Der erste flüchtige Blick auf das Cover lässt erst stutzen, doch der Verdacht bestätigt sich bei genauerem Hinsehen: In “Wohin will Willi?” wird die ‘große Geschichte einer kleinen Samenzelle’ erzählt, und zwar vom Anfang bis zum Ende – einerseits erfrischend lebendig und frech, andererseits sachbezogen in dem Sinne kindgerecht, dass man den neugierigen Nachwuchs nicht mit zu viel Fachtermini und zu vielen noch nicht so ganz nachvollziehbaren Details überhäuft.
Mit wenig, aber ergiebigem Text wird das Grundlegende anhand der Hauptfiguren Herrn und Frau Braun sowie der Samenzelle namens Willi erklärt: Wo befinden sich die Samenzellen eigentlich am Anfang? Im Körper von Herrn Braun, klar – aber wo genau dort? Und wofür sind sie eigentlich gut? Wohin sollen/müssen sie? Und wo ist diese Eizelle eigentlich? Wie kommt Willi zum großen “Wettschwimmen” von Herrn zu Frau Braun? Und warum kann nur eine Samenzelle gewinnen? Was ist der “Gewinn”, der für den Gewinner bereit steht?
Dem Kind wird auf spielerische, aber nicht zu abstrakte Weise nahegebracht, wie ein Kind entsteht. Sicherlich sind die Proportionen und Darstellungen alles andere als wissenschaftlich korrekt – in welchem Hodensack gibt es schon eine kleine Stadt mit Kino, Schule und Schwimmbad? – aber die grobe Richtung wird nicht wirklich falsch vorgegeben: Irgendwo da beim Mann sind die Samenzellen im Körper, irgendwie gelangen die in die Frau, und in der Frau wächst das Kind ganz langsam und auf völlig verrückte Weise heran. Und diese Informationen, gepaart mit wunderbaren Bildern, sind für Kinder ab vier Jahren (wie es empfohlen wird) erst einmal völlig ausreichend.
Denn gerade bei den Kleineren ist die Konzentrationsspanne doch noch recht kurz, sodass detailliertere Erklärungen wohl kaum Anklang oder Interesse hervorrufen werden, zumal das Verständnis bei den ganz jungen Kids noch recht gering und auch das Bewusstsein der geschlechtlichen Unterschiede noch nicht ausgeprägt ist – die Kinder sind allesamt noch in individuellen Stadien der Neugier, und bestimmte Erklärungen und Darstellungen würden zu sehr in die Erziehung und Aufklärung des einzelnen Kindes eingreifen: Genaueres zu erklären, obliegt dann dem oder der Vorlesenden: »Was hat der Herr Braun denn da?« … »Huch, bei Frau Braun fehlt ja was! Ist die kaputt?« … »Und wie machen die das dann, dass der Willi in die Frau Braun reinschwimmt?« – ein jeder wird (sollte!) diese nicht unwichtigen Fragen bezüglich Einzelheiten im Falle des Interesses auf seine ganz eigene (hoffentlich angemessene) Weise beantworten können.
Die Illustrationen sind äußerst detailreich, liebevoll und drollig gestaltet, sodass man unweigerlich grinsen muss – alleine Willi mit Schwimmbrille auf dem Cover ist schon ein kleiner Brüller, der reflexartiges Kichern hervorruft. Und obwohl alles sehr verspielt dargestellt wird und höchst amüsant in eine kleine Geschichte gepackt wurde, scheint klar hindurch, dass Nicholas Allan mit “Wohin will Willi?” einen wichtigen Aufklärungsauftrag erfüllt, der so viel wertvoller ist als allzu fabulierende Geschichten oder Ammenmärchen, die einem Kind eine völlig falsche Vorstellung vom Kindermachen und -kriegen vermitteln. Wertvoll in Zeiten, in denen immer noch die Mär vom Klapperstorch existiert und die Kreationismuswelle durchaus jederzeit von den USA gen Europa schwappen könnte.
Wenn ein Kind fragt, wie es eigentlich auf die Welt gekommen ist, bietet sich “Wohin will Willi?” als ein hervorragendes unterstützendes Medium an, denn es spricht durch seine optische Aufmachung das kindliche Gemüt ohne Umwege an und bringt durch diesen geöffneten Aufmerksamkeitskanal zumindest ein kleines Maß an Klarheit an den Tag – in einem Alter, in dem noch so viele Fragen zu fragen sind…
Cover © Lappan Verlag
- Autor & Illustrator: Nicholas Allan
- Titel: Wohin will Willi?
- Originaltitel: Where Willy went …
- Übersetzer: Peter Baumann
- Verlag: Lappan Verlag
- Erschienen: 13.08.2014
- Einband: Hardcover
- Seiten: 32
- ISBN: 978-3-8303-1222-2
- Sonstige Informationen:
Neue Auflage mit 32 Seiten
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