Transhumanismus – Literatur – Genre
Mit dem nerdigen Charme seiner 90er-Jahre Kino-Ästhetik, einer quasi-experimentellen Regie und dem schlechten Storytelling ist “Darkman” kaum mit modernen Superhelden/Comic-Verfilmungen zu vergleichen. Wo “The Avengers”, “Iron Man” oder “Batman Begins” mit qualitativ hochwertigen Einzeilern und poetisch-verdichteten Szenen punkten, wo Helden unter dem Joch harter psychologischer Konflikte, wie man sie in den Werken von Thomas Mann, Gustav Flaubert oder William Shakespeare findet, die Welt retten, schlägt Sam Raimis Film den dreckigen Weg des Genres ein. Der Regisseur spielt nicht mit der niederen Herkunft seines Stoffs, um ihn zur Literatur zu erziehen. Er erzählt einfach.
Das Drehbuch drischt seine Comicphrasen, während Liam Neeson den Anti-Helden Peyton Westlake spielt, als müsste ein Treppenbauer eine Treppe bauen, um eine angemessene Absprunghöhe für sein Alter Ego zu erreichen: Peyton ist Wissenschaftler und arbeitet an der Herstellung synthetischer Haut, mit der starke Verbrennungen geheilt werden können. Seine Verlobte Julie Hastings, gespielt von der großartigen Frances McDormand (“Fargo”) vertröstet den liebenswürdigen Peyton, wenn es um akute Heiratspläne geht. Das Paar ist glücklich, aber für Julie steht die Karriere als Anwältin an erster Stelle. Das bringt dann auch die Geschichte in Gang. Julie ist einem kriminellen Bauunternehmer auf die Spur gekommen und besitzt belastende Dokumente.
Ein Christopher Nolan würde das Folgende jetzt psychologisch aufladen wie Jonathan Franzen oder Goethe, aber Raimi will nicht motivieren, will keinen inneren Konflikt, keine Monologe und kein Zwei-Seelen-Gejammer. Er will Handlung. Also geht Julie auf direktem Wege zu ihrem Widersacher Louis Strack Jr. und erklärt ihm, dass sie im Besitz belastender Dokumente ist. Der Bauunternehmer gesteht prompt und freimütig, Schmiergelder auszuteilen, damit seine Geschäfte den gewünschten Gang nehmen.
Währenddessen schuftet der ehrgeizige Peyton weiter in seinem High-Tech-Biolabor an der synthetischen Haut. Jedoch zerfällt die beliebig formbare Zellmasse grundsätzlich immer nach 99 Minuten, sobald sie Tageslicht ausgesetzt ist. Dann kommen Stracks Schergen auf der Suche nach dem Dokument auch in Peytons Labor, was kurzerhand in die Luft gesprengt wird. Neesons Rolle darf endlich fallen. Der brennende Peyton wird von der Explosion in den Fluss geschleudert.
Darkman wird geboren und stellt sich als ein wahrer Vertreter des Transhumanismus heraus. Er ist zu keiner Tragödie mehr fähig. Dieser Stoff kann, das ist die wahre Superkraft des Anti-Helden, überhaupt nicht literarisiert werden: Als Peyton, von den Flammen gesichtslos gemacht, in einem nahegelegenen Krankenhaus erwacht, wurde er durch eine experimentelle Hirn-OP dazu verdammt, nichts mehr zu fühlen. Schmerzen sind dem Darkman fremd. Seine emotionalen Regungen sind nur noch Reflexe der schwindenden Erinnerungen an das Menschlich-Sein. Affektive Rache treibt die Geschichte voran. Darkman rettet einen Teil seines Labors aus den Trümmern, schmiedet sich die Gesichter seiner Feinde und nimmt sich einen nach dem anderen vor. Er wird zum personifizierten Genre.
Es ist also nichts, was der Film hergibt. Man hat Zeit, sich dem Charme der Inszenierung hinszugeben. Kitschige Überblendungen und eine wirklich schlecht erzählte Geschichte lassen den verwöhnten Freund bewegter Bilder erkennen, das wir heutzutage in literarisierten Top-Produkten schwimmen und grundehrlicher Mist für uns kaum noch zu ertragen ist. Liam Neeson und Frances McDormand spielen richtig gut. Wir schreiben das Jahr 1990 und Raimi weigert sich noch, mit dem Genre “My fair Lady” zu spielen. Das wäre heute fast schon wieder revolutionär.
Cover & Szenenfotos © Koch Media
- Titel: Darkman
- Originaltitel: Darkman
- Produktionsland und -jahr: USA, 1990
- Genre:
Horror
Action - Erschienen: 04.10.2013
- Label: Koch Media
- Spielzeit:
91 Minuten auf DVD
96 Minuten auf Blu-Ray (“Uncut”) - Darsteller:
Liam Neeson
Frances McDormand - Regie: Sam Raimi
- Drehbuch:
Sam Raimi
Chuck Pfarrar
et. al. - Extras:
Deutscher und Englischer Kinotrailer
Bildergalerie mit Fotos vom Set und seltenem Werbematerial - Technische Details (DVD)
Sprachen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch
Video: 16:9, 1,85:1
Audio: Dolby Digital 2.0 Surround/ 5.1
- Technische Details (Blu-Ray)
Sprachen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch
Video: 16:9, 1,85:1
Audio: DTS-HD Master Audio 5.1
- FSK: 16
- Sonstige Informationen:
Label-Seite zur Blu-Ray
Wertung: keine