Im Kalifornien anno 1930 träumen der clevere George Milton und sein Freund, der geistig deutlich zurückgebliebene Lennie Small, vom gemeinsam erarbeiteten Geld, welches sie sich als umherziehende Erntehelfer verdienen, eine Ranch aufzubauen – vor allem wünscht sich Lennie, der ganz im Gegensatz zu seinem Nachnamen ein hünenhafter, vor unbändiger Kraft strotzender Mann ist, sich dann endlich um Kaninchen kümmern zu können.
Der tollpatschige Riese hat seine Kraft selten unter Kontrolle, und so geschieht es immer wieder, dass er beispielsweise Mäuse, die er so wunderbar possierlich findet und deren Weichheit des Fells er so liebt, ungewollt tötet. Doch auch im zwischenmenschlichen Bereich hat Lennie so seine Probleme, denn auf der Farm, für die sie momentan noch ihre Arbeit verrichten, greift Lennie ohne böse Absichten das wundervoll samtene Kleid der Farmerstochter und möchte es gar nicht mehr loslassen. So schön weich… Lennie ist völlig verstört von der abwehrenden Reaktion der jungen Frau und hält ihren Rock krampfhaft fest, und obwohl der Tochter nichts geschieht, ist diese völlig aufgelöst. Die Konsequenzen sind abzusehen: George und Lennie verlieren ihre Arbeit auf der Farm, sie sollen sich zum Teufel scheren.
Als sie unterwegs auf der Suche zu ihrer nächsten Arbeitsmöglichkeit sind, versucht George Lennie klar zu machen, dass der sich in Zukunft möglichst zurückhalten soll, damit sie wenigstens bei ihrem nächsten Job keinen Ärger bekommen. Abends beim Lagerfeuer platzt George der Geduldsfaden. Er macht seinem Kumpel und Kollegen klar, dass er es satt hat, ständig ein Auge auf ihn werfen zu müssen und dass es doch viel einfacher sei, die Arbeit ohne ihn auszuüben. Lennie, traurig, zeigt Einsicht und bietet George an, alleine weiterzuziehen, doch den plagt daraufhin das schlechte Gewissen. Er entscheidet sich, alles zurückzunehmen und mit Lennie die weiteren Wege zu beschreiten, denn letztendlich haben die beiden als einsame Wanderarbeiter nur einander.
Die beiden finden eine neue Gelegenheit, sich für etwas Geld nützlich zu machen und werden Stück für Stück in ihr neues vorläufiges Umfeld eingeweiht. George versucht weiterhin, für sich und Lennie das Beste herauszuholen, und Lennie bemüht sich, möglichst keine Dummheiten anzustellen. Candy, ein alter Farmarbeiter, warnt die beiden vor dem streit- und gewaltbereiten Farmerssohn Curley, doch der stellt nicht das einzige Problem auf der Farm dar, denn da wäre noch dessen Frau, von der Lennie sehr angetan ist… Doch es ereignen sich nicht nur Schwierigkeiten, denn zum Teil mischen sich einige Karten neu.
Es wurde bereits viel über diesen sehr dialogreichen, perfekt für die Theaterbühne geeigneten und genau deswegen so oft bühnengespielten Roman gesprochen, und an Verfilmungen dieses Literaturklassikers, der seit Jahrzehnten auch fester Bestandteil im literarischen Sektor des Schulunterrichts ist, hapert es ebenfalls nicht. Allzu viel auf diesen 1937 veröffentlichten Roman einzugehen wäre demnach in etwa so, als schütte man einen Eimer Sand mitten in die Wüste.
Ein hohes Maß an Authentizität, Atmosphäre, Ehrlichkeit und Ungeschöntheit sorgt nach nur wenigen Absätzen dafür, dass man sich sofort in die Erzählung einfindet und glauben könnte, man zöge als dritter Erntehelfer, als kaum wahrgenommene “graue Maus”, mit George und Lennie durch die Gegend und werde Zeuge der Diskriminierung und des Rassismus: Verspottung Behinderter, Hass auf Andersfarbige, Respektlosigkeit dem Alter gegenüber.
Gelesen bereits ein Erlebnis für sich, ist es dem renommierten Schauspieler Ulrich Pleitgen zu verdanken, dass dieser Roman wie ein Film vor dem inneren Auge abläuft. Zum Einschlafen mag sich das Hörbuch wenig eignen, denn der gebürtige Niedersachse, der dieses Werk bereits für die Erstpressung 2006 auf Konserve sprach, lässt den Emotionen hier freien Lauf. Trauer, Wut, Entsetzen, Freude, Entzücken – für jede Gefühlslage und für jeden Gefühlsausbruch findet Pleitgen den richtigen Ton, und hierbei geht er wahrlich an seine Extreme. Doch die Befürchtung des Overactings löst sich nach und nach in Luft auf, denn das seit 1945 unter uns weilende Urgestein der deutschen Fernseh- und Hörbuchszene weiß stets, wann es zu viel sein könnte.
Mit seiner Leistung untermauerte Pleitgen seinerzeit rund siebzig Jahre nach der Erstveröffentlichung des Originalwerks, heuer fast acht Jahrzehnte danach, wie viel Potenzial auch in heutigen Zeiten noch in diesem Meilenstein der US-amerikanischen Literatur steckt. Möchte man sich schon die Klassiker als Hörbuch ins Regal stellen, so gehört neben Aldous Huxleys “Schöne neue Welt” (gelesen von Matthias Brandt) definitiv “Von Mäusen und Menschen” in vorliegender Form dazu.
Cover © Osterwold Audio/Hörbuch Hamburg
- Autor: John Steinbeck
- Titel: Von Mäusen und Menschen
- Originaltitel: Of Mice and Men
- Übersetzer: Mirjam Pressler
- Label: Osterwold Audio
- Erschienen: 17.02.2014
- Sprecher: Ulrich Pleitgen
- Spielzeit: 217 Minuten auf 3 CDs
- ISBN: 978-3-86952-215-9
- Sonstige Informationen:
Ungekürzte Lesung
Neuauflage der 2006er Veröffentlichung
Produktseite beim Verlag
Wertung: 13/15 dpt