Zweieinhalb Jahrzehnte, bevor “Mad” Max Rockatansky die ‘Fury Road’ entlangbretterte war er, im zweiten und einflussreichsten Teil der ursprünglichen “Mad Max”-Trilogie, mit Mel Gibson in der Titelrolle, der ‘Road Warrior’. Das gefiel nicht nur einem Millionenpublikum sondern auch italienischen Filmproduzenten. Witterten sie doch eine lukrative Einnahmequelle. Die Kiesgrube am Ortsausgang, zerfallende Fabrikanlagen, Klamotten aus Sex-Shop und Second-Handverkauf sowie ein paar Schrottautos reichten als Accessoires, um kostengünstige (Möchtegern)-Schauspieler an der Seite von Veteranen der gloriosen Italo-Western-Zeit für eine Handvoll Lire in die viel zu großen Fußstapfen George Millers und seines Anti-Helden Max zu stecken.
Highlights im nachgemachten Endzeitfilm dürften Enzo G. Castellaris “Metropolis 2000”, das “The Riffs”-Duo, allerdings eher auf den Pfaden von Walter Hills “Warriors” unterwegs, und der ziemlich abgedrehte “Fireflash – Der Tag nach dem Ende” sein. “The Executor – Der Vollstrecker” (Anhängsel geklaut bei “Mad Max II”) reiht sich ins obere Mittelfeld der rund zwanzig Produktionen ein, die zwischen 1982 und 1989 entstanden.
Das liegt zum einen am Regisseur Giuliano Carnimeo, der hier als Jules Harrison firmiert und als Anthony Ascott unter anderem wesentlichen Anteil an der “Sartana”-Reihe hatte (wie dem Film mit dem klasse Titel “Buon funerale amigos!… paga Sartana”, der auf Deutsch nicht ganz so nett “Sartana, noch warm und schon Sand drauf!” hieß) und für solides Handwerk, gerade mit begrenzten Mitteln, steht. Zum anderen machte man mit der Geschichte nicht viel falsch, denn die ist eine Kopie des australischen Vorbilds, mit dem kleinen Unterschied, dass das wertvolle Gut hier Wasser und nicht Öl ist. Warum auch immer. Die Ölbäume scheinen zu sprießen und die Regenwolken zicken. Bis das Finale den ganzen Film ad absurdum führt. Aber das ist schön so.
Außerdem drehte man an verschiedenen Standorten in Spanien (Las Salinillis, Benavides , Tabernas, Rambla Lanujar etc.), was die kargen Landschaften nach Sandhalden/Kiesgruben DeLuxe aussehen lässt. Dort treibt sich unser lonesome Drifter namens ‘Tiger’ (im Original origineller ‘Alien’ wie eine ergänzte, französische (!) und untertitelte Szene erfahren lässt) herum, auf der Suche nach Wasser und Abenteuern. Beides findet er in Gestalt einer Polizeistreife, die planlos durch eine ominöse Sperrzone streift, womit ihr beruflicher Werdegang zum Höhe- und Endpunkt gelangt. Denn Tiger hat Mitleid und befreit die beiden Cops von der Sinnlosigkeit ihrer Existenz.
Damit ganz zufrieden, lässt er sich erst einmal sein Auto klauen, ein voll gepanzertes und computergesteuertes Fahrzeug namens Exterminator. So eine Art K.I.T.T. vom Endzeit-Flohmarkt. Bei der Verfolgung des Wunderfahrzeugs macht der Tiger aber leider eine Bruchlandung auf dem Dach und muss warten bis der kleine Tommy vorbeikommt, ihn zu befreien.
Tommy ist eine jener juvenilen Nervensägen, denen man einen schnellen Tod wünscht, damit der Film überlebt. Dieser Gefallen wird uns aber nicht getan, stattdessen raufen sich Tiger und Tommy zusammen, um eine geheime Wasserquelle zu finden, deren Koordinaten der Zehnjährige bei sich trägt. Getreu der Millerschen Vorlage stammt der Junge aus einer Siedlung redlicher Endzeitler, die erst Tommys Vater, dann einen weiteren Trupp – dem Tommy sich heimlich anschließt – in die Wüste schicken, um zu jenem geheimnisumwobenen Wasserreservoir zu gelangen, aus dem die darbende Oase benetzt werden soll.
Da sind allerdings Crazy Bull und seine Bande vor. Bull ist der Bösewicht vom Dienst, trägt einen hippen Zopf zur Glatze und so dick Kajal auf, dass es nur für ein Auge reicht. An die berserkerhafte Bedrohlichkeit des originalen Vernon Wells reicht er trotzdem lange nicht ran. An seiner Seite kämpfen eine dunkelhäutige Amazone mit tödlichem Handschuh und ein paar rüde Rocker von der Auto- und Motorradstuntshow vom Stock-Car-Parcours nebenan.
Tiger, der gerne den egomanischen Kotzbrocken gibt, spaziert mit Tommy gemeinsam. durch die Wüste, um sich ohne Umschweife von Crazy Bull mattsetzen zu lassen. Regisseur Carnimeo hat augenscheinlich den Schalk im Nacken, ist Tiger doch der hilfloseste Held, den man sich nur vorstellen kann. Er kann keine paar Schritte laufen, ohne das er von einer Bredouille in die nächste gerät. Kloppt aber laufend Sprüche als wäre er der Master of Desaster. Dabei ist er nur der Django aus der Chippendale-Truppe, den sich Regisseur Carnimeo von Calvin Klein ausgeborgt hat, um mit blankem Oberkörper unter schnieker Lederjacke zu Goldlöckchen und Stirnband gut auszusehen. Das gelingt ihm leidlich. Es sollte Robert Iannuccis einziger Ausflug in exponierter Rolle auf die Leinwand und in die Videothek bleiben (insgesamt existieren nur drei filmische Vermerke für Iannucci). Er war tatsächlich CK-Poseur und wenn der bei Linked/In angezeigte Robert Iannucci tatsächlich unser Tiger ist, hat er sich in den USA mit Sportmoden selbständig gemacht. Und ist dabei nicht so unangenehm aufgefallen wie der originale Road Warrior Gibson.
Back to the movie: Crazy Bull hat noch eine Rechnung mit Tiger offen, denn dieser hat ihm seinen Wagen geklaut (richtig, den bereits bekannten Exterminator), und er möchte ihn zweiteilen. Da hat Tiger entschieden was gegen, er fädelt einen apokalyptischen Kuhhandel ein, bei dem er ein Motorrad geschenkt bekommt und die bösen Bolde im Gegenzug nichts. Das ist großes, existenzialistisches Kino, hier zählen Kompromisse nichts, nur das Individuum, zurückgeworfen auf sein eigenes Selbst, triumphiert. Tiger haut ab und überlässt Tommy schnöde seinem Schicksal. Zweiteilung war angesagt und Zweiteilung wird durchgeführt. Doch Tommy bleibt uns leider erhalten, wenn auch in Stücken. In einer recht derben Szene wird der Junge seines Armes beraubt, doch Entwarnung ist schnell angesagt, endet der Armstumpf doch in bunten Strippen. Tommy ist demnach zumindest in Teilen ein Cyborg.
Natürlich kommt Tiger wenig später um die Ecke, befreit Kind und Arm und ab geht’s in die Nacht. Der Arm wird mit ein bisschen Duck Tape geklebt, hält zwar und wackelt, aber Tiger kennt einen tollen Mechaniker namens Pepperoni, der die Extremität fachgerecht richten soll. Tommy wird unter Bier gesetzt (Luca Venantini liefert eine schauspielerische Glanzleistung ab, die fast an Arnold Schwarzeneggers oscarreife Interpretation der Trunkenheit in “Conan der Zerstörer” heranreicht) und erhält operativ seinen Arm zurück, erweitert um ein mysteriöses Update, mit dem er kräftemäßig sogar Superboy überflügelt. Und der war ja schon stärker als tausend Sonnen.
Nicht nur Tommy wird repariert, auch findet sich der gepimpte Exterminator wieder. Als Dieb entpuppt sich die lockenmähnige Trash, eine angesäuerte Verflossene Tigers. Die Familie ist komplett, in der deutschen Version sogar als schöne Alliteration: Trash, Tiger und Tommy können dem Finale entgegentorkeln. Das Wasserlager wird gesucht und gefunden, Tiger darf endlich Dampf ablassen und die dort ansässigen Mutanten eliminieren. Danach wird die Heimfahrt angetreten. Bei der man unweigerlich wieder den Weg von Crazy Bull kreuzt. Es folgt ein Showdown, bei dem sich Tiger festfährt, Tommy sich als autonomer Steineschmeißer von Weltklasse beweist, ein Guter stirbt und Crazy Bull Tiger zeigen möchte, was eine Harke ist.
Am Ende bleibt die Rumpffamilie und wenig Hoffnung übrig, bevor es eine finale Überraschung gibt, die das ganze Gewese vorher ziemlich hinfällig macht. Andererseits eine wunderbare Umsetzung des altbekannten John Lennon Sinnspruches: “Life is what happens while you are busy making other plans.”
Der staubtrockene Executor ist ein Klon für den verregneten Nachmittag oder einen gemütlichen Abend unter FreundInnen. Es wird viel gesprochen und nicht nur gut über andere, in den Redepausen gibt es handgemachte Autojagden, bei denen Stuntmen und Dummies Purzelbäume schlagen. Hektik ist Carnimeo fremd, alle Aktionen werden lange vorbereitet und wenn man schon ein paar spanische Trockenflächen hat, wollen sie auch durchmessen werden.
Die gezeigte Gewalt ist von ruppiger Natur, aber weit von einer blutigen Splatterorgie entfernt. Es fließt Blut, der ein oder andere Kopf rollt durch den Wüstensand und ab und an wird im Gekröse gestochert. Aber nicht sonderlich explizit, weshalb die ungeschnittene Version locker ab sechzehn Jahren durchgeht.
Die Disc enthält noch die alte Kinoversion, in der am auffälligsten die untertitelte “Alien”-Dialog-Sequenz fehlt. Das Bild ist kleiner, die Qualität schlechter, nur von Interesse für absolute Nostalgiker und Filmwissenschaftler. Und Nerds.
Das Bild der Blu-Ray ist sauber und etwas körnig, was bei dem vielen Sand aber normal ist. Der Soundtrack besteht hauptsächlich aus dem etwas leierigen Titellied, das in zahlreichen Versionen zum Besten gegeben wird. Hat etwas Meditatives wie die gesamte erdfarbene Endzeit-Exekutive.
Zentraler Satz: “Ich gebe zu, zweigeteilt würde ich mir ziemlich beschissen vorkommen.”
Cover und Fotos © Ascot Elite
- Titel: The Executor – Der Vollstrecker
- Originaltitel: Il giustiziere della strada/Gli sterminatori dell ‘anno 3000
- Produktionsland und -jahr: Italien/Spanien 1983
- Genre:
Action, Endzeit, Science Fiction, Abenteuer
- Erschienen: 03.03.2015
- Label: Ascot Elite Home Entertainment
- Spielzeit:
87 Minuten auf 1 DVD
87 Minuten auf 1 Blu-Ray - Darsteller:
Robert Iannucci
Alicia Moro
Luca Venantini
Luciano Pigozzi
Eduardo Fajardo
Fernando Bilbao
- Regie: Giuliano Carnimeo als Jules Harrison
- Drehbuch: Elisa Briganti
Dardano Sacchetti
José Truchado
- Kamera: Alejandro Ulloa
- Musik: Detto Mariano
- Extras:
Trailer, Bildergalerie,
Bildvergleich Drehorte,
Trailershow, Deutsche Kinofassung - Technische Details (DVD)
Video: 1.85:1 / 16:9
Sprachen/Ton: Deutsch, Dolby Digital 5.1+2.0
Untertitel: –
- Technische Details (Blu-Ray)
Video: 1.85:1 / 16:9 – 1080/ 25p HD
Sprachen/Ton: Deutsch, DTS-HD Master Audio 5.1+2.0
Untertitel: –
- FSK: 16
- Sonstige Informationen:
Filminfos und Erwerbsmöglichkeiten @ Ascot Elite
Wertung: 7/15