Ray Banks – Dead Money (Buch)

Dead-Money-CoverAlan Slater ist ein Trittbrettfahrer des Lebens. Jemand, der möglichst viel mitnehmen möchte an Abenteuern, Erlebnissen und Risiken, aber gerade letztere nicht selbst eingeht. Seine Geliebte hält er mit so wenig Aufwand wie er seine Ehe lustlos führt, im nichtssagenden Verkaufs-Job ist er halbwegs erfolgreich, in seiner Freizeit geriert er sich als zügelloser Freigeist und ist doch nur der am Rand stehende Aufpasser, der zusieht, dass sein krawall- und glücksspielfreudiger Freund Les Beale nicht aus dem Ruder läuft.
Slater ist in nichts wirklich involviert, und die Solidarität zu seinen angeblichen Lieben hält sich in Grenzen.

Es braucht erst Verluste von Beziehungen, Geld und Gesundheit, damit Slater klar wird, was ihm sein Leben wert ist.

Karma ist eine Bitch, das lässt Ray Banks seinen Protagonisten mehr als deutlich spüren. Am Ende hat man mit dem opportunistischen  Feigling fast ein wenig Mitleid. Aber nur fast…

Als ehemaliger Spielbankmitarbeiter kennt sich Ray Banks aus in dem Metier, über das er schreibt. Auf den ersten sechzig Seiten wimmelt es von Croupiers, Kartengebern und hektischer Casino-Atmosphäre. “Cincinnati Kid” ist  nichts dagegen. “Haie der Großstadt” schon eher. Man sollte genügend Interesse am Thema Glücksspiel mitbringen, um diesen langen Prolog zur Einführung des Sujets und der Hauptfiguren interessiert zu überstehen. Andererseits, etwas Neues zu lernen kann nie schaden und Banks atmosphärische und genaue Schilderungen haben ihren eigenen Reiz.

Dann beginnt eine Veränderung. Der passive Alan Slater muss aktiv werden. Ein angetrunken überfahrener Hund wird zu seiner Nemesis. Er trifft die falsche Entscheidung, schafft das getötete und blutende Tier beiseite. Und alles läuft aus dem Ruder.

Der scheinbar kontrollierte und gleichzeitig bedenkenlose Chronist wird zum Spielball von Mächten, auf die er nur bedingt Einfluss nehmen kann. So wird er ohne Zutun und Einwilligung zum Zwangsbürgen für seinen abstürzenden Kumpel Les, der, anstatt selbst einen potenten Mitspieler abzuzocken, auf der Verliererstraße landet. Gleichzeitig droht der Verlust von Ehefrau und Geliebter, selbst der sicher geglaubte Job ist eine bedrohte Angelegenheit.

Denn dort, wo Alan Slater zum Handelnden wird, seinen Gefühlen und Gedanken freien Lauf lässt, gelingt es ihm unweigerlich, sich immer tiefer in die Bredouille zu reiten.
Ray Banks schildert diesen Absturz mit launiger Bissigkeit und treffsichere Beobachtungsgabe. Dazu gehören entlarvende Einblicke in Alans wenig vertrauenserweckendes Verkaufsgebaren und seine infantile Sehnsucht nach wilden Männerabenteuern. Dabei fehlt Slater jede Substanz, die ihn herausfordernde und unerwartete Situationen meistern ließe. Von Verantwortungsbewusstsein ganz zu schweigen.  

Ein wenig ähnelt Alan Slater den labilen Figuren Patricia Highsmiths, deren verlogene, bürgerliche Idylle sich auflöst, weil sie an bestimmten neuralgischen Punkten das Falsche tun und denken. Näher noch sind allerdings die (Ab)zocker-Romane Jim Thompsons, David Goodis’ und Lawrence Blocks. Insbesondere was die ruppige Atmosphäre angeht,  die sich im Verlauf der Handlung zunehmend verfinstert.

In Frank Göhres lesenswertem Vorwort wird nicht nur auf Ray Banks literarische Karriere eingegangen, sondern auch ein Schlaglicht auf seine literarischen Vorbilder von Thompson bis Charles Willeford geworfen. Wohltuend, das ein Autor seine Vorlieben offenlegt, anstatt sich – wie manch anderer – mit einem Lippenbekenntnis, dass man eigentlich gar keine oder kaum andere Kriminalromane liest, zu distanzieren. Aber das hat Ray Banks gar nicht nötig, seine Prosa bleibt, bereits beim vorliegenden Debüt von 2004, das allerdings sieben Jahre später vom Autor überarbeitet wurde, ein eigenständiger, sarkastischer und mit sachter Spannungskurve ansteigender nachtschattiger Roman mit passgenauem Finale.  
Cover © polar Verlag

Wertung: 11/15 dpt

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