Renate Bergmann – Ich bin nicht süß, ich hab bloß Zucker (Hörbuch, gelesen von Marie Gruber)


Renate Bergmann - Ich bin nicht süß, ich hab bloß Zucker (Hörbuch, Cover © Der Audio Verlag)

Renate Bergmann – Ich bin nicht süß, ich hab bloß Zucker (Hörbuch, gelesen von Marie Gruber)

Der spaßaffine Nutzer sozialer Netzwerke wie Facebook, im Speziellen aber Twitter, dürfte durchaus schon mal über die Sprüchlein der zweiundachtzigjährigen Renate Bergmann gestolpert sein. Nun hat die “Online-Omi” auch ein Buch herausgebracht, das in der Hörbuchversion herzerwärmend berlinernd von Schauspielerin Marie Gruber gelesen wird und der alten Dame, die von ihrem Neffen Stefan dessen altes iPhone geschenkt bekam, perfekt vertont.

Frau Bergmann ist auch in ihrem weit fortgeschrittenen Alter noch weltoffen und neugierig, und so entdeckt sie auf dem “Tomatentelefon” (da das Ding hinten auf dem “Händi” für sie aussieht wie eine angebissene Tomate) sehr bald eBay (was sie “Ehbai” ausspricht) sowie Twitter und dieses “Fäßbock”, und sowieso wundert sie sich, wie dieses riesige Internet in dieses kleine Gerät hineinpasst. In den sozialen Netzwerken lässt sie nun die Menschen an ihrem Leben teilhaben, wobei sie besonders gerne von ihren Erlebnissen und den Marotten ihrer besten Freundin Ilse und deren Mann Kurt erzählt, ebenso von ihrer veganen Tochter Kirsten, doch da sie sich immer wieder über die schlampige Nachbarin aufregen muss, muss natürlich auch dem Ärger über diese obendrein unfreundliche Person Luft gemacht werden.

Bei Beerdigungen wird sich, bar jedweden Schuldbewusstseins, durchgefuttert, bei der Schnäppchenjagd mit Kurt und Ilse geschieht allerhand Unmögliches, und wenn nicht gerade der Berliner Straßenverkehr mit dem “Koyota” aufgemischt wird, bohnert die vierfach verwitwete Rollatorfahrerin den Hausflur oder zitiert die Nachbarspost. Und wenn sie sonst nichts zu tun hat, wird halt über Buttercremetorte, Häkeldeckchen, lecker Essen, Putztechniken und neumodische Entwicklungen geredet, es wird sich gewundert, es wird philosophiert. Dass bei den neumodischen und auch den längst in der Gesellschaft angekommenen Begriffen immer wieder – man kennt es selbst von der älteren Verwandtschaft und betagten Bekannten – Ausspracheprobleme herrschen, verwundert dabei kaum. Das ist aber auch alles verwirrend und entwickelt sich so schnell, da kommt man gar nicht mehr mit!

Verbunden mit viel Bauernschläue und Weisheiten plaudert die Online-Omi über alles Erdenkliche, über das sie in ihrem Leben derzeit so stolpert, und das auf eine derart sympathische und unterhaltsame Weise, dass das Grinsen im Gesicht gar nicht aufhören mag – als sei es ins Gesicht gemeißelt. Man hat das Gefühl, als hätte man Frau Bergmann bei Kaffee und Kuchen neben sich sitzen, und sie tatscht einen am Unterarm (»Ach, entschuldigense..«), erzählt (»… , nich?«, »Wissen Se, …«) und poltert auch mal los, damit man sich mit ihr gemeinsam ärgert (»Also nee, wenn Se mich fragen, …«, »Ach, fragen Se nich…«), und gerade in Hörbuchform macht dies beinahe noch mehr Spaß als beim Lesen der neuesten bergmannschen Statusmeldungen.

Man mag kaum glauben, dass hinter der sympathischen Omi eigentlich ein in den Mittsiebzigern geborener Mann namens Torsten Rohde steckt, der aus der Laune heraus – der Verwandtschaft und den ewiggleichen Geschichtchen, Anekdötchen und Weisheiten sei Dank – ein Twitterprofil eröffnete, das überraschend schnell Follower fand, und bei Facebook glühte der blaue Daumen auch bald. Einige der eingefleischten Fans wollen es gar nicht wahr haben, dass die alte Frau fiktiv ist, da heißt es dann oftmals nur: »Ich will das alles gar nicht wissen, für mich sind und bleiben Sie Frau Bergmann!«

Sicherlich wird der ein oder andere, für den im humoristischen Sinne unter Kabarett im Dritten gar nichts lustig ist, die Nase rümpfen, doch Renate Bergmann ist nicht erdacht worden für die gebildeten oberen Zehntausend. Die Intention ist eine völlig andere, denn vielmehr wurde hier eine Figur erschaffen, die die Allgemeinheit anspricht, ehrlich, einfach, kumpelhaft und vor allem warmherzig. So erwischt man sich beim Schmunzeln, Kopfschütteln oder einfach nur beim Goldigfinden.

“Ich bin nicht süß, ich hab bloß Zucker” ist schlichtweg leichte und alltägliche Unterhaltung, die beweist, dass einfacher Humor nicht gleich in Niveau-Tiefflug ausarten muss, wie man ihn besonders nach gewissen Castingshows auf diesem einen Sender, welcher dem Zuschauer gerne suggeriert, es sei ‘seiner’, gerne wegschalten möchte.

Vielen Dank für die vielen Lachfältchen, Frau Bergmann.

Cover © Der Audio Verlag

Wertung: 12/15 dpt

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