Mit scharfer Feder präsentiert uns Nathanael West Figuren, die im Dunstkreis Hollywoods versuchen, ihr persönliches Glück und ein finanzielles Auskommen zu finden. Da ist Tod Hackett, der für eine große Produktionsfirma Bühnenbilder malt, da ist Faye Greener, eine bezaubernde und reine Schönheit, die sich die Aufrechterhaltung ihrer cineastischen Träume mit gelegentlicher Prostitution finanziert sowie ihr Vater Harry, der wie ferngesteuert in den unmöglichsten Situationen seine komischen Bühnennummern zum Besten gibt – selbst dann noch, als er den letzten Atemzug tut. Wests Roman wimmelt von skurrilen Gestalten jedweder Färbung, Möchtegern-Cowboys, Zwergen und einem Mann namens Homer Simpson, der, wir können es uns heute schwerlich vorstellen, wenig mit dem genusssüchtigen gelben Vorstadttrottel aus Matt Groenings Serie zu tun hat.
Nathanael West hat wenig Mitleid mit seinen Protagonisten, die sich mehrheitlich selbst fremd geworden sind. Was ist echt, was nur Fassade? Was bin ich und was nur ein Abziehbild eines Traumes, den zu begraben ich unfähig bin? Im fulminanten Ende des Romans findet Tod sich auf dem roten Teppich einer Filmpremiere wieder, jedoch nicht etwa als sehnsüchtig erwarteter Star, sondern inmitten des drängenden Publikums. Kaum noch unterscheidbar von denen, die sie anhimmeln, die Produkte der Filmindustrie. Bernd Eilert erwähnt in seinem Nachwort nicht zufällig die geplante Stadt ‘Celebration’, die 1994 von der Walt Disney Company in der Absicht erbaut wurde, die perfekte und harmonische Stadt zu konstruieren, die sonst nur im Film und der Vorstellungskraft des Publikums existiert. Eine Stadt gegen Tristesse und die menschliche Natur, zauberhaft wie ein Produktionsstudio. 2010 lebten dort knapp 7400 Menschen.
Niemandem kann die Sehnsucht nach Schönheit und Harmonie zum Vorwurf gemacht werden, weniges jedoch, schreibt West, ist trostloser als das wahrhaft Monströse. Das jedoch hat er in seinem letzten Roman auf besondere Weise dargestellt. So liegen Komik und Tragik, Zynismus und Ernst so nah beieinander, dass sie sich immer wieder überlappen. Ein sprachlich und inhaltlich hochaktuelles Werk mit vielen kulturellen Querverweisen, lohnenswert bis zur letzten Seite!
Foto © Sunset Blvd.1937, TASCHEN, Los Angeles, Portrait of a City (2009)
Cover © Manesse Verlag
- Autor: Nathanael West
- Titel: Der Tag der Heuschrecke
- Originaltitel: The Day Of The Locust
- Übersetzer: Klaus Modick
- Verlag: Manesse Verlag
- Erschienen: 09/2013
- Einband: Gebunden mit Schutzumschlag
- Seiten: 272 Seiten
- ISBN: 978-3-71752-272-0
- Sonstige Informationen:
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Wertung: 14/15 dpt