Zwei Sammlungen mit Filmen aus der reichhaltigen Shaw-Brothers-Produktion sind bereits von Koch Media veröffentlicht worden, jetzt erscheint die erste Kollektion auf Blu-Ray. Sie umfasst vier Filme, ungekürzt und visuell aufgearbeitet. Man kann sicherlich streiten, ob die Digitalisierung dem ursprünglichen kinematographischen Ansinnen der Macher entspricht, oder ob sie sich aktuellen Sehgewohnheiten allzu glatt anbiedert. In den vorliegenden Filmen überzeugt das Resultat. Das Bild ist scharf und farbintensiv, die künstlerische Künstlichkeit der (Studio)-Settings wird auf elegante und charmante Weise betont.
Angesichts der unbearbeiteten Kino-Trailer, die teilweise einem verwaschenen, psychedelischen Rätselraten gleichen, ein Gewinn. Selbst wenn man den Verlust von ein wenig Zeitkolorit und Gesichtsunebenheiten betrauert. Den leuchtend roten Blutströmen ist das eh egal.
Chronologisch steht “Zhao, der Unbesiegbare” aus dem Jahr 1972 an erster Stelle. Ein Klassiker, der den beliebten Topos zweier Kampfschulen, die sich bis aufs Blut bekämpfen, einführte und etablierte. Eine der beiden Schulen wird natürlich von Widerlingen betrieben, die vor nichts fies sind. Zhao, der Held, muss das übliche Tal der Demütigung, Tränen und Schmerzen durchwandern, ehe er am Ende und nach zahlreichen Verlusten, triumphieren darf. Die meist waffenlosen Kämpfe sind im Vergleich zu späteren Jahren relativ kurz (aber schmerzhaft) und die Schwerkraft darf ebenfalls weitgehend mitspielen.
Ergibt einen relativ kurzen, knackigen Film, voller kleiner Innovationen und nachhaltiger Brutalitäten. Bruce Lee hat genau hingeschaut und Quentin Tarantino bedankte sich bei Zhao, indem er sich für “Kill Bill” kurzerhand das sehr einprägsame, musikalische Leitmotiv (Synthies vor!) und den schnellen Griff ins Auge entlieh. Unter anderem.
“Das unbesiegbare Schwert des Shaolin” von 1977 zeigt einen gut aufgelegten Ti Lung in der Rolle des “Sentimental Swordsman”, die er noch zweimal aufgreifen sollte. Als unschuldiger Verdächtiger wird er in ein finsteres Ränkespiel verwickelt, das der meuchelnde Mei Hua, unterstützt von wenigen Verbündeten, einfädelt Chu Yuan inszeniert das als stimmungsvolle Mixtur aus Whodunit, Horror- und Martial-Arts-Film. Gesprenkelt mit ein klein bisschen Komik, etwas mehr Dramatik und viel Sentiment. Der dem Alkohol sehr zugeneigte Li Chin Huan (der immerhin zehn Jahre ohne seine Geliebte auskommen musste) soll seinem melancholischen Titel schließlich gerecht werden.
Die Settings sind atmosphärisch und abwechslungsreich – wieder ein dickes Danke von Herrn Tarantino – die inhaltlichen Volten von kruder Brillanz, besonders die vielfältigen Fallen des tückischen, alten Giftmischers lassen das Herz aufgehen vor Freude. Die Kämpfe sind wieder relativ bodenständig, dezent blutig und ebenfalls mit einigen sehenswerten Kniffen aufgepeppt. Hier sind Könner am Werk und das sieht und spürt man.
Die Entlarvung des Meuchelmörders und sein letzter hundsgemeiner Monolog sind tatsächlich recht überraschend, während sich seine Helfer durch finstere Blicke und schmollende Münder schnell selbst entlarven. Großartige Ermittlungsarbeit darf man natürlich nicht erwarten, die maßgeblichen Hinweise auf den Täter prostituieren sich geradezu, während simple Detektivarbeit (wie Alibis überprüfen) schlicht flach fällt. Außerdem fällt einmal mehr auf, dass die meisten Martial Arts Filme dem frühen Code Napoleon folgen, nach dem man so lange als schuldig gilt, bis man (selbst) seine Unschuld beweisen kann. Wären Ti Lung und seine Kollegen nicht solche fantastischen Kämpfer, wären der sentimentale Swordsman und alle thematisch ähnlichen Werke nur Kurzfilme.
Dies bleiben kleine, oft naiv-spannungssteigernde Unebenheiten, in einem großen, wundervollen Ganzen, das glänzt und blitzt und ein bisschen fliegen kann.
Was “Die Todeshand des gelben Adlers” (1979) schuldig bleibt, der schwächste Film des Quartetts. Dessen englischsprachiger Titel “The Kung Fu Instructor” der bessere ist, denn Todeshand und gelber Adler glänzen durch Abwesenheit. Regisseur Chung Sun paraphrasiert die Storyline von Akira Kurosawas “Yojimbo” und Sergio Leones “Für eine Handvoll Dollar”. Ti Lung, diesmal mit Bart und unpassender Synchronstimme, könnte die Titelrolle im Schlaf runterspielen und manchmal gewinnt man den Eindruck, genau das tut er auch. Als aufrechter Kung Fu-Meister gerät er, erneut unschuldig eines nicht begangenen Verbrechens angeklagt, zwischen die Fronten zweier Clans, die eine kleine Stadt unter sich aufgeteilt haben. Da ihm die moralische Ambivalenz und ausgekochte Intelligenz Toshiro Mifunes und Clint Eastwoods abgehen, wird er zum beinahe hilflosen Spielball böser Mächte, bis er sich endlich für die richtige Familien-Seite der Stadt entscheidet.
Die Kampfszenen sind meist unspektakulär und relativ unblutig, Ti Lung zeigt zwar ein paar Mal sein akrobatisches Können und der Endfight mit dem miesen, gemeinen Clanoberhaupt der Mengs ist auch nicht übel, doch dazwischen positionieren sich langatmige und pathetische Dialoge, aufgesetzt wirkende Komikeinlagen und inhaltliche Unstimmigkeiten, die diesmal dem Film nachhaltig schaden. Vielleicht hat man auch einfach nur Zeit, während der nicht sonderlich spannungsreichen Handlung darüber nachzudenken. Größter Fauxpas: Der Oberbösewicht entpuppt sich (erwartungsgemäß) als hervorragender Kämpfer, der unserem redlichen Kung Fu-Lehrer im Finale derart zusetzt, dass er die Hilfe seines Schülers braucht, um mit dem Schurken fertigzuwerden. Warum leitet der Mann nicht seine eigenen Kämpfer an und unterrichtet sie, anstatt hinter dem legendären Instruktor herzuhecheln wie ein räudiger Runzelrüde?
Schwamm drüber. Auf der Habenseite stehen ein paar eigenwillige visuelle Ideen und Einstellungen, gelungene Lehrveranstaltungen Ti Lungs sowie sein schöner (angeklebter?) Knebelbart.
Highlight des Pakets ist der jüngste Film von 1982, “Der Todesspeer der Shaolin“. Über dessen Produktion ein schwarzer Adler-Schatten fällt. Co-Star Alexander Fu Sheng kam während der Dreharbeiten bei einem Autounfall ums Leben. Deshalb fällt seine Rolle des schwer traumatisierten sechsten Bruders kleiner aus als geplant, und er verschwindet zwangsläufig kommentarlos in der Mitte des Films. Bis dahin darf er aber ein paar wahnwitzige Auftritte absolvieren. Bruder Nr. 5 (Chia Hui Liu alias Gordon Liu) und seine kampfstarke Filmschwester Nr. 8 (Kara Hui) bringen den “Todesspeer” gekonnt alleine über die Ziellinie.
Im Kampf gegen die einfallenden Tataren zu Zeiten der Sung-Dynastie werden die acht männlichen Mitglieder des loyalen Yang-Clans, Yang Ye und seine sieben Söhne, vom verräterischen Pan Mei in eine Falle gelockt und in einem spektakulären Auftaktkampf, bis auf zwei Brüder eliminiert. Während Bruder Sechs (Alexander Fu Sheng) psychisch kollabiert, rettet sich der fünfte Bruder zu den Kampfmönchen ins Qingliang-Klosters in den WuTai-Bergen.
Obwohl der Abt des Klosters ihn für zu rachsüchtig, gewalttätig und emotional labil hält, lässt sich Yang Wu-lang nicht entmutigen und nimmt am harten Stockkampftraining der Mönche teil. Erst geduldet, schließlich akzeptiert bleibt er im Kloster bis zum finalen Kampf in einer Herberge, in der nicht nur seine Mönchsbrüder sondern auch die – zunächst entführte – Schwester Nummer 8 ihre Kampfkünste unter Beweis stellen dürfen.
Dieser Showdown gehört zu den am besten choreographierten Schaustücken aus der mittleren Phase der Shaw Brothers-Produktionen. Inszenatorisches Geschick, furiose Kampfsequenzen, eine originelle Kulisse und die radikale Neudefinition von Dentalhygiene sorgen für einen grandiosen Höhepunkt. Insgesamt wechselt der spannende, mitunter freiwillig witzige Film, gekonnt zwischen blutiger Action und ruhigen sowie dramatischen Sequenzen. Das durch Alexander Fu Shengs tragischen Tod bedingte dramaturgische Loch bleibt zwar – auch im Gedenken an den Star – eine Leerstelle, das Drumherum ist dennoch hervorragend gelungen.
So ist diese “Shaw Brothers Collection” eine optisch ansprechende, weitgehend solide synchronisierte (die man zugunsten des Originaltons mit oder ohne Untertitel weglassen kann) Blu Ray-Edition, deren Anschaffung sich unbedingt lohnt. Zwar schwächelt “Die Todeshand des gelben Adlers” ein wenig, bietet aber immer noch genug Schauwerte und Kabinettstückchen um mit Interesse betrachtet zu werden. Filmhistorisch zeigen die Filme, wo Quentin Tarantino und seine Kollegen den Most herholen, der ihre eigenen Werke veredelt. Mit leichten Abstrichen, insbesondere ideologischer Art (wie die Rolle der ekligen Japaner in “Zhao, der Unbesiegbare”), sind die Filme bemerkenswert gut gealtert. Immer wieder einen Hingucker wert.
Cover & Szenenfotos © Koch Media
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