Gerade mal rund ein halbes Jahr nach “Stinker und Matschbacke und die Doofheit der Dachse” schiebt ‘der Verlag mit dem Wal’, nämlich der magellan Verlag, den zweiten Teil der im Original mit “Stinkbomb and Ketchup-Face” betitelten Reihe nach, und es war zu erwarten, dass es schwierig werden dürfte, den eröffnenden Band zu toppen. Denn der Überraschungseffekt war riesig, der Charme zu betörend, und bei solch intensiven Erlebnissen ist die Erwartungshaltung entsprechend groß.
Das schräge Geschwisterpaar – der mutige Stinker, der in seiner Hosentasche stets etwas Nützliches parat hat sowie seine freche, verrückte und liebend gern singende Schwester Matschbacke – ist froh, endlich Ruhe vor den doofen Dachsen zu haben. Mit Hilfe der Fruksländer Armee (bestehend aus Kater Kunibert), des Einkaufswagens Eric und König Flummi Sonnenschein, vor seiner Umbenennung auf den Namen König Isabell der Verwirrte hörend, haben sie Fruksland gerettet, indem sie in einer waghalsigen Aktion die fiesen, aber irgendwie ziemlich einfach gestrickten Dachse hinter Gitter gebracht hatten. Dies wird am Anfang der Geschichte von sämtlichen Beteiligten auch noch einmal in einer Art Rückschau geschildert – auf ziemlich amüsante Weise.
Dumm nur, dass einer der Dachse beim Monopoly-Spiel die Karte mit der Aufschrift »Du kommst aus dem Gefängnis frei.« gezogen hat. Kaum auf freiem Fuß, führen die Dachse wieder Ungutes im Schilde – und Stinker und Matschbacke, die den noch jungen Morgen genießen möchten, ahnen noch nichts von alldem, als sie vom königlichen Trompeter wachtrompetet werden (der König ist’s, lediglich mit anderem Button – man kennt es aus der ersten Geschichte) und vom König selbst (der Trompeter ist’s, lediglich mit anderem Button…) verkündet bekommen, was geschehen ist. Spätestens, als …
»… kein normaler Regen, sondern ein ekliger, tintiger, dickflüssiger, klebriger Regen, der auf dem Boden dunkle Pfützen bildete und leicht nach Bananen roch …«
… herniederprasselt, wird allen klar, dass die Dachse nichts besseres zu tun haben, als einmal mehr »abgrundtief böse Schandtaten« zu begehen. Aber was genau haben sie vor? Nun, Stinker und Matschbacke wissen es nicht – sie befinden sich mitten in einer Geschichte, und sie müssen unbedingt herausfinden, in welcher, damit sie wissen, was zu tun ist. Auf in die Pflapflinger Bücherei, denn die (etwas sonderbare – oder bei dieser sonderbaren Geschichte eigentlich völlig normale) Bibliothekarin weiß bestimmt mehr darüber. Und tatsächlich: Damit die Dachse wieder ins Gefängnis gesperrt werden, so trägt sie aus der Geschichte vor, ist die Hilfe von einem ominösen magischen Stachelschwein vonnöten. Doch das Stachelschwein hat sich eine Erkältung eingefangen, sodass sein Einsatz in der Geschichte nicht möglich sein wird.
Stilistisch hat sich bei Teil zwei der Buchreihe nichts geändert. Nach wie vor sind Tazzymans Illustrationen erfrischend krakelig und unterstreichen die Anarchie, die dem geschriebenen Wort des Nordiren Dougherty innewohnt, auf brillante Weise. Die Story ist voller schräger Charaktere (die Bibliothekarin ist filmreif, ebenso der Busfahrer), es geschieht herrlich viel Unsinn, und Seite für Seite werden die Lachmuskeln des Kindes und aller junggebliebenen Zeitgenossen aufs Neue stimuliert.
Die ureigene Typographie unterstützt die narrative Ebene perfekt. Die betonten Wörter sind meist fett gedruckt und tanzen gerne mal aus der Reihe oder springen auf und ab, laute Ausrufe nehmen schon einmal eine ganze Seite ein, die Linienstrukturen werden aufgebrochen. Dieses Ineinandergreifen der zeichnerischen und schriftlichen Komponenten funktioniert völlig geschmeidig, so als hätten Dougherty und Tazzyman diese Zusammenarbeit bereits in ihren Kindheitstagen begonnen.
Die Geschichte lebt, sie birst vor Ideenreichtum, sie birgt Unbeschwertheit und Unverkrampftheit in sich – und noch viel mehr als das: Sie ist die buchgewordene kindliche positive Spinnerei und Phantasie. Die Vollkornkekspädagogik bleibt außen vor, und so liegt letzen Endes erneut ein Kinderbuch vor, das auf fabulierende, kreative Weise seine ganz eigene Form des “alles ist möglich” aufzeigt. Werte wie Zusammenhalt und Freundschaft können nämlich auch ohne subtil erzieherische Maßnahmen vermittelt werden.
Lustig und wirklich herrlich erfrischend ist auch bei “Stinker und Matschbacke und das Stachelschwein aus Vollblödberg” wieder, dass dem Leser verdeutlicht wird, dass die Protagonisten sich ja in einer Geschichte befinden. Dies wird immer wieder betont, und bereits der Buchanfang ist diesbezüglich zum Herumkugeln. Denn das erste Kapitel verläuft so gar nicht entsprechend den Vorstellungen der dort vertretenen Hauptperson – also gibt es gleich zwei erste Kapitel. Dieses Gewahrsein zieht sich erneut durch das komplette Buch.
Diese Kinderbuchreihe bringt frischen Wind in die oftmals doch verkrampfte und pädagogisch überambitionierte Kinderbuchwelt. Man muss die jungen Leser nicht mit Samthandschuhen anfassen, man darf sich bei den Erzählungen gern auch mal etwas trauen. Etwas Chaos, etwas Beklopptheit, Mut zum Unkonventionellen – das ist das, wonach dem neugierigen Kind gern auch mal dürstet. Es möchte nicht ausschließlich lernen und belehrt werden – schon gar nicht auf plakative Weise.
Die “Stinker und Matschbacke”-Reihe ist der schmutzige Hosenboden der Kinderliteratur, sie ist der blaue Fleck und die Hautabschürfungen vom Draußenspiel. Sie ist schriftgewordenes Kindsein, mit Herz, mit Naivität, mit Phantasie und mit lausbübischem Charme. Und köstlich frech obendrein.
- Autor: John Dougherty
- Illustrator: David Tazzyman
- Titel: Stinker und Matschbacke und das Stachelschwein aus Vollblödberg
- Teil/Band der Reihe: 2
- Originaltitel: Stinkbomb and Ketchup-Face and the Quest for the Magic Porcupine
- Übersetzer: Cornelia Panzacchi
- Verlag: magellan Verlag
- Erschienen: 20.01.2015
- Einband: Hardcover mit UV-Lack und runden Ecken
- Seiten: 192
- ISBN: 978-3734840067
- Sonstige Informationen:
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