Italowestern-Enzyklopädie No. 3 (4 DVDs)


Italowestern-Enzyklopädie No. 3 - Cover© Koch Media

Koch Media legt die dritte Ausgabe seiner Italowestern-Enzyklopädie vor, ein Genre, das in den 1960er Jahren mit den strahlenden Heroen der Hollywood-Cowboys brach und stattdessen auf rachedurstige Antihelden in schmutz- und staubdurchflutetem Ambiente setzte.

Seit Tarantinos “Django Unchained” den Mainstream für den Italowestern erneut begeisterte, werden auch noch aus den dunkelsten Ecken alte Produktionen ausgekramt, überarbeitet und neu aufgelegt. Die Italowestern-Enzyklopädie vereint vier Werke des Genres, die zum Teil bisher nur in geschnittener Fassung zu bekommen waren:

Sartana (Italien 1966) – Nach zehn Jahren unschuldig im Knast kehrt Johnny Liston in seine Heimat zurück. Dort hat sein Bruder Sartana inzwischen ein Schreckensregime aufgebaut. Johnny will herausfinden, wer ihm die Haftzeit eingebrockt hat – profitiert hat von dem angeblich von ihm begangenen Mord neben seinem Bruder auch seine Mutter. Darüber hinaus hat Sartana Johnnys ehemalige Verlobte geheiratet.

Italowestern-Enzyklopädie No. 3 - Szenenfoto © Koch Media
Szenenbild aus “Sartana”

Johnny wird zum erbitterten Gegner Sartanas, dennoch schaffen es die beiden nicht, sich gegenseitig aus dem Weg zu räumen. Über die Brüderlichkeit der beiden wacht stets die gemeinsame Mutter – eine Art Mama Bates, die sich in ihrem Herrenhaus verschanzt und sich selbst als Patriarchin ihrer Familie und des gesamten Ortes sieht. Angestachelt durch Johnnys Widerstand beginnen jedoch auch die Bürger, sich Sartana zu widersetzen und letztendlich gelingt es auch einem intriganten Richter und Sartanas wilder Horde nicht, das Blatt zu Gunsten des Outlaws zu wenden.

“Sartana” ist der – zu Recht – bekannteste Film in dieser Box. Besonders Gianni Garko glänzt in seiner Verkörperung des Sartana und wurde – auch zu Recht – mit Klaus Kinski verglichen. Besonders die Szenen, in denen er zwischen boshaftem Hass und brüderlichen Gefühlen schwankt, füllt er mit einem überzeugenden Wahn aus, der Kinski alle Ehre gemacht hätte.

“Sartana” ist ein gut inszenierter und kurzweiliger Film, der seine Bilder mit solide komponierter Musik untermalt. Auffallend sind die starken Frauencharaktere, die den Männern Feigheit vorwerfen und selbst zur Flinte greifen. Und so ist es letztendlich eine Frau, die den Showdown in untypischer Weise durchbricht und für klare Verhältnisse sorgt.

Lanky Fellow – Der einsame Rächer (Italien 1966) – Nachdem sich der Kopfgeldjäger Lanky Fellow sein Renommee als ernstzunehmender Kopfgeldjäger zusammengeschossen hat, indem er eine ganze Bande mexikanischer Banditen umlegte, wird er vom Minenbesitzer Collins damit beauftragt, eine Goldladung zu bewachen. Auf eben jene hat auch der Desperado Gus Kennebeck ein Auge geworfen. Lanky Fellow kann das nur recht sein, denn auf das auf Kennebeck ausgesetzte Lösegeld ist er schon lange scharf. Streng nach dem Motto »Ich gehe niemals dahin, wo auch meine Kugel hinfliegen kann« überlässt er das Argumentieren seinem Colt.

Italowestern-Enzyklopädie No. 3 - Szenenfoto © Koch Media
Szenenbild aus “Lanky Fellow”

Er hat es in erster Linie auf Provisionen und Kopfgelder abgesehen, da Kennebeck allerdings seinen Bruder auf dem Gewissen hat, ist auch er – typisches Merkmal im Italowestern – eine Getriebener seiner Rache. Sein Gegenspieler dagegen ist nicht per se böse, denn als Lankys Leute Kennebecks Sohn in ihre Gewalt bringen, ist dessen Motivation zum Gebrauch seines Colts größer als je zuvor. Im Showdown kommt es dann zur Begegnung der beiden, deren Motive zwar augenscheinlich in ihrer persönlichen Bereicherung liegen, sich im entscheidenden Moment aber nur von ihrer Rache treiben lassen.

“Lanky Fellow” ist ein handwerklich gut gemachter Western. Die Story fesselt, die musikalische Gestaltung treibt die Geschichte voran und der Humor ist so zart eingesetzt, dass er die Absurdität mancher Szenen unterstreicht ohne sie ad absurdum zu führen.


Jonny Madoc
(Italien 1967) – Houston, eine kleine Stadt im wilden, wilden Westen. Die Bande des ruchlosen Joe Kline terrorisiert die Einwohner, um an die Beute eines Überfalls zu kommen. In dieses wüste Szenario mischt sich der einsame Pistolero Jonny Madoc, der niemals daneben schießt und sich aufgrund seiner mexikanischen Herkunft eine Menge Bohnenfresser-Sprüche anhören muss. Dieser Beschützer der Witwen und Waisen hat mit Joe Kline noch eine Rechnung offen, die blutig beglichen wird.

Dass der Held Mexikaner ist, ist ein Novum im Western-Genre – meist wurden sie bloß als sombrerotragende Mariachis oder siesta-haltende Faulenzer dargestellt. Allerdings ist der Hauptdarsteller eine reichlich unsympathische Type – dass es Drecksäcke zu Hauptfiguren im Film schafften ist eine der großen Errungenschaften des Italowestern, der den strahlenden und edelmütigen Helden der Hollywood-Western aus seinen Drehbüchern verbannte – aber Jonny Madoc ist nicht die Art Drecksack, der man gerne zuschaut. Die Vermeidung von Schwarz-Weiß-Malerei bringt manchmal auch ziemlich farblose Gestalten hervor.

Diese Story ist die für Italowestern übliche Rachegeschichte, und bei der Figur des Doctor Burton, der Arzt von Houston und Unterstützer Madocs, muss man schmunzelnd an Corbuccis Django aus dem gleichen Jahr denken: Joe Kline hat Burton aus Rache die Hände kaputtgeschlagen, damit dieser sein Operationsbesteck nicht mehr akkurat führen kann.


Jonny Madoc rechnet ab
(Italien 1967) – Für die Jonny Madoc-Fans wird noch gleich die Fortsetzung mitgeliefert. In “Jonny Madoc rechnet ab” rechnet Jonny Madoc nicht soviel ab, wie in “Jonny Madoc”, denn seine Rechnung hat Jonny Madoc bereits in “Jonny Madoc” im Jahr zuvor beglichen. Stattdessen unterstützt er drei sombrerotragende Mariachis (endlich kommt auch noch diese Sorte Mexikaner vor), die es scheinbar nicht schaffen, ein Pferd zu reiten ohne gleichzeitig Trompete zu spielen, zu fiedeln oder zu klampfen. Die drei sind an eine Karte für einen Goldschatz geraten, der in einem mexikanischen Tempel versteckt ist. Dort hat sich aber bereits der durchgeknallte El Supremo, ein peitschenschwingender Größenwahnsinniger – grandios verkörpert durch den viel zu früh verstorbenen Erno Crisa – mit seiner Bande verschanzt. Dieser will die Karte mit allen Mitteln an sich bringen.

“Jonny Madoc rechnet ab” versucht nicht nur ein Italowestern zu sein, gleichzeitig mischt er komödiantische Elemente mit in die Handlung. Die drei Mariachis als alberner Gegenpart zum ernsten Charakter Madoc machen das ganze zur lächerlichen Farce – die Wahl Dieter Hallervordens als Synchronsprecher des fiedelnden Pinto ist durchaus konsequent.

Italowestern-Enzyklopädie No. 3 - Szenenfoto © Koch Media
Szenenbild aus “Sartana”

Eins ist klar: Bei dieser DVD-Sammlung handelt es sich definitiv nicht um eine Einstiegsdroge zum Italowestern. Wer nach “Django Unchained” dieses Genre für sich erschließen möchte, ist mit anderen Filmen besser beraten. Besonders die Johnny Madoc-Filme sind keine Bereicherung.

Für glühende Verehrer bietet die Sammlung jedoch die Möglichkeit, einige Filme zum erstenmal ungeschnitten zu erhalten. Besonders die Extras können sich sehen lassen. In zahlreichen Featurettes plaudern Darsteller, der Komponist von Lanky Fellow sowie ein Filmhistoriker aus dem Nähkästchen. Zusätzlich gibt es Trailer und Bildergalerien – wobei der Nutzen des Trailers eines Filmes, den man bereits auf DVD hat, bestritten werden darf.

Cover & Szenenbilder © Koch Media

  • Titel: Italowestern-Enzyklopädie No. 3
  • Produktionsland und -jahr: Italien, 1966 – 1968
  • Genre:
    Western
  • Erschienen: 14.08.2014
  • Label: Koch Media
  • Spielzeit:
    356 Minuten auf 4 DVDs
  • Darsteller:
    Robert Woods

    Anthony Steffen
    Craig Hill
    uvm.
  • Regie:
    Maurizio Lucidi

    Alberto Cardone
    Tonino Valerii
  • Musik: 
    Nico Fidenco
  • Extras:
    -Featurette “Viva Sartana” mit Gianni Garko (22 Minuten)

    -Featurette “Erika Blanc nel Western Italiani” (7 Minuten)
    -Featurette “Die Lust am Töten” mit Nico Fidenco (24 Minuten)
    -Featurettes “Pecos, der Bastard” (21 Minuten)
    und “Pecos ist zurück” (19 Minuten)
    mit Filmhistoriker Fabio Melelli)

    -Interview mit Robert Woods
    -Trailer und Bildergalerien
  • Technische Details (DVD)
    Video:
    16:9 – 2.35:1
    Sprachen/Ton
    :
    D, GB, IT
    Untertitel:
    D
  • FSK: 16

Wertung: 9/15 dpt


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