Bruce Holbert – Einsame Tiere (Buch)
Der ehemalige Sheriff Russel Strawl wird 1932 ein letztes Mal aus dem Ruhestand geholt, um einen Serienmörder dingfest zu machen. Zumindest soll er dafür sorgen, dass die Ritualmorde innerhalb der Colville Reservation stoppen. Strawl ist der Prototyp des Westerners, wortkarg, gefürchtet und bereit, Konflikte mit allen verfügbaren Mitteln radikal und schnell zu lösen, warum also nicht diesen finalen und herausfordernden?
So ist er zur Legende geworden, aber eine derer, die selbst Verbündete liebend gerne an der Biegung des nächsten Flusses begraben würden. Gemeinsam mit seinem Stiefsohn Elijah begibt sich Strawl auf eine letzte Jagd. Die ihm bittere Erkenntnisse über sich, sein Leben und die Menschen, die ihn umgeben, bescheren wird. Es dauert nicht allzu lange, bis Strawl selbst Hauptverdächtiger in jenen Mordfällen ist, die er aufzuklären gedenkt. Strawl ist von Beginn an bewusst, dass es nicht um Offenbarung, Wahrheit und Gerechtigkeit geht, sondern darum einen Sündenbock zu finden. Und wenn es auf Strawl zurückfällt, offiziell und von Handlangern beglaubigt, dann wird das hingenommen, als hätte er den wahren Mörder entlarvt. Doch so einfach funktioniert das nicht: Ein gejagter Jäger bleibt trotz allem ein Jäger.
Mit Strawl geschieht, was Pat Garrett in der (unzensierten) Fassung von Sam Peckinpahs “Pat Garrett and Billy the Kid” ebenfalls zustößt: Seine Auftraggeber möchten ihn beseitigen, weil er jene Methoden anwendet, wegen derer er engagiert wurde. Strawl macht nur selten Gefangene. Er soll ein Relikt sein, das überwunden wird; doch ist er weit mehr, ein Spiegel; Ikone und schlechtes Gewissen einer Gesellschaft, die bis in die letzte Faser auf Gewalt basiert. Die aber selten so offen und konsequent angewendet wird wie von Strawl betrieben.
“Einsame Tiere” ist alles andere als einer jener standardisierten Terror-Romane, die sich des Themas Serienmord annehmen, um ungeniert wüst zugerichtete Leichen zur Schau stellen zu können. So geht es auch weniger darum, einen grauenerregenden Täter zu präsentieren, sondern das Wesen der Gewalt zu sezieren, jenen Mythos, der zu Bildern und Erzählungen wird, die die Grenzen einer Gesellschaft definieren. Oder ihr Zentrum. Sobald Strawl dies erkennt und akzeptiert, ist er am Ende seiner Reise angekommen. Es wird kein sanftes sein, kein elegischer Ausklang. Aber auch keine apokalyptische Apotheose.
Bruce Holberts Roman ist von atemberaubender poetischer Wucht, die in der gelungenen Übersetzung Peter Torbergs Widerhall findet. Einsamkeit, Gewalt und die Bibel; die flexible Auslegung von Moral und das Streben nach Erkenntnis – auf Strawls und Elijahs Odyssee kommt all das zusammen. Wahrheit, Gerechtigkeit sind eine ferne Sehnsucht; der Sheriff und sein Sohn streifen durch einen Westen, in dem jeder schuldig geworden ist, lediglich die Schwere der Schuld unterscheidet sich graduell.
Holbert beschreibt das eindringlich, düster, wandelt die Land- und Ortschaften an der kanadischen Grenze zu einer Art Styx, der die Todgeweihten unweigerlich in den Hades führt. Mit Russel Strawl als Fährmann. Oder doch Elijah?
Eingebunden sind Passagen von wahrhaft finsterer Komik, gerne – wie sollte es sein – gewalthaltiger Natur. Und ein ganz klein bisschen Hoffnung am Rande der Verzweiflung. Denn zwei, drei Figuren schaffen den Übergang, wenn schon nicht in eine bessere, wenigstens in eine andere Welt.
Nach James Carlos Blakes “Das Böse im Blut” im letzten Jahr, veröffentlicht der Liebeskind-Verlag mit Bruce Holberts “Einsame Tiere” einen stilistisch eigenen, wiederum grandiosen Noir-Western; hochaktuell und von bestechender Darstellungskraft.
Cover © Liebeskind Verlag
- Autor: Bruce Holbert
- Titel: Einsame Tiere
- Originaltitel: Lonesome Animals
- Übersetzer: Peter Torberg
- Verlag: Liebeskind
- Erschienen: 25.08.2014
- Einband: Hardcover
- Seiten: 303
- ISBN: 978-3-95438-034-3
- Sprache: Englisch
- Sonstige Informationen:
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Wertung: 14/15 dpt
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