar Action und Stunts zu bestaunen, zur finalen Staffel hin werden die Schießereien zeitgeistmäßig blutiger, obwohl es insgesamt immer familientauglicher zugeht. Man arrangiert sich erstaunlicherweise schnell wieder mit diesem Feuerwerk des Banalen und “Hunter” entwickelt tatsächlich einen bescheidenen, aber wohltuenden Unterhaltungsreiz.
Einen wirklichen Abschluss besitzt die siebte Staffel nicht, was erneut konsequent ist, da es 1995, 2002 und 2003 drei nachgeschobene, einigermaßen erfolgreiche Fernsehfilme gab. Die 2003 eingeleitete Fortsetzung in Serienform endete, trotz der erneuten Beteiligung Stepfanie Kramers, sang- und klanglos bereits nach vier Folgen. Der harte Hund im schnöden “Lass den Scheiß, wir kriegen dich sowieso”-Modus war nur mehr ein antiquiertes Relikt. “Homicide” gab es bereits, die “Sopranos” traten Ende der Neunziger ihren Siegeszug an – ohne jeden Raum für kleine Dirty Hunters –, das komplexe “The Wire” und das finstere “The Shield” standen in den Startlöchern. Kein Raum mehr für handwerkliche Standardware, deren einzelne Teile meist damit endeten, dass der flüchtende Bösewichtel (oder die Bösewichtelin) einen erhöhten Standplatz erkletterte, damit ein unbenannter Stuntmann fotogen nach diversen Treffern aus Hunters (seltener McCalls) Pistole in den TV-Tod plumpsen konnte. Verhaftungen wurden eher selten vorgenommen. Darin waren “Hunter” und seine Kollegen konsequent, die Übeltäter sehnten sich geradezu nach dem finalen Rettungsschuss.
Andererseits gab sich “Hunter” liberal, hatte Verständnis für homosexuelle Kollegen, rassistische Klischees werden kaum bedient, allerdings bleibt die Anzahl dunkelhäutiger Darsteller insgesamt überschaubar, in ein paar Folgen wird Vigilantentum plakativ und eher pseudokritisch unter die Lupe genommen, ganz, ganz selten besitzen einzelne Fälle auch gesellschaftspolitische Brisanz, wie “Das Gift und die Schuld”, der ein Umweltverbrechen zum Thema hat. Um am Ende den Hauptverursacher seine eigene, bittere Medizin trinken zu lassen.
Die Anzahl hochkarätiger Gaststars hält sich in Grenzen, in den letzten drei Staffeln schauen immerhin Robert Vaughn als aalglatter Deputy Chief Curtis Moorehead gleich dreimal, Brion James zweimal, Sammy Davis. Jr. als loyaler Boxtrainer (“Benny, der Kampf um die Ehre”), Nina Foch als alternder Filmstar (“Acapulco-Träume”) und ein junger Gary Sinise als psychopathischer Frauenmörder vorbei (“War Sie eine Hure?”). Gerade Sinises Auftritt in der Rolle des britischen Snobs Tony Rutherford ist ein Quell sprudelnder Freude.
Am Ende der sechsten Staffel verlässt Dee Dee McCall die Serie. In der Presse wurde damals von einem Zerwürfnis zwischen Kramer und dem angeblich immer egomanischer werdenden Fred Dryer geschrieben. Die Interviews im Bonusbereich und die gemeinsamen Auftritte Kramers und Dryers in den Jahren nach “Hunters” Einstellung sprechen aber dagegen. Man gönnte Dee Dee einen passenden, freundlichen Ausstieg mit Hochzeit und Umzug nach England. Leider verheiratete man die attraktive Polizistin mit einem schleimigen Gesichtssteppichträger, ein kleiner Wermutstropfen.
Darlanne Fluegel, immerhin an der Seite William Petersens “To Live And Die In L.A.” erfahren, wurde als McCalls Nachfolgerin in ein allzu enges, niedliches Korsett gesteckt und verheizt. Zudem kam sie anscheinend tatsächlich nicht mit Dryer klar und starb nach einer halben Staffel den Serientod.
Mit ihrer Nachfolgerin, der alleinerziehenden Chris Novak wurde Hunters Konzept weiter zur Familiensendung verwässert. Hunter kabbelte sich mit Novaks Ex, ebenfalls ein Polizist, die altkluge, achtjährige Tochter wurde einmal entführt, kam aber leider wieder frei. Glücklicherweise blieben ihre Auftritte trotz Vorspann-Nennung zeitlich sehr begrenzt. Novak trug Kostüme eher altertümlichen Zuschnitts, hatte ein Techtelmechtel mit einem weicher werdenden Rick, der sogar romantisch: “Ich habe dich recht gern!” säuselte. Aufgrund der Serieneinstellung wurde die kleine Beziehungsgeschichte nicht weiter ausgearbeitet. Gespielt wurde Sergeant Novak – als Mischung aus Prinz Eisenherz und vorwitziger Popperin – von Lauren Lane, die sich wenig später als C.C. Babcock, der so schnippischen wie komischen Gegenspielerin von “Nanny” Fran Drescher wesentlich effizienter in Szene setzen konnte.
“Hunter” ist eine typische Frank Lupo/Stephen J. Cannell-Produktion. In den besten Momenten routiniert gemachte TV-Unterhaltung, aufgewertet durch ihre Unbedarftheit und Unaufgeregtheit. In den schlechteren biederes, hingeschludertes Stückwerk, das erst im nostalgisch verklärten Rückblick etwas Charme gewinnt. Die Fälle waren meist folgeweise abgeschlossen, die Welt anschließend wieder in Ordnung. Einmal pro Staffel gab es einen Zwei- oder Dreiteiler. Wobei die einzige dreiteilige Soiree der fünften Saison zu großen Teilen aus rückblickenden Zusammenfassungen besteht. Und eine der Hunter-typischen Psycho-Killer-Girlies aufzubieten hat. Keine Bange Rick, Dee Dee ist ja da.
Technisch präsentiert sich die Serie im verwaschenen Endachtziger/Frühneunziger-Look, nicht schön und scharf, aber ansehnlich im 4:3-Format. In der synchronisierten Version muss man mit drei unterschiedlichen Stimmbesetzungen für den Hauptcharakter klarkommen. Der Vorspann ändert sich ebenfalls von Season zu Season, und das schmissige Hunter-Thema der krimierfahrenen Komponisten Mike Post und Pete Carpenter erfährt auch von Jahr zu Jahre ein leichtes kosmetisches Upgrade. Irgendwie ist das alles egal, oft nicht so dolle und doch, wenn man sich an all die Schnitzer und Schnurren wieder gewöhnt hat, verbreitet selbst der sich immer weiter verflüssigende Hunter, auf seiner nicht mehr ganz so gnadenlosen – dennoch meist letalen – Jagd, ein lässiges Vergnügen. Danach wieder zu den ernsteren Dingen. Wie “The Walking Dead”. Beam me up, Hunter & McCall.
Statement I:
“Ich verdächtige Sie […], weil Sie dumm sind. Und dumme Menschen tun dumme Dinge.”
Statement II:
“Sie sagen, dass er bisher nie auffällig geworden ist – er hat nicht getrunken, geraucht und keine Hunde getreten?”
“Nein, gar nicht.”
“Das klingt ja schon sträflich langweilig.”
Schon gut, Captain Charlie, dagegen kann etwas getan werden…
Cover und Szenenbilder © Tiberius Film
- Titel: Hunter – Gnadenlose Jagd
- Staffeln: 5 – 7
- Episodenanzahl:
Staffel 5: 22 Episoden (6 DVDs)
Staffel 6: 22 Episoden (6 DVDs)
Staffel 7: 22 Episoden (6 DVDs) - Erschienen: 2014/15
- Produktionsland: USA
- Produktionsjahre: 1988-1991
- Label: Tiberius Film
- Idee: Frank Lupo
- Produktion: Stephen J. Cannell, Frank Lupo
- Spielzeit: Staffel 5: 990 Minuten
Staffel 6: 1012 Minuten
Staffel 7: 990 Minuten
- Musik: Mike Post/Pete Carpenter
- Darsteller:
Fred Dryer
Stepfanie Kramer (Staffel 5, 6)
Charles Hallahan
Darlanne Flugel (Staffel 7.1)
Lauren Lane (Staffel 7.2)
- Extras:
Exklusive Dokumentation “Hunter – Back to the 80’s Pt. 2” (Staffel 5.2)
Stephanie Kramer Interview (Staffel 7.2)
Fotogalerie (Staffel 7.2)
- Technische Details (DVD):
Video: 4:3 – 1.33:1
Audio: Deutsch (Dolby Digital 2.0), Englisch (Dolby Digital 2.0)
Untertitel: Deutsch - FSK: 12
- Sonstige Informationen:
Produktseite DVD, Staffel 7.1
Dies ist eine Kombirezension zu den letzten drei Staffeln, die jeweils einzeln erhältlich sind!
Wertung: 9/15 Föhnwellen