Finanziell kann sich Philippe (François Cluzet) alles andere als beschweren, denn in seinem mehr als beeindruckenden Haus stehen ihm zahlreiche Hausangestellte zu Diensten. Doch da er vor vielen Jahren durch einen schweren Paragliding-Unfall vom Hals abwärts gelähmt ist, ist er auf die Hilfe anderer Menschen angewiesen. Nachdem wieder einmal einer seiner Pfleger das Weite gesucht hat, stehen bereits neue Bewerber auf der Matte, für die Philippe einmal mehr den Kopf schütteln muss. Unter diesen befindet sich auch der just aus dem Gefängnis entlassene Driss (Omar Sy), der in seinem Leben nicht viel auf die Reihe bekommen hat.
Driss will sich eigentlich nur die üblichen Bewerbungsstempel abholen, damit seine Arbeitslosenunterstützung auch weiter bewilligt wird, und im Grunde möchte er bloß schnell wieder aus diesem riesigen Büro raus, doch mit seiner schonungslosen und dreisten Art macht er Philippe neugierig. Philippe zweifelt zwar stark daran, dass dieser überdrehte, ungehobelte Kerl aus der Vorstadt die Arbeit eines Pflegers ausüben kann, aber das hindert ihn nicht daran, es mal zwei Wochen lang mit ihm zu versuchen.
Wie gut können diese gegensätzlichen Kulturen und sozialen Hintergründe miteinander harmonieren? Auf der einen Seite Philippe, der Kunstliebhaber und Klassikfan, der Poesie zu schätzen weiß und stets um Etikette bemüht ist, und auf der anderen Seite Driss, der vorlaute, quirlige, unverschämte “Earth, Wind & Fire”-Fan und Kulturbanause, der selbst nicht davor zurückschreckt, Witze auf Philippes Kosten und auf seine Behinderung anspielend zu reißen – kann das gutgehen? Die beiden versuchen es, und dabei öffnen sich sowohl Philippe als auch Driss neue Horizonte.
Der Film basiert auf einer wahren Begebenheit und der dadurch entstandenen Autobiographie “Le second souffle” (“Der zweite Atem”) von Philippe Pozzo Di Borgo, welcher einst Geschäftsführer des Champagnerherstellers Pommery war. Ihm fiel unter den Bewerbern der junge Algerier Abdel Yasmin Sellou auf, der wie auch die Filmfigur Driss eigentlich keinen Job haben wollte, Di Borgo es aber dennoch mit ihm versuchte. Sellou war es letztendlich, der dem schwerst behinderten, oftmals in tiefe Depressionen verfallenen Mann im Rollstuhl immer wieder neuen Lebensmut schenkte.
Die Befürchtungen, dem Film könnte zu viel Pathos innewohnen, werden gleich zu Beginn pulverisiert, denn wenngleich das Ganze selbstverständlich etwas filmkompatibler und spektakulärer in Szene gesetzt wurde, hat man es nie übertrieben mit den Extremen. Die Figur des Philippe wird nicht auf den bemitleidenswerten Gelähmten reduziert, sondern gibt auch die zynischen, galgenhumorigen und feinsinnigen Charakterzüge glaubwürdig wieder – ebenso wird Driss nicht als der totale Freak dahingestellt, sondern als ein Mensch mit zwar extremer Persönlichkeit, aber eben als Mensch, der auch tiefe Gefühle empfindet.
“Ziemlich beste Freunde” ist ein wahres Wechselbad der Emotionen, denn während zahlreiche Situationen den Zuschauer zum entsetzten Schlucken bringen oder ihn zu Tränen rühren, gibt es immer wieder Momente, in denen man anhand des manchmal auch enorm derben Humors laut auflachen muss. Doch ganz gleich, wie unverschämt, politisch unkorrekt und extrem Philippes neuer Pfleger auch ist, so lebensfroh und voller Herzenswärme ist er auch, und das wertet den Film noch einmal zusätzlich auf. Mit den beiden Hauptdarstellern Cluzet und Sy hat man zudem zwei Schauspieler ins Boot geholt, die ihre Rolle unfassbar brillant spielen.
So ernst der Hintergrund auch ist und so traurig manche Momente auch sind: Die Positivität, die “Ziemlich beste Freunde” vermittelt, geht sofort ins Blut. Auch viele Tage nach Sichtung dieser Produktion schweift man in Gedanken immer wieder in Richtung dieses Streifens ab, und fast könnte man behaupten, dass das Leben jedes einzelnen Zuschauers, welcher diesen Film jemals gesehen hat, ein kleines Stück bereichert wird. Die pure Menschlichkeit, das Geben und Nehmen und die ungeschönte Ehrlichkeit, mit der diese ungleichen Charaktere ihre gemeinsame Zeit durchleben, wird in solch einer konzentrierten Dosis reproduziert, dass man emotional und sozial schlichtweg abgestumpft sein muss, um nicht tief berührt von dem Film zu sein.
Dahinter steckte allerdings auch härteste Arbeit, denn in den rund eineinhalb Stunden Extras, die man allesamt auf eine Bonus-DVD packen musste, erfährt der Zuschauer von den Machern und auch von den Darstellern Unmengen von Informationen und sieht die Darsteller bei ihren Vorbereitungen, zu denen auch der unmittelbare Kontakt mit ebenjenen Personen zählt, die sie schauspielerisch wiedergeben. Es ist äußerst berührend und faszinierend, wie sehr Sy und Cluzet an ihre absoluten physischen und psychischen Grenzen gegangen sind, um alles nachempfinden und nachleben zu können und so hundertprozentige Glaubwürdigkeit zu erreichen. Denn: einfach ist es auch für Schauspieler ihres Kalibers nicht, sich in die realen Personen hineinzuversetzen und so etwas zu mimen.
Zusammengefasst: Besser geht es kaum noch.
Packshots © Senator Home Entertainment
- Titel: Ziemlich beste Freunde
- Originaltitel: Intouchables
- Produktionsland und -jahr: F, 2011
- Genre:
Positives Drama
- Erschienen: 07.09.2012
- Label: Senator Home Entertainment
- Spielzeit:
112 Minuten - Darsteller:
François Cluzet
Omar Sy
Anne Le Ny
Audrey Fleurot
Clotilde Mollet
Alba Gaïa Kraghede Bellugi
Cyril Mendy
Christian Ameri
Grégoire Oestermann
Marie-Laure Descoureaux
Absa Dialou Toure
Salimata Kamate
Thomas Solivéres
Dorothée Briere Meritte
und mehr… - Regie und Drehbuch:
Eric Toledano
Olivier Nakache - Produzenten:
Nicolas Duval Adassovsky
Yann Zenou
Laurent Zeitoun - Kamera: Mathieu Vadepied
- Produktionsdesign: François Emmanuelli
- Schnitt: Dorian Rigal-Ansous
- Kostüme: Isabelle Pannetier
- Casting: Gigi Akoka
- Aufnahmeleitung: Vincent Piant
- Extras auf vorliegender Version:
Dokumentation und Portrait (40+ Minuten)
Entfallene Szenen mit und ohne Audiokommentar (ca. 10 Minuten)
Making Of (ca. 30 Minuten)
Interviews
- FSK: 6
- Sonstige Informationen:
Webseite zum Film
Aufgrund der zahlreichen Editionen verzichten wir auf die Auflistung aller detaillierten technischem Daten der verschiedenen Formate. Film ist auch als Hörfilmfassung auf den Medien verfügbar.
Wertung: 14/15 dpt