Das Jahr neigt sich dem Ende zu, und an allen Ecken und Enden finden wir Jahresrückblicke für 2014. Da gibt es spezielle, wie beispielsweise “Diese Stars mussten uns 2014 verlassen” bei GMX oder “Jahresrückblick 2014: Die aufsehenerregendsten Promi-Paare”, welchen uns die FAZ kredenzt (http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/menschen/prominente-paare-2014-bei-aller-liebe-13324464.html). Gibt man das Wort Jahresrückblick bei Google ein, finden wir an erster Stelle die “Trendthemen 2014”. Auf Platz 1 für Deutschland: die Fußball-WM, dicht gefolgt von Michael Schumacher, was mir zeigt, dass ich sehr untrendy sein muss. In Ghana auf Platz 1: Castro.
Ich selbst habe mich noch nie explizit mit dem befasst, was ausschließlich im vergangenen Jahr passiert ist (der Jahrgangswechsel ist doch irgendwie auch willkürlich, am 19. Februar 2015 ist chinesisches Neujahr, wir sind einfach 50 Tage früher, wat solls). Allerdings war ich auch in keinem vergangenen Jahr aktiv beteiligt an einem Projekt wie booknerds. Wenn ich also an dieser Stelle von meinen kulturellen Highlights von 2014 spreche, so steht ganz oben meine Aufnahme in dieses Team sympathischer Bücherwürmer, Medienhipster und Filmfanatiker. Äußerst dankbar bin ich vor allem für die mir entgegengebrachte Toleranz in Bezug auf meine sprach- und geschmacksverirrte Kolumne des Vinyl-Terroristen.
Ansonsten kann ich über die kulturellen Errungenschaften des Jahres 2014 nicht viel sagen. Denn größtenteils sind die Neuerscheinungen an mir vorüber gezogen. Doch Kultur ist zeitlos – wenn sie diesen Namen verdient, kann sie die Jahre überstehen, wie mir “Casablanca” mit dem großartigen Bogart aufs Neue bewies, den ich tatsächlich in diesem Jahr zum ersten Mal gesehen habe.
Lieber Leser, Sie erwartet also ein Jahresrückblick von jemandem, der weder trendy noch up to date ist. Es folgen meine persönlichen Highlights des Jahres 2014, die ich vermutlich so auch in einem anderen Jahr hätte schreiben können. Wenn Sie meine Meinung nicht interessiert (was definitiv verständlich ist), lesen Sie woanders weiter. Hier also meine medialen Erkenntnisse:
Film:
Kürzlich sah ich den Film “Let me in”, ein amerikanisches Vampir-Adoleszenz-Drama von 2010. Ein sehr gut gemachter atmosphärischer Film, der besonders durch seine Darsteller überzeugt. Einziges Problem: Den Film gibt es schon. 2008 verfilmte der Schwede Tomas Alfredson den gleichen Stoff (mein Urteil: Ein sehr gut gemachter atmosphärischer Film, der besonders durch seine Darsteller überzeugt.). Also warum, warum, liebe amerikanische Filmemacher, fällt es euch so schwer einmal selbst Ideen zu haben? “Let me in” hat dem schwedischen Film “Låt den rätte komma in” (deutsch: “So finster die Nacht”) aber auch so gar nichts hinzuzufügen. Woher kommt diese Feigheit der Innovation gegenüber? Woher kommt dieser Wahn, Fortsetzungen und Neuaufgüsse zu drehen? Hollywood, du warst mal so cool…
Musik:
Jetzt wird es old-school. Im Sommer war ich zu Besuch in Liverpool. Eine Stadt, die den Nicht-Fußballfans durch ihre Musikszene bekannt sein dürfte. Glänzendstes Beispiel: The Beatles. Eine Band, die sich in ihrem zehnjährigem Bestehen stets neu erfand. In ihren Anfängen spielten sie langweiligen Rock’n’Roll, das gehörte damals einfach dazu. Mit der Zeit entwickelten sie ihren eigenen musikalischen Stil, der die Popmusik bis heute beeinflusst.
Höhepunkt dieser Formation ist zweifelsfrei (zumindest für mich) das weiße Album. Nach einem recht Beatles-vertrauten Anfang (Back in the USSR) driftet diese LP zunehmend ins Absurde ab (Revolution 9). Muss ich noch mehr über die Beatles schreiben? Ich glaube nicht. Und wem das alles zu oll und muffig ist: Am 19. Dezember erschien das Album “Heavy” der ungarischen Band “Bin Jip”. Geiles Zeuch!
Buch:
Buch macht kluch. Diese Wahrheit hat sich auch 2014 bewahrheitet. Daraus schlusszufolgern, dass einen das Lesen vor Blödheit bewahrt, ist allerdings 2014 genauso falsch wie in den vorhergehenden Jahren. Daher meine Top 5 der 2014 veröffentlichten Bücher, die ich nicht lesen werde:
Thilo Sarrazin: Der neue Tugendterror (DVA).
Kai Twilfer: Schantall, tu ma die Omma Prost sagen! (Schwarzkopf & Schwarzkopf).
Christian Wulff: Ganz oben, ganz unten (C.H. Beck).
Philipp Oehmke: Die Toten Hosen: Am Anfang war der Lärm (Rowohlt).
Sami Slimani, Lamiya Slimani & Dounia Slimani: Das Slimani-Prinzip (Eden Books).
Um meinen Finger doch mal an den Puls der Zeit zu legen: Arte strahlte in diesem Jahr das Finale der Serie “Breaking Bad” aus. Alles, was einen solchen Hype erlebt, macht mich äußerst skeptisch. Dieser Hype war ausnahmsweise verdient, bitch. Damit habe ich übrigens meine Frage von oben selbst beantwortet: In Amerika ist die filmische Innovation in die Serie abgewandert.
Zu dem Film “The Interview” möchte ich noch folgendes sagen: Ein Film muss nicht zwangsläufig gut sein, nur weil Kim Jong-Un ihn nicht mag. Aber ich werde ihm nicht die Entscheidung darüber überlassen, ob ich diesen Film überhaupt sehe (so wie ich islamistischen Fanatikern niemals die Macht über die Frage einräumen würde, ob ich mir dänische Karikaturen ansehe).
Ich wünsche euch allen einen guten Start ins Jahr 2015.
Aber bedenkt, dass die Quersumme von 2015 acht ist. Und am achten Tag nach der Geburt findet die Beschneidung statt. Harharhar!!!
(Bildmaterial © Philipp Hoffmann)
Nachtrag vom 8. Januar 2015: Das Wort “dänische” im letzten Absatz kann eigentlich gestrichen werden. Zeichnet weiter, Karikaturisten dieser Welt, ob aus Dänemark oder Frankreich oder von wo ihr auch kommt. Spitzt die Bleistifte und verteidigt unsere Werte mit Humor.