Wieder einmal kommt die Apokalypse auf die Menschheit zu.
»Sie durchmaßen die Fernen der Sterne
und auchdie Erde kannte ihre Schritte«
Kitab al-Azif, ca. 730 n. Chr.
[S. 3 “Die Dämonen vom Ullswater” – Steffen König]
Dieses Mal sind es nicht Viren, die die Menschheit dahinraffen oder in Zombies verwandeln. Keine Klimakatastrophe, kein Weltkrieg zerstört unsere Lebensgrundlage auf der Erde. Sondern – Außerirdische. Dieses Science-Fiction-Motiv kennt man aus Zeiten, die man die “guten alten” nennt. Heutzutage erscheint es schon wieder originell, wenn überlegene Wesen aus dem All unseren Planeten erobern. Zu all den hausgemachten Katastrophen in modernen Dystopien blitzt hin und wieder dieses “Krieg der Welten” Thema des SF-Pioniers H.G. Wells auf, unlängst in der TV-Serie “Falling Skies“. In Steffen Königs Version kommen die Aliens Ende des 19. Jahrhunderts nach Cumberland (heute Cumbria), eine beschauliche Grafschaft im Norden Englands.
Es sollte die Hochzeitsreise des Londoner Anwalts Alan Walden und seiner Ehefrau Sophie werden. Sein Studienfreund Nicolas Halford bietet Alan an, Urlaub im Ferienhaus seiner Eltern in Cumberland zu machen. Doch bevor das Paar die ersehnte Reise antreten kann, erreicht den Anwalt ein Päckchen von seinem Freund mit einem seltsamen eiförmigen Artefakt. Nicholas bittet Alan, es von dem Chemiker Davidson untersuchen zu lassen. Gesagt, getan, doch die Experimente erzielen kein Ergebnis, das Material bleibt unbekannt und besitzt mysteriöse Eigenschaften. Es ist ungewöhnlich leicht, leuchtet und explodiert unter Stromzufuhr. Alarmiert durch Nicholas’ Bitte um Hilfe fährt Alan zunächst allein nach Penrith, seinen Freund trifft er dort jedoch nicht an. Er ist wie vom Erdboden verschluckt, und zuvor verschwanden schon einige Rinder sowie ein Urlauberpärchen. Mit dem trinkfesten Hausverwalter Burnham und dem großspurigem Konstabler Legget macht sich Alan auf die Suche nach Nicholas. Und trifft in den Wäldern um den See Ullswater auf Monster mit telepathischen Fähigkeiten, gefährlich hochentwickelter Technologie und nicht eben den Menschen wohlgesonnenen Absichten.
Selbst wer den 1898 (deutsch: 1901) erschienenen Science- Fiction Klassiker von H.G. Wells “Krieg der Welten” nicht gelesen hat, kennt vielleicht die Story. Im Jahr 2005 erschien der gleichnamige Film von Steven Spielberg mit Tom Cruise und Dakota Flanning in den Hauptrollen, der anschließend in drei Kategorien mit dem Oscar ausgezeichnet wurde. Zuvor war der Stoff 1953 verfilmt worden und ein Hörspiel wurde bereits 1938 gesendet. Angeblich hielten die Zuhörer die fiktive, im Reportagestil vertonte Aufnahme um die Invasion der Marsianer, deren Handlungsort von Großbritannien in die USA verlegt worden war, für echt und gerieten in Panik. So berichtete seinerzeit die Tagespresse, was sich letztendlich jedoch als klassische Zeitungsente erwies.
Zeitlos nennt man diese Geschichten, die immer wieder neu erzählt werden und zu jeder Zeit ihr Publikum finden. Das dachte sich vielleicht auch der Software-Entwickler, Illustrator und Autor Steffen König, als er beschloss, diese Geschichte neu zu interpretieren. Die Story, die sich Steffen König nun für “Die Dämonen vom Ullswater” ausdachte, ist eine mögliche Vorgeschichte zum “Krieg der Welten”, eine Prä-Apokalypse.
Sprachlich hat sich Steffen König der Wells’schen Epoche angepasst und lässt die Ich-Erzählung des Anwalts Alan Walden etwas antiquiert klingen, was eine stimmige, endviktorianische Atmosphäre schafft. Zudem klingt der Erzähler leicht hochnäsig, und damit genau so, wie man sich einen aufstrebenden Anwalt in jener Zeit vorstellt. Glücklicherweise übertreibt es König weder mit dem altmodischen noch dem hochmütigen Stil, sodass der Roman flüssig lesbar bleibt und der Hauptprotagonist auch Sympathiepunkte für sich verbuchen kann. Obwohl einem seine besserwisserische Art manchmal auf die Nerven geht.
“Die Dämonen von Ullswater” ist ein retro-futuristischer Roman, dessen Handlung einem straffen Spannungsbogen folgt. Angefangen mit der Untersuchung des seltsamen Eis mit Krallen bis hin zum Kampf gegen Monster aus dem All; vor des Lesers Augen verwandelt sich ein beschaulicher Ort im viktorianischen England in einen Schauplatz des Schreckens. Dazwischen finden wir weniger Action, sondern mehr über das, was der Protagonist erlebt, beobachtet und schlussfolgert. Durch das unheimliche Geschehen wird Alans akademische Neugier zunächst von der Angst um den Freund und schließlich dem nackten Horror vor dem Erlebten verdrängt, was der Autor glaubwürdig transportiert. Auch die Nebenfiguren, wie den Hausverwalter oder den Konstabler hat König als eigenwillige Typen charakterisiert, die ideal zu Schauplatz und Zeitepoche passen.
“Die Dämonen von Ullswater” ist natürlich eine Hommage an H.G. Wells. In der Danksagung würdigt König den “Krieg der Welten”-Erschaffer und den Musiker Jeff Wayne (komponierte ein Musical- Konzeptalbum) für das unvergleichliche in Schutt und Asche legen Englands als Inspiration für seine Geschichte. Viele Kleinigkeiten beziehen sich unmittelbar auf den “Krieg der Welten”, inklusive einer hintergründigen Kritik am Selbstbild des Menschen, ähnlich der die der Science- Fiction Klassiker an den britischen Imperialismus adressiert. Auch Königs Dämonen ersinnen raffinierte Wege, die Menschen auszuspionieren, ein Motiv, das angesichts der lückenlosen Aufzeichnung unserer Aktivitäten durch Regierungen und Konzerne aktueller denn je erscheint.
Insgesamt ist Steffen Königs Roman “Die Dämonen von Ullswater” ein unterhaltsames und fesselndes Science- Fiction Abenteuer klassischer Bauart. Sprachlich ist der Roman so ausgereift, dass man kaum glauben mag, dass es sich um ein Erstlingswerk handelt. Von wenigen Längen einmal abgesehen, in denen der Hauptakteur sich etwas zu ausführlich in Detailbeschreibungen ergeht und kleinen logischen Unstimmigkeiten (einerseits setzen die Aliens Telepathie ein, müssen aber dennoch zu traditionellen Methoden greifen, um an Informationen zu kommen) bietet “Die Dämonen von Ullswater” Science- Fiction Unterhaltung auf hohem Niveau und Spannungslevel.
Cover© Wurdack-Verlag
- Autor: Steffen König
- Titel: Die Dämonen vom Ullswater
- Verlag: Wurdack Verlag
- Erschienen: März 2014
- Einband: Taschenbuch
- Seiten: 252
- ISBN: 978-3-955-56005-8
- Sonstige Informationen:
Erwerbsmöglichkeit beim Verlag
Wertung:11/15