The Borderlands (Spielfilm, DVD/Blu-Ray)

The_Borderlands_PosterDas “Blair Witch Project“ gab die Marschrichtung vor und viele Epigonen folgten. Übersahen dabei, wie viel des Erfolges dem cleveren Marketing geschuldet war, das in dieser Form kaum mehr wiederholbar ist. Der Film selbst schwankte zwischen Langeweile, Hysterie und dem gekonnten Erzeugen von Spannung durch das, was man nicht sieht oder bestenfalls mit einem Blick erhascht.

Der Found-Footage-Film. Ruggero Deodato dürfte nicht geahnt haben, welche Welle er zwei Jahrzehnte später lostreten würde. Bestand sein „Cannibal Holocaust“ (“Nackt und zerfleischt“) zum Teil aus jenem  Filmmaterial, das angeblich die wiedergefundene Hinterlassenschaft seiner Macher war. Die erst hausten wie die Axt im Walde, bevor sie selbst geschlachtet wurden. “Blair Witch Project” griff diese Idee der gefundenen Filmschnipsel wieder auf und war überzeugend als gehypter Erfolg, dem es sogar gelang, die angeblich im Auto befindlichen Kassetten der verschwunden Studenten als Soundtrack zu verkaufen – der freilich nie im Film zu hören ist.

Gelungen waren im Folgenden jene Filme, die den vorgegebenen Pfad verließen wie die Pseudo-Reportagen  “[REC]“ (Wackelkamera unter Zombies), „Cloverfield“ (unter Aliens) oder „Trollhunter“ (unter Trollen). Wobei gerade “[REC]“  für Remakes, Sequels, Prequels und Plagiate sorgte. Nicht übel auch die kurze Form wie bei “V/H/S“ und besonders dem Nachfolger “ S-VHS“ (auch “V/H/S 2“), die neben einigen Rohrkrepierern brutal-spannende Highlights zu bieten hatten. Und es aufgrund der Episodenform erlaubten, Pausen beim Betrachten zappeliger Videobilder einzulegen.

“Borderlands“ folgt indes treu dem “Blair Witch Project“-Raster. In einer englischen Dorfkirche passiert Unerklärliches. Worauf ein dreiköpfiges Team (zu Beginn ein Duo) im Auftrag des Vatikans losgeschickt wird, den Vorfall zu untersuchen. Ein Tisch hat gewackelt, ein metallenes Kruzifix ist umgefallen. Nicht zu vergessen: Die aufnehmende Kamera produzierte nur noch unansehnliche, verrauschte Störbilder.

Man ist sich schnell einig: Hier wurde getrickst. Doch je länger die theologischen Filmwissenschaftler vor Ort bleiben, umso mysteriöser geht es zu. Ein Schaf verbrennt, ein Selbstmord geschieht in Kirchennähe, man hört merkwürdige Geräusche und das Weinen eines Babys (oder mehrerer?) im Innern der Sakristei. Ein altes Tagebuch erzählt von einem Waisenhaus und einer uralten Macht, dargestellt durch ein seltsames Symbol, die möglicherweise unter der Kirche haust. Und obwohl der Techniker Gray (Robin Hill) die richtige Frage stellt: „Wenn  ich die Wahl zwischen einem realen Monster und einem theoretischen Gott hätte, wüsste ich nicht, wofür ich mich entscheiden würde“, werden die geheimen Tiefen unter der Kirche erforscht, bis das letzte aufgenommene Bild flackernd verlischt.

“Borderlands“ ist einer jener Filme, die so beiläufig wie unbewusst zeigen, warum  das „Found-Footage“-Genre seinen eigenen Limitationen erliegt. Die Bildästhetik ist in ihrer aseptischen Gestaltung wenig stimmungsvoll. Deshalb wird getrickst: Mit atmosphärischen, im gewählten Kontext jedoch völlig sinnlosen, Landschafts-Totalen und jenen billigen Verfremdungseffekten, die die Nähe einer dunkler Macht suggerieren sollen.

Vieles bleibt im Vagen, es existiert wenig mehr als Behauptungen, die belegt werden wollen. Schon die Prämisse lässt zu wünschen übrig: Warum soll ein wackeliger Tisch und ein kippendes Kruzifix ein Wunder sein, dessen Überprüfung einen unverhältnismäßig hohen Aufwand fordert?

Der nächste störende Punkt ist die Zeitdauer, bis das Unheimliche Einzug hält, und der Horror Oberhand gewinnt über banale Alltagsverrichtungen farbloser Protagonisten. Wobei durchaus vorhandenes Figurenpotenzial vergeudet wird. Der ironische, quengelige Techniker Gray ist ein passendes Bindeglied zwischen dem bärbeißigen Mystiker, mit dunkler Vergangenheit, Deacon (Gordon Kennedy) und dem rationalen Priester Mark (Aidan McArdle).  Mark bleibt eine unsympathische, blasse Randfigur, die eigentlich einem interessanten Konzept folgt: Ausgerechnet der augenscheinlich geweihte Geistliche ist der Vertreter der reinen Wissenschaftslehre. Gray nervt in seiner heulsusigen Hilflosigkeit und Deacon bleibt aufgrund des verkorksten Filmanfangs zunächst blass, gewinnt aber dank Darstellung an Profil, bevor er sich mit der Handlung im Irrationalen verliert. So wird auch erst spät deutlich, dass der wenig spektakuläre und unbeholfen vorangeschaltete Prolog Bezug nimmt auf eine missglückte, frühere Recherche Deacons.

Licht am Anfang des Tunnels3Inhaltliche Vertiefungen bleiben eh aus, trotzdem ist nach dem ersten Drittel klar, wohin die Reise geht. Ein paar stimmungsvolle und unheimliche Sequenzen sowie kleine Scherze auf Kosten einer tumben Dorfgemeinschaft (die aus ungefähr zehn  Personen besteht) funktionieren leidlich, ansonsten bleibt “Borderlands“ ein Abhaken bekannter Standards.

Wie: Das Böse ist ein fieser Elektriker. Lichter fallen aus, Glühbirnen und Leuchtstoffröhren explodieren, Kameras und Fotoapparate werden massiv bei ihrer Arbeit behindert. Egal, die finalen Head-Cams dürfen (fast) bis zum Schluss weiterfilmen.

Einen Soundtrack gibt es nicht. Obwohl angeblich sogar ein  Lied der exzellenten Crippled Black Phoenix gespielt wird (habe ich überhört, Mist) und auch der A cappella-Folk-Song zu den End-Credits nicht übel ist. Allerdings wird das infernalische Geschehen mitunter von einem unerklärlichen Dröhnen begleitet, dass die Gläser in der heimischen Vitrine klirren lässt. Weckt den Eindruck: Wir dürfen nicht und wollen doch so gerne. Ich habe ganze Drone-Alben gehört, auf denen weniger los war.

Bleibt also übrig: Das Offensichtliche wird verdunkelt, der Klimax ist so kostengünstig wie kurz, Erkenntnisse werden von niemand gewonnen. Das augenscheinliche Motto, willkürlich etwas aufzunehmen, um am Ende irgendein Ergebnis zu erhalten, ist natürlich Fake und Fehlschluss zugleich. Denn irgendwer muss ja dutzende Stunden aufgenommenen Materials verknappt haben auf rund neunzig Minuten. Ganz abgesehen von der Frage wie man an jenen seltenen Stoff gelangt ist, der die Protagonisten in abgeschotteter Einsamkeit zeigt.

„Borderlands“ hat ein paar Meriten, die Schauspieler sind okay,  das Ambiente ist etwas billig aber stimmungsvoll, die Soundkulisse macht Eindruck, ein paar kleine, schmutzige Gags sind am Rande zu finden, die Kameraführung bleibt dank fest montierter Aufnahmegeräte und der halbwegs ruhig getragenen Kopfkameras – abgesehen von den Bildausfällen –  nachvollziehbar, doch mehr als ein  unbefriedigendes Filmerlebnis springt nicht heraus. In vorliegender Form ist Found-Footage lediglich eine Form von Bequemlichkeit, jener kleine gemeinsame Nenner, der frei nach Walt Disney „Es kracht, es zischt, zu seh’n ist nischt“ als Fantasie anregend hinstellt. Ist billig an Effekten und funktioniert bedingt, immerhin zeigt man den expliziten Darstellungen graphischer Gewalt den bildgestörten Kampf an. Doch so richtig befriedigend ist das nicht.

Oder, um es kurz zu sagen, vergleicht mal den klaustrophobischen Schrecken der ersten Dreiviertelstunde von “Descent“ mit dem Finale von „Borderlands“.  „Descent“: Treffer, versenkt. „Borderlands“: Der Schuss ging leider an die Latte. Konnte man allerdings nicht so genau sehen…

… Kurze Ergänzung und ausgewachsener SPOILER:
Eine Interpretation des Films gefällt mir allerdings ausnehmend gut, und wertet ihn für mich im Nachhinein auf: Die gesamte Kirche mit Untertunnelung ist das lebendige Böse. Konsequenterweise werden die Forscher einverleibt, und je tiefer sie in die Eingeweide vordringen, auch anständig verdaut (und ausgeschieden?). Wenn das nicht mal eine fundierte Kirchenkritik ist! Unter diesem Gesichtspunkt gibt es drei Dioptrien extra.

Cover & Szenenfotos © Pandastorm Pictures

  • Titel: The Borderlands
  • Originaltitel: The Borderlands
  • Produktionsland und -jahr: GB, 2013
  • Genre:
    Horror, Mystery, Found Footage
  • Erschienen: 15.04.2014
  • Label: Pandastorm Pictures
  • Spielzeit:
    89 Minuten auf 1 DVD
    93 Minuten auf 1 Blu-Ray
  • Darsteller:
    Gordon Kennedy
    Robin Hill
    Aidan McArdle
  • Regie: Alex Elliot Goldner
  • Drehbuch: Alex Elliot Goldner
  • Kamera: Eben Bolter
  • Schnitt: Mark Towns
  • Extras:
    Trailershow
  • Technische Details (DVD)
    Sprachen
    :
    D, GB
    Untertitel:
    D, GB, NL
    Video:
    16:9 / 1.77:1
    Audio:
    DTS 5.1 & DD 5.1 (D), DD 5.1 (GB)
  • Technische Details (Blu-Ray)
    Sprachen
    :
    z.B. D, GB, IT, S
    Untertitel: 
    D, GB
    Video:
    Bildformat 1,78:1 / 1080p24 / AVC RC B
    Audio: DTS-HD 5.1 (D), DTS-HD 5.1 (GB)
  • FSK: 16
  • Sonstige Informationen:
    Produktseite zum Film

Wertung: 7/15 dpt

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