Tom Bresemann – arbeiten und wohnen im denkmal (Buch)


Tom Bresemann - Arbeiten und wohnen im Denkmal Cover © luxbooksEs ist vielleicht einfacher, zu sagen, was ‘arbeiten und wohnen im denkmal’, der dritte und neueste Gedichtband des umtriebigen Berliner Veranstalters und Lyrikers Tom Bresemanns, nicht ist. Obwohl auch das eine lange Liste ergeben sollte – und den Kern nicht treffen kann. Die Verse sind nicht schön, machen nicht glücklich, sind auch nicht witzig und nicht dumm, aber vor und trotz allem: Sie sind nicht schlecht. Andererseits lässt sich zumindest eine Sache einfach und schnell feststellen: Das Buch besteht eindeutig aus irritierenden Gedichten.

Dennoch lässt sich eine grobe Struktur der Anordnung erkennen. Es gibt fünf Kapitel mit unterschiedlich vielen Gedichten, deren Reihenfolge deutlich komponiert zu sein scheint. Ein ‘mir nach’ steht am Anfang, in Groß- und Kleinschreibung, dann geht es in den Gedichten, fast sozialistisch anmutend, in gleichförmiger Kleinschreibung weiter nach Hohenschönhausen in die DDR-Vergangenheit. Das wird mit ‘in die grüne Linde geht mir keiner’ aufgerufen, indem einerseits die FDJ in einem der Gedichte benannt wird, andererseits mit der grünen Linde das Bezirkswappen Hohenschönhausens in der Zeit von 1987-1993 aufgerufen wird.

Bezeichnenderweise wird dieser Verweis erst in den Anmerkung zu dem Gedicht ‘Spuk im Hochhaus’ aus dem folgenden Kapitel ‘weiß und mittelschicht’ erklärt – was auch den scheinbar sinngebenden Anmerkungsapparat geisterhaft werden lässt. Denn eigentlich geht es hier schon um den Übergang in den Kapitalismus, die Bürgerlichkeit und die Verlogenheit derselben. Eine der unheimlich hässlichen und ebenso kritisch-notwendigen Phrasen ist: “(nur ein integrierter / Ist ein guter indianer)” (Seite 26).

Und von hier aus geht es geradewegs in das ‘politisch’ aus ‘politische Gedichte’, als die Bresemanns Zeilen gerne erkannt werden – und dem sie sich spielerisch verweigern. In ‘punktlandung im sinusmilieu’, dem folgenden Kapitel, wird zwar alles ausgepackt, was Kapitalismuskritik ausmacht: Asylpolitik, occupy, das Panopticon, Selbstoptimierung und die Repetition der Medialisierung; aber eben auch die Repetition der antikapitalistischen, -faschistischen oder auch umweltbewussten Kritik durch das Gedichteschreiben. Denn um beißende Kritik zu üben, muss man Sprache benutzen, die verständlich ist; aber um wirklich kritisch zu sein, darf man sich nicht einer Sprache bedienen, die sich in (oftmals diskriminierenden) leicht verständlichen Allgemeinplätzen verliert.

Der Titel des Kapitels kündigt diese Problematik gegenwärtiger linker Theorie schon an; was Wellenfunktionen wie die Sinuskurve ausmacht, ist, dass sie sich bis in die Unendlichkeit wiederholen, was besonders gilt, wenn Kunst ‘politisch’ wird. Dennoch ist das ein Prozess, aus dem sich Bresemann – mit guten Gründen, denn ist ja mehr als offensichtlich, dass neue Formen der Kritik an etwa europäischer und deutscher Asylpolitik gefunden werden müssen – nicht herausnimmt und immer wieder begegnet wird: „when you hear the buzzer, stare at the art. [BUZZER]. / n schönen hitlergruß vom jonathan. alle hatten sichtlich spaß“ (Seite 53).

An diesem unmöglichen Punkt innerhalb einer sich unendlich wiederholenden Bewegung schließt der Rückblick zum eigenen Erlernen der Schrift an. Mit einem Fokus auf den Ort, an dem die ‘verständlichen’ Sprachbestandteile gelernt und gelehrt werden, wird die Überschrift “die große Schrift, die kleine Schrift, die schöne Schrift, die saubere Schrift” (Seite 54) der Information gegenübergestellt, dass es sich bei diesem Abschnitt um rearrangierte Grundschulhausaufgaben handelt. Was folgt, sind Konjugationslisten, beschwerlich zu lesen und eigentlich auch nur dann lesbar, wenn man sich in einer schweren Sprachkrise befindet: Etwas, das die Bewegung der Gedichte bis zur ‘punktlandung …’ aber durchaus zu erzeugen vermag!

Und wenn man dann auch das letzte Kapitel genießend gelesen hat, und sich eine schöne, saubere Interpretation zurechtgelegt hat, sind die Gedichte auch witzig, schön, machen glücklich, sind natürlich und einfach zu lesen. Nur: Sie sind dann schlecht, werden langweilig – die Gedichte leben auch von einer gewissen Art Masochismus, dem Willen zur Selbstkritik. Kurz: Genau das ist es, was es bedeutet, wenn Texte sich nicht vereinnahmen lassen – bleibt die Interpretation offen, bleibt es spannend. Und ich bin noch immer ein bisschen ratlos und meine obige Strukturerkenntnis alles andere als zwangsläufig. Bis ich es nicht mehr bin, ist aber sicherlich der nächste Band erschienen.

Cover © luxbooks

  • Autor: Tom Bresemann
  • Titel: arbeiten und wohnen im denkmal
  • Verlag: luxbooks
  • Erschienen: 10/2014
  • Einband: Englisch Broschur
  • Seiten: 86
  • ISBN: 978-3-939557-58-6
  • Sonstige Informationen:
    Produktseite beim Verlag
    Erwerbsmöglichkeiten

Wertung: 13/15


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