In Harlan County scheint endlich Ruhe eingekehrt zu sein, und Deputy U.S. Marshal Raylan Givens (Timothy Olyphant) kann immerhin mal ein bis zwei Gänge runterschalten. Der Bennett-Clan ist bis auf Dickie (Jeremy Davies) ausgeschaltet, was einigermaßen “gut” für den Frieden im Ort ist, schlecht allerdings für die Teenagerin Loretta McCready, die nicht mehr unter dem Schutz der getöteten Clan-Mom Mags steht und mehr oder minder auf sich allein gestellt ist. Doch sie schlägt sich durch und bleibt tough. Raylan Givens’ “Erzfreund” Boyd Crowder (Walton Goggins) scheint ebenso auf ein erträgliches Maß ausgebremst. Banden und Clans betreiben zwar nach wie vor ihre Kriege um Macht, Drogen und Geld, doch lange dauert es nicht, bis sich erneut Unfrieden der hässlichsten Sorte ausbreitet.
Denn zum einen wird ortsnah Ellstin Limehouse mit seiner kleinen Schlachterei sesshaft, und neben ein paar Marihuanageschäftchen und kleinkriminellen Machenschaften drehen der Schlächter – seines Zeichens der Anführer der schwarzen Gemeinschaft – und seine Leute eher wenig krumme Dinger. Sie versuchen sich aus den üblichen Grabenkämpfen herauszuhalten – bis Boyd Crowder wieder Blut leckt und versucht, Limehouses Community für seine Zwecke zu instrumentalisieren. Doch auch Dickie, der zum unfreiwilligen Einzelkämpfer geworden ist, ist auf der Suche nach einem Platz und nach Schutz und hofft auf Ellstins Loyalität.
Richtig aufgemischt wird die US-amerikanische Provinz allerdings erst durch den von Detroit nach Harlan County entsandten Drogenmafiakiller Robert Quarles (Neal McDonough, “Medical Investigation”, “Desperate Housewices”, “Band Of Brothers”), der versucht, sein Netz mit chemischen Drogen auch dort auszuweiten und finanziell Fuß zu fassen. Er gewinnt den im Süden aktiven Dixie-Mafioso Wynn Duffy für seine Pläne als Partner und hinterlässt eine äußerst blutige Spur. Die Grausamkeit, Gnadenlosigkeit und Brutalität hat ein neues Level erreicht.
Nach und nach entwirrt Givens das hochkomplexe Netz der Korruption, der Drogenkartelle, der Mordkomplotte und weiterer schlimmfingriger Dinge – und muss erneut in ungeahnem Maße feststellen, dass Raylan von seinem Vater Arlo keinerlei Väterlichkeit, ein Gefühl des “Blut ist dicker als Wasser” oder wenigstens etwas Respekt von ihm erwarten darf. Ganz im Gegenteil. Von den privaten Dingen des Marshals und denen der anderen Protagonisten fangen wir erst gar nicht an…
Den Machern der FX-Serie sind die Ideen auch in der dritten Staffel nicht ausgegangen, und wie bereits in den Vorgängerseasons weiß man auch dieses Mal praktisch nie, was in zehn Minuten passiert sein wird und wer von dem eigentlichen Hauptcast nicht doch mal eben spontan Bekanntschaft mit einer Kugel machen darf und daraufhin vom audiovisuellen Sensenmann eine Taxifahrt ins Jenseits spendiert bekommt. Stets bleibt “Justified” höchstgradig überraschend und herrlich verworren.
Es gibt kaum eine Serie, die von einer solch atmosphärischen Dichte erfüllt ist – die Authentizität des gesamten Settings (das teilweise aus logistischen Gründen an zwei Orten identisch aufgebaut wurde) ist auf die liebevolle Arbeit des Stabes zurückzuführen, denn man hat die ganze Serie über wahrhaftig das Gefühl, man habe einfach ein paar Orte evakuiert, damit Cast und Crew dort ihre Serie abdrehen können. Als hätte man nicht das Setting erschaffen, scheint alles so, als wäre es schon immer da gewesen.
Diese Echtheit findet sich auch in den einzelnen Charakteren wieder. Der stets besonnen wirkende Raylan Givens wird von Olyphant schlichtweg brillant verkörpert – besonders den stillen Zorn, der hinter Givens’ Schädelwand kocht und den offensichtlichen Willen, mit (gerne auch mal rechtlich) unkonventionellen Mitteln für Gerechtigkeit zu sorgen, weiß der Schauspieler höchst glaubwürdig darzustellen. Doch auch für die zahlreichen anderen Akteure kann man nur den Daumen nach oben recken…
Jeremy Davies als liebenswerte Ratte Dickie, die am laufenden Band Mist baut, aber eigentlich doch auch nur ein klein wenig Anerkennung und Erfolg, vielleicht auch einfach mal Freundschaft erleben will; Nick Searcy als Raylans harter, aber im entscheidenden Moment nachgiebiger Vorgesetzter Mullen; WaltonGoggins als unglaublich charismatischer, herrlich falscher Fünfziger BoydCrowder, ebenso sein von Joelle Carter gespieltes Herzblatt Ava, die ihr Herz am rechten Fleck trägt, aber gerne auch mal selbst eine Ladung Schrot abfeuert, wenn etwas nicht so läuft, wie es laufen soll. Und während man Neal McDonough aus der Intrigensoap “DesperateHousewives” als Frauentyp kennt, bei “Medical Investigation” hingegen als hochprofessionellen Leiter einer Spezialeinheit des National Institute ofHealth, brilliert er in “Justified” als psychopathisches, machtgeiles und skrupelloses Ekel, als widerlichstes Serien-Arschloch bis dato. Nicht selten gruselt es einen als Zuschauer, und häufig wünscht man sich einfach nur noch: “Wann kriegt dieser Psycho endlich eine Kugel verpasst?” – womit der Zweck seiner Rolle perfekt erfüllt wird.
Die Qualität der Schauspieler zieht sich jedoch nicht nur in die zweite Reihe, sondern bis in die Statistenrollen hinein – hier wurde nirgendwo gespart: Jeder Darsteller, selbst wenn er nur eine Minute Screentime oder gar noch weniger hat, glänzt mit einer Echtheit, die verblüfft. Selbst die musikalische Untermalung besitzt niemals einen Pseudofaktor – wenn Bluegrass oder Country in einer Bar läuft, tönt es nicht nach Klischee, sondern nach echtem Südstaatenspirit.
Inmitten des abgefuckten Dickichts aus Mord, Drogen, Alkohol und Gang- und Clankriegen kommt auch in Staffel drei der sehr serieneigene Humor nicht zu kurz. Eher hat sich dieser parallel zur in ihrer Summe doch sehr nach oben geschraubten Heftigkeit entwickelt – immer wieder ereignen sich herrlich hart-herzliche Dialoge, immer wieder sorgen die originellen Figuren für den ein oder anderen Schmunzler, und die stets unerwarteten, flapsig-sarkastischen und zynischen Kommentare sind ohnehin eine Zutat, die “Justified” die finale Würze verleiht.
Mit “Justified” wird gekonnt demonstriert, dass eine Serie sehr wohl zwischen Selbsttreue und Weiterentwicklung funktionieren kann, und genau deshalb ist es zu schade, dass die Serie im deutschen Fernsehen kaum einen Fuß in die Tür bekommt (was allerdings hinsichtlich FSK ohnehin problematisch ist, weil man sonst zu viel wegschneiden müsste – was mit einer FSK 16/18-Serie passieren kann, wenn sie familienfreundlich ausgestrahlt wird, sieht man ja um 20:15 Uhr bei “Criminal Minds”…), doch auch sonst hat der “Justified”-Fan Grund zum Schmollen, denn die entstehende sechste Staffel wird auch die letzte bleiben, da Serienvater Graham Yost und Hauptdarsteller beschlossen haben, hiernach den Stecker zu ziehen.
Cover & Szenenfotos © Sony Pictures Home Entertainment
- Titel: Justified
- Originaltitel: Justified
- Staffel: 3
- Episoden: 13
- Produktionsland und -jahr: USA, 2012
- Genre:
Krimi
Drama
Western - Erschienen: 27.05.2014
- Label: Sony Pictures Home Entertainment
- Spielzeit:
519 Minuten auf 3 DVDs - Darsteller:
Timothy Olyphant
Nick Searcy
Joelle Carter
Jacob Pitts
Erica Tazel
Natalie Zea
Walton Goggins
Neal McDonough
Demetrius Grosse
Mykelti Williamson
David Meunier
Jere Burns
Raymond J. Barry
Jeremy Davies
David Andrews
Brendan McCarthy
Damon Herriman
Jesse Luken
Abby Miller
Kevin Rankin
Kaitlyn Dever
u. a. - Stab:
Taylor Elmore
Timothy Olyphant
Don Kurt
u. a. - Extras:
Audiokommentare zu diversen Folgen
Entfallene/erweiterte Szenen diverser Folgen
Gag Reel
Featurettes
Jede Folge mit oder ohne Recap - Technische Details (DVD)
Video: 16:9 Widescreen (1.78:1)
Audio: Dolby Surround (D, I), DD 5.1 (GB)
Untertitel: D, GB, I, TR - FSK: 18
- Sonstige Informationen:
Produktseite zur Serie
Wertung: 14/15 dpt