Gefangene Frauen (Spielfilm, DVD/Blu-Ray)
Von 1975 bis 1977 drehte Jess Franco vierzehn bis siebzehn (die Quellen sind sich da, wie so oft bei Jess Franco, uneins) Filme für und mit Erwin C. Dietrich. Als ziemlich erfolgreich erwiesen sich Werke zum Thema Frauen im Gefängnis, und welches Unbill sie dort ertragen müssen, ein Genre dessen Mit-, wenn nicht gar Hauptinitiator, Franco gewesen sein dürfte. So entstanden unter Dietrichs Ägide der legendär/berüchtigte “Barbed Wire Dolls” (“Frauengefängnis” plus einige andere Titel), das Dyanne Thorne-Vehikel “Ilsa – The Mad Butcher” aka “Greta, Haus ohne Männer” und der kaum minder bekannte “Frauen für Zellenblock 9”.
Nach der Trennung von Dietrich drehte Franco 1981 zwar noch “Sadomania – Hölle der Lust”, schloss das Gefängniskapitel ansonsten aber ab. Erwin C. Dietrich, der bereits für das “Greta”-Drehbuch mitverantwortlich war, entschied sich ebenfalls für einen Nachzügler und inszenierte 1979 “Gefangene Frauen”, auch bekannt und besser umrissen als “Nackt hinter Gittern”. Womit eigentlich die Handlung hinreichend zusammengefasst wäre.
Na gut, ein bisschen fehlt noch: Der zottelige Diktator eines unbenannten südamerikanischen Landes (Eingeweihten bekannt als ‘Ibiza’, geographisch verlagert) befürchtet, dass eine UN-Kommission herausfinden könnte, dass in seinen gewinnbringenden Bordellen europäische Prostituierte, nicht ganz freiwillig, ihr Tag- und Nachtwerk verrichten. Seine Informationen sind nicht ganz korrekt, denn augenscheinlich gehen die Damen ihrer Arbeit mit einigem Vergnügen nach. Er geht lieber auf Nummer sicher und folgt dem Rat seiner dominanten Mätresse, die Prostituierten auf der Gefängnisinsel ‘Tago Mago’ (CAN-Fans anywhere? Das Eiland ist natürlich nicht zu verwechseln mit der echten Baleareninsel Tagomago. Da hat Sabine Christiansen geheiratet. Die ist zwar auch blond, spielt aber glücklicherweise hier nicht mit.) zusammenzupferchen. Alle siebzehn. Seine blondierte Freundin wird Kommandantin vor Ort. Man erkennt sie sofort an einer engsitzenden Phantasieuniform, wie so oft inspiriert vom Latexlager eines landläufigen S/M-Shops und, unerfreulicher, dem Oberbekleidungs- und Mützenausstatter der SS.
Madame behauptet großsprecherisch, dass es sich bei dem Inselgefängnis (Hazienda mit eigener, kleiner Stierkampfarena) nicht um eine Ferienanlage handelt. Große Unterschiede zum Bordellbetrieb vorher gibt es allerdings nicht. Die Freier tragen jetzt zwar anfangs Uniformen; statt Mühle und Zigarren gibt es eine kalte Dusche und die eingehende Untersuchung eines so saloppen wie dienstbeflissenen Gefängnisarztes. Der anscheinend davon ausgeht, dass ein Finger in der Vagina umfassende Erkenntnisse zur allgemeinen gesundheitlichen Verfassung verrät. In seiner Freizeit bildet er sich weiter, indem er (halb)nackte Torsi aus Nackedei-Magazinen ausschneidet. Köpfe werden überbewertet. Der Herr Doktor wird schon sehen, was er davon hat.
Unter den Gefängnisinsassinnen gibt es zwei vorherrschende Themen: Männer (»Sie fehlen mir wie Brot und Wasser […] Sie sind mein Lebensinhalt«) und Flucht. Zwar müssen auch ein bisschen nackt gerungen, Steine von links nach rechts gestapelt und Treppenstufen gefegt werden, aber es bleibt viel Zeit und Muße für softerotische Verrenkungen und Schmieden der Fluchtpläne. Die sich nicht als allzu komplex herausstellen. Arzt meucheln, aus dem Fenster klettern, unterm großzügig gespannten Stacheldraht (egal ob ohne oder mit Strom) durchrobben und ab ins offene Meer.
Die verfolgenden Wachsoldaten sparen an Energie und Munition und überlassen ein flüchtendes Trio gelangweilt den Haien, die dann doch nicht auftauchen. Später wird erzählt wie sie gerettet wurden (kleines Fischerboot und so). Derweil ergreift ein neuer Diktator die Macht (der alte stirbt im Wolkennebel einer Rauchgranate). Als Lohn darf der Neue mit der zauberhaften Brigitte Lahaie (die zum flüchtenden Triumvirat gehörte) in die Wanne steigen, während ihre Vorgängerin, die Kommandeuse, als einzige (nackte) Gefangene auf Tago Mago verbleibt. Dort plant allerdings Wachsoldat Eric Falk breit grinsend den nächsten Umsturz. Der unsere Domina dann wieder nach oben spülen wird. Die Welt ist schlecht und die Aussicht wolkig mit Fleischbällchen.
Erwin C. Dietrich, wieder unter dem bewährten Regie-Pseudonym Michael Thomas, springt in die Bresche, die Jess Franco geschlagen hat, um sich dort ein gemütliches Gefängnis-Fleckchen einzurichten. Scharfkantige Rohre, Ratten und Folterwerkzeuge bleiben aber außen vor. Außer einem Wasserstrahl, ein wenig Züchtigung mit einem Rohrstock (der eher einem jener langen Strohhalme für Sangria-Eimer ähnelt), deftigen Ansprachen und etwas sinnloser, ziemlich unspektakulärer Zwangsarbeit unter heißer Sonne, bleiben exploitative Elemente oder gar sadistische Exzesse außen vor. Das Frauenbild des Films ist dem Sujet geschuldet grenzwertig, es gibt nur Huren, meist freundlich, wenn auch berechnend. Karine Gambier als des Diktators Domina, ist eine eher gelassene Person, der die zynische Niedertracht Dyanne Thornes aka ‘Ilsa’ fern liegt.
Die Männerwelt kommt nicht besser weg. Der Muskelmann Eric Falk lässt sich beim Nackt-Judo von Francette Maillol ordentlich vermöbeln. Dabei wird schnell klar, dass er es als künftiger Diktator nicht weit bringen wird. Seine mutmaßlichen Vorgänger sind austauschbare Nullen, selbst ihre Portraits, die in sämtlichen kargen Amtsräumen hängen, sehen sich zum Verwechseln ähnlich. Diesen sarkastischen, politischen Kommentar setzt Dietrich ziemlich offensiv in Szene.
Der Rest der männlichen Belegschaft ist unterleibsgesteuert, faul und ziemlich unfähig. Den voll uniformierten und schwer bewaffneten Truppen gelingt es nicht einmal, drei nackt durch die Gegend stolpernde Flüchtige, mit nur wenigen Minuten Vorsprung, aufzuhalten. Gelangweilt wird Alarm geschlagen (aber nicht zu heftig) und der Zaun unter Strom gesetzt.
Trotz einer großen Menge Maschinenpistolen wird fleißig an Munition gespart. Erst zum Ende hin fallen im Off ein paar Schüsse. Die Filmcrew hat die Bewaffnung problemlos einführen können – wie Dietrich im Audiokommentar launig erzählt -, aber für Platzpatronen hat es anscheinend nicht gelangt. Aber das macht gar nichts. Denn natürlich geht es nur darum, möglichst ausführlich nackte Frauen in gleißender Sonne zu zeigen und explizite Einblicke in die weibliche Anatomie zu gewähren. Sexuelle Akte bleiben Trockenübungen, lediglich der beflissene Lagerarzt darf vor der Kamera nachbohren. Mit Finger und Gummi. Die FSK hat das freundlich und ungeschnitten abgenickt, Klagen vor der BPjS sind bislang ausgeblieben. Das deuten wir positiv.
Das große Plus des Films ist natürlich Brigitte Lahaie, die nackt und angezogen eine sehr gute Figur macht. Schauspielerisch wird sie kaum gefordert, präsentiert das Wenige aber mit einer einnehmenden Natürlichkeit, die sie auch für größere und anspruchsvollere Rollen prädestiniert hätte. Aber auch ihre Kolleginnen, allen voran Karine Gambier, Nadine Pascal und die kampferprobte France Lomay (alias Francette Maillol) sind sehr ansehnlich. Freude bereitet – wie meist – auch der ‘große Affe’ Eric Falk, dem man die Wonne von nackten, hübschen Frauen umgeben, in einem Film mitspielen zu dürfen, in jeder Szene ansieht. Erwin C. Dietrich taucht in einer kleinen Sprechrolle als schikanierender Scherge in Uniform auf. Hat Humor der ECD.
Inszenatorisch ist das mit leichter Hand runtergedreht, Peter Baumgartner darf ein paar stimmungsvolle Meeres-/Landschafts-/Sonnenuntergangsbilder zaubern (sowie eine kleine “Verdammt in alle Ewigkeit”-Reminiszenz), sein Onkel Walter liefert einen unspektakulären, aber wie üblich soliden Soundtrack ab. Nicht ganz so krautig-hypnotisch wie beim Rolls Royce Baby.
Die ‘Miss Beautiful Breast Show’ im ‘Ritz, mit der der Film beginnt, und die in keinerlei Zusammenhang mit der folgenden Handlung steht (außer dem sichtbaren Vorhandensein von Brüsten), stammt aus Dietrichs eigenem “Mädchenhändler”-Werk. Wir wollen ja nichts verkommen lassen. Ein paar Archivaufnahmen aus dem haitianischen Straßenleben sollen von der Location Ibiza ablenken, dies gelingt aber nicht so ganz.
So plätschert “Gefangene Frauen” ruhig dahin, ist viel zu freundlich für sein düsteres Szenario, hat kaum dramatische Höhepunkte und unterhält trotzdem manierlich. Zu manierlich…
Enorm gewinnt der Film durch seinen begleitenden Audiokommentar. Es bedarf zwar einiger Anstrengung, den zur Zeit der Aufnahme 82-jährigen Dietrich akustisch zu verstehen, aber wenn man es einmal raushat, gelingt es ganz gut. Dietrich und der gut gelaunte Eric Falk schwadronieren, erzählen vom Film und vom Filmen, schweifen ab, sodass der rührige Uwe Huber gelegentlich arge Anstrengungen unternehmen muss, um das Augenmerk der beiden gesetzten Herrn wieder auf den zu kommentierenden Film zu richten. Das macht viel Spaß, ist in seiner nüchternen Betrachtungsweise auf Film als Geschäft UND Abenteuer mitunter erhellend, und einig sind sich alle: Brigitte Lahaie ist die Tollste.
Ob ich mir allerdings Eric Falks mittlerweile über 4000 Seiten umfassendes Opus Magnum zum Wesen der Liebe bei Veröffentlichung anschaffen würde – ich weiß es nicht.
Ein besonderes Schmankerl für Besitzer eines PCs mit Blu-Ray-Laufwerk ist wieder das knapp 200 Seiten umfassende Werk “Mädchen, Machos und Moneten” über ECD und sein Schaffen. Als PDF in der Bonussektion zu finden. Im gleichen Format gibt es noch ein ebenfalls lesenswertes ‘Splatting Image’-Interview mit Dietrich.
Cover & Szenenfotos © Ascot Elite Home Entertainment
- Titel: Gefangene Frauen
- Produktionsland und -jahr: Schweiz, 1979
- Genre:
Erotik
Gefängnisfilm
Softsex
Drama - Erschienen: 10.06.2014
- Label: Ascot Elite Home Entertainment
- Spielzeit:
94 Minuten auf DVD
92 Minuten auf Blu-Ray - Darsteller:
Karine Gambier
Brigitte Lahaie
Eric Falk
Nadine Pascal
Francette Maillol - Regie: Erwin C. Dietrich
- Drehbuch: Erwin C. Dietrich
- Kamera: Peter Baumgartner
- Musik: Walter Baumgartner
- Extras:
-Audiokommentar Erwin C. Dietrich,
Eric Falk & Uwe Huber,
-Featurette “Sunshine-Judo auf Ibiza” [14:31 Min.]
-Featurette “Peter Baumgartner, Filmkameramann” [23:04 Min.]
-Fotogalerie [62 Bilder]
-Behind-the-Scenes Audiokommentar Zürich,
6. Mai 2014 [6:57 Min.],
-Mädchen, Machos und Moneten [ROM-Teil]
-Interview mit Erwin C. Dietrich [ROM-Teil]
-Trailershow - Technische Details (DVD)
Video: 16:9 Anamorphic
Sprachen/Ton: D, GB
Untertitel: D - Technische Details (Blu-Ray)
Video: Bildverhältnis, z.B. 16:9, 1,85:1
Sprachen/Ton:
D DTS-HD MA 5.1
D DD 2.0 (Mono)
GB DTS-HD MA 5.1
Untertitel: D - FSK: 18
- Sonstige Informationen:
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Wertung: 9/15 dpt
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