Wie ein E-Mail-Roman beginnt “Die Jahre der Toten”, das erste Buch der gefeierten Zombie-Roman-Trilogie des amerikanischen Autors Z.A. Recht. Der Leser verfolgt eine Korrespondenz zwischen Anna Demilio, Seuchenfachfrau der US Army sowie Expertin für das Morgenstern-Virus und ihrem Kumpel, General Sherman. Die beiden Protagonisten der Geschichte unterhalten sich über die verheerende Wirkung des Virus, über die Geheimhaltung seiner Existenz und über die dringend erforderliche Erhöhung von Sicherheitsmaßnahmen, um seine Verbreitung zu verhindern. Natürlich kommt das zu spät: Der agressive Erreger bahnt sich bereits seinen Weg aus dem afrikanischen Buschland in die Zivilisation, indem er die lebenden Infizierten in sprintende, hirnlose Beißmaschinen verwandelt und die Toten als eher gemächlich watschelnde Zombies wieder aufleben lässt. Wer von diesen Erkrankten gebissen oder gekratzt wird, darf schonmal Abschied von der Welt der Lebenden nehmen. Sein Hirn wird alsbald nur noch nekrotisch suppendes Rührei sein.
Und Geschichten über suppendes Rührei-Hirn gehen zur Zeit in allen Medien wie geschnitten Brot. Aktuell erfolgreich ist zum Beispiel das Videospiel “The Last of Us”, ein Überlebensversuch in einer postapokalyptischen Welt. Hier haben die Zombies bereits alle Errungenschaften der modernen Zivilisation für zwecklos erklärt. Die Welt liegt in Trümmern. Es gibt kein Gesetz und keine geltende Ordnung mehr. Ganz ähnlich ist das Setting sowohl bei Rechts Trilogie als auch in der großartigen und hoch gelobten TV-Serie “The Walking Dead“. Dort treiben “Walker” genannte Zombies ihr Unwesen, während der Zuschauer eine Gruppe von Menschen verfolgt, die sich durch ausgebrannte und geplünderte Städte schlägt, neue (Gesellschafts-)Ordnungen und moralische Prinzipien verhandelt, um zu überleben. Zombie-Romane gibt es ebenfalls zuhauf und im englischsprachigen Self Publishing- und Ebook-Bereich wird das Genre terabyteweise bedient. Horden von Kulturgütern mit dem Zombie-Thema schlurfen also über die Konsumenten hinweg. Was macht diese Geschichten so attraktiv?
Rechts erster Teil seiner Reihe beschreibt die Ausbreitung der Infektion und den schrittweisen Verfall gesellschaftlicher Strukturen. Während Sherman mit einer Armee zunächst im Kongo, später dann in Ägypten versucht, die Millionen von Infizierten einzudämmen, beziehungsweise abzuschlachten, wird Anna Demilio von ihren eigenen Landsleuten, NSA-Agenten, gefangen genommen und gefoltert. Demilio hatte einer Nachrichtensprecherin geheime Informationen über das Virus zugespielt, um die Öffentlichkeit besser aufzuklären. Kopflos versuchen die Agenten, sinnlose Befehle zu verfolgen, obwohl Washington D.C. schon an den Erreger verloren ist. Auch die militärische Struktur um Sherman bröckelt zusehends. Aber es gelingt ihm, eine Gruppe von afrikanischen Flüchtlingen und ein paar Dutzend amerikanische Soldaten unter seiner Führung zu vereinen.
Der Reiz solcher Szenarien liegt auf der Hand. Es gibt wenig Spannenderes als den Zerfall einer alten Weltordnung wie er bei Recht oder auch bei “The Walking Dead” beschrieben wird. Wenn man dann noch zusehen darf, auf welche Weise alles den Bach runtergeht, hat man eine rückwärtslaufende Gesellschaftsanalyse mit reichlich spritzender Hirnmasse und der totalen Nekrose vor sich: In einer postmodernen Welt unendlicher Sinnstiftung, Möglichkeiten und Widrigkeiten, wirkt dann die Reduktion auf den Überlebenskampf wie ein Befreiungsschlag.
In einigen dünn gesäten Situationen versucht Recht gleich im Roman selbst zu ergründen, was die Leute an Zombiegeschichten fasziniert. Sherman beispielsweise gerät angesichts einer gigantischen Horde Untoter ins Schwärmen. Die Infizierten sind für ihn ein wahrer Feind, ein Feind ohne moralisches Dilemma, den man ohne schlechtes Gewissen niedermetzeln darf. Die Ägypter kämpfen Seite an Seite mit den Israelis gegen die Rührei-Gehirne. Zombies vereinen die Menschheit, wo Religionen, Gesellschaften und harte Werte-Pluralismen sie einst spalteten.
Neben diesen raren Perlen der Selbstreflexion enthält die durchweg spannend geschriebene und süffig zu lesende Geschichte ziemlich dummes Zeug. Viele Stellen sind beispielsweise viel zu gut geeignet, um Rekruten für das Militär anzuwerben. Man erfährt kaum etwas über die Figuren und ihre Motive, weil der Roman zu 99% aus Handlungsbeschreibung besteht. Einerseits erfüllt der Autor damit die Erwartungen der Zombie-Kultur und hat gut beim Militär recherchiert. Denn neben geballten Schlachten gibt es auch starke, aber leise Spannung. Andererseits ist das Medium Roman doch mehr als jedes andere dazu geeignet, eine Innenperspektive zu entwickelt, persönliche Konflikte und Probleme mit der neuen Weltordnung darzustellen. Diese Möglichkeit der Reibung wird trotz des Anfangs, der durch die Form des Schriftverkehrs vollständig auf die Personen fokussiert ist, nicht wahrgenommen. Ziemlich schade.
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