Arthur Schnitzler – Später Ruhm (Buch)


Arthur Schnitzler - Später Ruhm (Cover © Zsolnay)

Später Ruhm – das ist nicht nur der Titel einer unlängst ausgegrabenen Novelle Arthur Schnitzlers, sondern zumeist die allerletzte Hoffnung, der sich unentdeckte, missverstandene oder einfach nur untalentierte Autoren hingeben. Arthur Schnitzler hat sich schon zu seinen Lebzeiten einer gewissen Öffentlichkeit erfreut und sicherlich die Erfolge seiner Novellen und Dramen in vollen Zügen genießen können. Und doch wäre er mehr als überrascht gewesen, welche Wellen die Veröffentlichung dieser lange Zeit verschollen gebliebenen Novelle schlägt. Die Verlagswerbung spricht – beinahe natürlich – von einem “Meisterwerk”, ein PR-Urteil, dem sich eiligst auch einige Rezensenten anschlossen. Einige Monate sind seitdem verstrichen – im Feuilleton und in den Diskussionen um die spannendsten Bücher dieses Jahres spielt die Schnitzlersche Novelle kaum noch eine Rolle. Während jenes etwas lächerlich hysterisch wirkte, ist letzteres tatsächlich schade. Denn: Als literarisch geformte Novelle besitzt “Später Ruhm” durchaus einen gleichzeitig ästhetischen wie unterhaltenden Charme, dem man sich gewinnend aussetzen sollte.

Worum geht’s? Nun, der erste Satz, in dem der Leser den gealterten Schriftsteller Eduard Saxbeger in seine kleine Wohnung begleitet, lässt schon eine fremd gewordene Welt aufscheinen. Wir haben es nicht nur mit einer Charakterstudie eines einstmals halbwegs erfolgreichen Schriftstellers zu tun, sondern auch mit einer Hommage an die Caféhaus-Kultur und das literarische Wien zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Das sehr ruhige, zwischen Melancholie und Apathie changierende Leben des Alt-Schriftstellers erlebt eine dramatische Wendung als er eines Tages Besuch von einem jungen Leser seines großen literarischen Wurfes bekommt. Dieser überredet Saxbeger dazu, ihn und seine Freunde die Ehre zu erweisen und sie an seinen Erfahrungen als Schriftsteller teilhaben zu lassen. Alle seien sie natürlich intimste Kenner seines Werkes. Der Leser ahnt, die anfängliche Skepsis Saxbegers weicht einer zunehmenden Neugier – natürlich nicht ganz ohne sich geschmeichelt zu fühlen. Doch die pseudo-intellektuellen Diskurse des selbsternannten Schriftstellervereins erweisen sich all zu schnell als substanzlose Dampfplauderei. Tatsächlich führt Saxbergers Anwesenheit am Ende dazu, dass er mithilfe einer simplen aber genial pointierten Volte Schnitzlers in seiner Existenz als Schriftsteller beraubt wird.

Wer das Vergnügen hatte, sich intensiv mit der Wiener Literatur um die Jahrhundertwende beschäftigt zu haben, der wird in den sorgfältig gezeichneten Charakteren zahlreiche Protagonisten der Wiener Schule ausmachen können. Und dass Schnitzler hier mit einem weiteren Werk seiner Skepsis um die kultische Verehrung Stefan Georges Ausdruck verleiht, dass mag für einen zusätzlichen Lesegenuss sorgen. Doch auch ohne diesen doppelten Boden, ohne die zeitgenössischen Anspielungen und auch ohne die seltsam masochistische Lust, in jedem Satz einen Beitrag Schnitzlers zur Novellen-Theorie zu interpretieren, ist die Lektüre von Später Ruhm ein Genuss. Wer sich dennoch ein wenig in die Entstehungsgeschichte dieser Novelle einlesen möchte, dem sei die kenntnisreiche Einführung der Herausgeber anempfohlen.

“Später Ruhm” ist inhaltlich eine Novelle par excellence – und auch stilistisch ein Ausweis früher Meisterschaft. Doch diese Rezension soll nun keinen wissenschaftlichen Beitrag zur den Novellen-Theorien darstellen – darüber können und sollten sich die Kollegen aus Schule und Uni die Köpfe zerbrechen. Festzuhalten aber ist, dass diese nur 120 Seiten umfassende Novelle keine reine Fingerübung Schnitzlers war. Die Entdeckung dieses Werkes aus dem Nachlass des Dichters geht daher als amtliche Neuentdeckung durch. Sie fügt dem Schaffen Schnitzlers keine überwältigend neuen Facetten hinzu, doch lädt sie ein, die beinahe erschreckend aktuell gebliebenen Novellen und Theaterstücke neu zu erlesen. Später Ruhm ist dabei nicht der schlechteste Einstieg, zeigt die Novelle, dass Schnitzler nicht nur ein großartiger literarische Psychologe, sondern auch ein hochtalentierter Arrangeur von atmosphärisch dichten Szenen und Personenkonstellationen war. Es darf hier natürlich jeder eine handvoll zeitgenösssischer Autoren nennen, die Schnitzler ebenbürtig scheinen – allein, dem Rezensenten fällt neben Yasmina Reza oder Philip Roth kaum jemand ein, der mit nur einem Satz eine Ahnung vom Menschen vermitteln kann. Die Lese-Empfehlung ist an dieser Stelle schon mehr als nur konsequent ebenso wie der Rat, bloß keinen Respekt vor Klassikern zu haben!

Cover © Zsolnay

  • Autor: Arthur Schnitzler
  • Herausgeber: Wilhelm Hemecker, David Österle
  • Titel: Später Ruhm. Novelle
  • Verlag: Zsolnay und Deuticke
  • Erschienen: 17.05.2014
  • Einband: Hardcover
  • Seiten: 160
  • ISBN: 978-3-552-05693-0
  • Sonstige Informationen:
    Produktseite beim Verlag

Wertung: 12/15 dpt


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