John Grisham – Das Komplott (Hörbuch, gelesen von Charles Brauer)

John Grisham - Das Komplott (Hörbuch, gelesen von Charles Brauer) Cover © Random House AudioZu Unrecht der Geldwäsche beschuldigt, wurde der in Winchester, Virginia erfolgreiche Anwalt Malcolm Bannister zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt. Nachdem er fünf Jahre seiner Haftstrafe abgesessen hat, wittert er eine Chance, freizukommen, denn ein Bundesrichter wird mitsamt seiner Geliebten tot aufgefunden. Ermordet. Das FBI steht vor einem unlösbar erscheinenden Fall, denn offenbar existieren weder Spuren, noch gibt es Zeugen. Bannister konnte als Anwalt im Gefängnis genügend Erfahrungen und Wissen sammeln, um hinter diverse Geheimnisse zu kommen, deren Inhalt er für sich selbst behält. Auch die Identität des Mörders ist ihm bekannt, doch so einfach lässt sich der “lawyer behind bars” nicht abspeisen. Er möchte einen Deal: Die Wahrheit gegen die Kronzeugenregelung, das Zeugenschutzprogramm und letztendlich seine Freiheit. Die Methoden, mit denen Bannister vorgeht, sind hierbei enorm unkonventionell, zumal er noch etwas gänzlich anderes im Schilde führt, was sich im Laufe dieses Thrillers erst langsam offenbart.

Grisham verleiht dem Protagonisten sowie den Coprotagonisten und Nebenfiguren ein starkes, sehr bildhaftes und vielseitiges Profil, sodass man sich sehr schnell visuell in das Geschehen hineinversetzen kann. Und hier spielt der Autor mit dem Leser respektive Hörer, denn er lässt ihn oftmals ins Offensichtliche hineinlaufen, bloß um ihn auf die falsche Fährte zu locken – denn der unberechenbare Schriftsteller lässt auch die Charaktere, allen voran Bannister, ebenso unberechenbar agieren, sodass der Spannungsbogen gänzlich unkonstruiert und aus einem natürlichen Fluss heraus bis zum Ende zum Bersten stramm bleibt. Dementsprechend bleiben auch die einzelnen Situationen unvorhersehbar – selbst, wenn man Dinge vermutet, so tapert man meist doch wieder auf dem Holzweg.

Dabei verknüpft der Vielschreiber äußerst intelligent Stränge miteinander, von denen man vermutet, sie gehörten nicht zusammen oder hätten eine gänzlich andere Bedeutung, sodass man stets merkt, dass man selbst noch zwei bis drei Schritte hinter dem herhinkt, was gerade geschehen war – und erst kurze Zeit später begreift, welche Bedeutung bestimmte Dinge wirklich haben. Und diese Ungewissheit, diese Neugier auf das, was im literarischen Sinne hinter dem Nebel, der noch nicht vor den Augen verschwunden ist, liegen mag und durchaus beinahe greifbar ist, lässt den Betrachter des Thrillers nach der häppchenweisen Auflösung dürsten. John Grisham hat hier auf raffinierte Weise das exakte Mittelmaß gefunden, sodass man angefixt ist und weiterhören möchte, aber nicht zu wenig geliefert bekommt, sodass es frustrierend werden könnte – sondern immer mit einer Dosis versorgt wird, die für die nächsten ein bis zwei Kapitel zufriedenzustellen vermögen.

Während manche seiner Thriller, Krimis und Romane doch stark ins Fachliche abdriften oder mitunter ganz schön staubig-trocken daherkommen können und auch die ein oder andere schwächere Story in der mittlerweile enorm umfangreichen Bibliographie vorzufinden ist, scheint der Amerikaner eine kreative Frischzellenkur über sich ergehen zu lassen haben, denn beinahe unerwartet zeigt sich Grisham mit “Das Komplott” (im Originaltitel mit “The Racketeer” – ‘der Erpresser/Gauner/Gangster’ eigentlich viel treffender benannt) urplötzlich wieder in Topverfassung und bringt mal eben eine seiner stärksten Veröffentlichungen auf den Markt.

Bei “Home Run” hatte Stamm-Grisham-Sprecher und Schauspieler Charles Brauer (Kommissar Brockmöller in den “Tatort”-Folgen mit Manfred Krug) rein subjektiv empfunden auch nicht seine beste Phase, doch bei vorliegendem Werk zeigt sich der mittlerweile mit schnellen Schritten auf die Achtzig Lebensjahre zusteuernde Sympath wieder in hervorragender Form. Sicherlich muss man sich an seine doch sehr langsame, ruhige Vortragsweise und die zahlreichen langen Gedankenpausen gewöhnen, doch mit viel Dramaturgie, Emotionalität und Leidenschaft in der Art seines Vorlesens weiß Brauer dies mühelos auszubügeln, sodass die sechs Tonträger nicht nur physisch und geometrisch eine durchweg runde Sache sind, sondern auch bezüglich ihres Inhalts.

Grisham-Anhänger können bei “Das Komplott” blind zugreifen, doch auch für jene, die einen Einstieg in das Schaffen des Autors wagen möchten, eignet sich dieser paarunddreißigste Output (alleine in der Justizthrillerreihe handelt es sich um Opus 21!) hervorragend.

Cover © Random House Audio

 

 

Wertung: 13/15 dpt

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