Letzte Woche erschien in Deutschland die erste Staffel von “Orange Is The New Black” auf DVD und BluRay, und schon jetzt wird auch die zweite Season der Netflix-Erfolgsserie zum ersten Mal außerhalb der Streaming-Plattform käuflich zu erwerben sein. In Litchfield ticken die vergitterten Uhren dagegen etwas langsamer: In Folge dreizehn sieht zu Weihnachten alles nach Friede, Freude, Eierkuchen aus, die neuen Episoden spielen in den kalten, ersten Monaten des neuen Jahres. Gleich zu Beginn deutet sich an, dass sich die Schreiber und Schreiberinnen viel vorgenommen haben, zum Schluss wird klar, dass ihnen dabei viel gelingt.
Der ersten Staffel ist zu sehr anzumerken, dass es größtenteils um den Aufbau der Serie ging und dementsprechend zu viele Ideen untergebracht werden mussten. Das hat fraglos geklappt, denn schon beim simplen wie markanten Intro stellt sich ein wohliges Gefühl ein. Immer mehr Mund- und Augenpartien können den jeweiligen Figuren zugeordnet werden, die trotz ihrer menschlichen Schwächen allesamt liebenswert gezeichnet sind, doch es fehlte oftmals das tragische, das gefährliche Moment, das zu einer Gefängnisserie dazu gehört. Dieses hält durch eine neue Figur Einzug in den Frauengefängnistrakt.
Lorraine Toussaint spielt Yvonne „Vee“ Parker, die nicht ihre erste Haftstrafe in Litchfield absitzen muss. Ihr letztes Mal ist allerdings schon einige Jahre her, aber selbst die jungen Neuankömmlinge haben schon von ihr gehört. Das liegt an einer Gruppe, die zuvor nahezu unsichtbar geblieben ist, nämlich den Alten. Sie kennen Vee, ihre Vergangenheit und ihre Art sich im Gefängnis zu behaupten. Ihr wunderbar charismatisch gespielter Auftritt zeigt, wie schnell eine kleine Idylle durch nur eine Person, durch eine dazukommende Variable, völlig aus den Fugen geraten und ihre Bewohner auf die Probe stellen kann. In diesem Sinne haben die Vorbereitungen in Staffel eins ein fruchtbares Feld für die Zukunft bereit gestellt.
Das macht sich ebenso bei den Flashbacks bemerkbar, die nun feinfühliger eingesetzt werden und überraschendere Details aus der Vergangenheit der jeweiligen Person offenbaren. Dieser Überraschungseffekt macht die Tragik etwas glaubhafter und die Situationen etwas realistischer, wodurch das Leben im Gefängnis eine stimmigere Betonung findet. Doch trotzdem bleibt es dabei, dass die Häufigkeit, in der problemlösende Zufälle auftreten oder gar zusammenfallen, viel zu hoch ist, als dass sie so einfach hingenommen werden können, wenn sie nicht den Wahnsinn und die Absurdität hinter den Gefängnismauern auf den Punkt bringen. Handlungsstränge, die ohne diese Überraschungen auskommen, sind hingegen oft zu vorhersehbar konstruiert, was der immer noch großartige Cast zumindest teilweise ausbügeln kann.
Dieser bekommt aufgrund seiner Stärken konsequenter noch mehr Raum zugestanden, dadurch dass Piper immer weniger als die Hauptfigur dargestellt wird. Ihre Geschichte ist zwar immer noch außergewöhnlich und interessant, doch andere, parallel laufende Stränge sind mindestens genauso spannend und herzzerreißend geschrieben. Im Gegensatz zu den ersten Folgen wird mehr Wert auf Qualität statt auf Quantität gelegt, es wird also nicht mehr jedes Detail verfolgt, nur um es nicht zu verlieren. Der Umgang der Schreiber und Schreiberinnen mit der Serie wird paradoxerweise dadurch sicherer, dass sie sich mehr zutrauen und viele Experimente eingehen. Alleine die erste Folge zeigt, wie selbstbewusst sie mittlerweile auftreten und mit den Erwartungen spielen.
Doch es bleibt ebenso dabei, dass sich die Macher schon mit den grundsätzlichen Entscheidungen zu Beginn zu sehr selbst beschnitten haben. Der durchweg humanistische Ansatz klammert unnötigerweise eine ganze Bandbreite an erwähnenswerten Fragestellungen aus, die natürlich eine Nummer unbequemer und bitterer, aber von nachhaltigerer Bedeutung wären. Es muss ja nicht gleich in “Breaking Bad”-Kompromisslosigkeit kippen, aber es muss auch nicht jede heikle Situation gelöst und jeder Person Verständnis zuteil werden, aber es wird schon häufiger mit diversen Grautönen experimentiert. Unvermeidliche und sicher so erwünschte, feministische Thematiken hat man dagegen besser im Griff, zum einen, weil trotz aller Sympathien auch die Frauen ihr Fett wegbekommen, zum anderen, weil die männlichen Parts und ihre Probleme nun mehr Aufmerksamkeit zugesprochen bekommen und differenzierter betrachtet werden.
Die zweite Staffel ist in jedem Fall besser als die erste, aber es bleibt noch Luft nach oben. In den Staaten ist sie vermutlich so erfolgreich, weil sie über so viele Figuren verfügt, von denen jeder Amerikaner mindestens eine aus seinem Leben kennt und weil aus einigen Schauspielerinnen mittlerweile echte Stars geworden sind. Diese Identifikationsmöglichkeiten fallen in Deutschland deutlich geringer aus, auch wenn das nichts am Mitgefühl für die und dem Mitfiebern mit den Gefangenen ändert. Natürlich fällt es dabei schwer, sich auch nur von einem Ensemblemitglied zu trennen, aber vielleicht würde das Ausscheiden einer zentralen Person in den nächsten Staffeln dafür sorgen, dass durch die Verunsicherung eine ungeahnte Spannung und Dynamik in die Sache kommt. Von der Buchvorlage hat sich die Serie dem Vernehmen nach nämlich größtenteils gelöst, die Story kann munter selbst weitergeschrieben werden. Das Potenzial ist da, es ist nur die Frage, ob die Macher dazu bereit sind die Prämissen dementsprechend anzupassen. Trotzdem bleibt die Serie eine gute, die nicht nur aufgrund des immer noch brillanten Humors zu den unterhaltsamsten (Online-)Fernsehformaten gehört.
FAZIT: Staffel zwei bringt mehr in die Welt von “Orange Is The New Black”: Mehr Tragik, mehr Gewalt, mehr Mut, mehr Experimentierfreude und mehr Selbstbewusstsein. Einige Elemente, die in den Genuss der ersten Staffel eingeschränkt haben, sind entweder ganz über Bord geworfen oder auf angemessene Weise angepasst worden, wodurch die Serie eine klare Aufwertung erfährt. Jedoch bleiben die grundsätzlichen Entscheidungen wie der humanistische Ansatz erhalten, wodurch einiges Potenzial von vornhinein ausgeschlossen wird. „OITNB“ könnte noch so viel mehr sein, aber wem das egal ist, der wird mit dieser Staffel mit Sicherheit glücklich.
- Titel: Orange Is The New Black – Staffel 2
- Produktionsland und -jahr: USA, 2014
- Genre:
Comedy
Drama
- Erschienen: 02.07.2015
- Label: Studiocanal
- Spielzeit:
über 700 Minuten auf 5 DVDs
über 700 Minuten auf 4 Blu-Rays - Darsteller:
Taylor Schilling
Jason Biggs
Laura Prepon
Kate Mulgrew
Yael Stone
Lorraine Toussaint
Natalie Lyonne
Uzo Aduba
Laverne Cox
u.v.m. - Drehbuch: Jenji Kohan u.v.a.
- Extras:
Audiokommentare, Featurettes, Trailer - Technische Details (DVD)
Video: 1,78:1 (anamorph)
Sprachen/Ton: D, GB
Untertitel: D
- Technische Details (Blu-Ray)
Video: 1,78:1 1080/24p Full HD
Sprachen/Ton: D, GB
Untertitel: D
- FSK: 16
- Sonstige Informationen:
Produktseite
Wertung: 12/15 dpt