Nachdem Raylan Givens, seines Zeichens Deputy U.S. Marshal, aufgrund eines beruflichen Fauxpas seinen Job in Miami nicht mehr ausüben durfte, wurde er am Anfang der ersten Staffel nach Lexington, Kentucky zwangsversetzt, unweit des Ortes, der ihn mit seiner Vergangenheit verbindet: Harlan County. An seinem neuen Ausübungsort sollte er fortan Kriminelle dingfest machen, doch sehr bald befand auch er sich wieder inmitten alter Familienfehden. Noch immer hegte er innigen Zorn gegen seinen Vater Arlo, allerdings war Raylan letztendlich auf dessen Hilfe angewiesen, da der Einfluss seines Erzfeindes Boyd Crowder sowie der des Oberhauptes des Crowder-Clans, nämlich dessen Vater Bo Crowder, außer Kontrolle geraten war. Ein unerwartetes Blutbad und Bos Tod sowie die Rettung der entführten Ava (die ihren damaligen, in der Serie ungesehenen gewalttätigen Eheman Bowman Crowder tötete) markierten das Ende des Staffelfinales, ebenso das endgültige Auffliegen der crowderschen Drogengeschichte sowie undurchsichtiger Waffengeschäfte in Verbindung mit Miami.
Der Beginn der zweiten Staffel nimmt das lose Ende des roten Fadens direkt auf und gewährt dem Zuschauer noch einmal eine kurze Rückblende, bevor es Raylan gelingt, die einzig überlebende, noch flüchtige Schmugglerin auszuschalten und Boyd zur Vernunft zu bringen. Raylan bekommt nach dern offenbar beendeten Problemen mit Miami seinen dortigen alten Job wieder angeboten, doch in Harlan County gewinnt der von der knallharten, durchtriebenen Mags angeführte, extrem heterogene Bennett-Clan Stück für Stück mehr Einfluss auf den (Un-)Frieden im Ort. Zu ironisch ist hierbei, dass die von einem Sexualstraftäter entführte Teenagerin Loretta McCready Unterschlupf und Geborgenheit bei Mags findet – bei der Frau, die Lorettas Vater, sozusagen den örtlichen Marihuanamonopolisten, vergiftet.
Erbitterte, blutige Machtkämpfe, Rachefeldzüge und Familienkriege stehen nun an der Tagesordnung, was dafür sorgt, dass sich Folge für Folge die Karten neu mischen, ungewollte Bündnisse eingegangen werden müssen und keiner der Clans zur Ruhe kommt – ein explosives Gemisch aus Paranoia, dem Wunsch nach Durchsetzung der jeweils eigenen Interessen und jeweils subjektiv empfundener Gerechtigkeit entsteht, was für einige Tote sorgt – für Raylan Givens wird es eine harte und verworrene Aufgabe, die Wogen wieder zu glätten, und hierbei muss er, um noch Schlimmeres zu verhindern als das, was ohnehin passiert, so einige Grenzen überschreiten. Er ist Outlaw und Schutzengel in Personalunion, zugleich die Ruhe selbst und voller Zorn.
Doch “Justified” ist nie auf eine Heroisierung des Raylan Givens ausgelegt, er ist niemals der moderne Cowboy-Superheld, wie es einem so mancher Trailer suggerieren mag, sondern skizziert ein detailreiches Bild eines abgefuckten Kleinstädtchens irgendwo in Kentucky, wo man entweder mit kriminellen Machenschaften ein finanziell halbwegs unbeschwertes Leben leben kann oder mit harter Arbeit im Kohlebergwerk ein paar lausige Kröten verdient, mit denen man dann eher schlecht als recht über die Runden kommt. Inmitten der höchst angespannten Situation in Harlan County, die hinsichtlich Gewalt und Hass überzukochen droht, wächst die kriminelle Energie Einzelner ins Maßlose – und dies wird in dieser Serie schonungslos in all seiner Hässlichkeit gezeigt.
So brutal “Justified” allerdings phasenweise ist, so menschlich nahe ist sie dem Zuschauer auch, denn so skrupellos und gnadenlos einzelne Figuren auch sein mögen, gibt es meist einen Grund, weswegen sie alle so sind wie sie sind, und wenngleich man sich im einen Moment noch denkt: »Meine Güte, was für eine elende dreckige Ratte!«, so hat man denselben Menschen dann doch wieder in sein Herz geschlossen. Es ist hierbei faszinierend, wie vielschichtig, dynamisch und facettenreich die “Justified”-Macher die einzelnen Charaktere angelegt haben – stets entdeckt man neue Züge eines Menschen, versteht gewisse Verhaltensschemata plötzlich und sieht die Figur, die man in der vorigen Folge noch verachtet hatte, in einem völlig anderen Licht. Selbst der brutalste Ganove oder die in menschlicher Hinsicht ekelhafteste Person hat urplötzlich etwas Liebenswertes an sich. Und das ist eine Eigenschaft, die kaum einer anderen Serie derart extrem innewohnt – eine Eigenschaft, die für einen zusätzlichen Twist in einer ohnehin unfassbar spannenden, offen angelegten, von unerwarteten Wendungen nur so strotzenden Story sorgt. Zusätzlichen Charme gewinnt die Produktion durch den virtuos eingebauten, staubtrockenen Humor, der dermaßen pechschwarz und flapsig daherkommt, dass selbst die Briten sich steakdicke Scheiben davon abschneiden können.
Auch hinsichtlich der schauspielerischen Auswahl landet das Team – ganz wie Raylan Givens mit seiner Waffe – einen Volltreffer nach dem anderen, wobei man nicht nur die zahlreichen Protagonisten mit grandiosen Darstellern wie Timothy Olyphant, Nick Searcy, Joelle Carter (!), Walton Goggins (!!), Margo Martindale (!!!) und Kaitlyn Dever (!!!!) besetzt und ihnen perfekte Rollen auf den Leib geschrieben hat, sondern auch den vielen Coprotagonisten und Nebenfiguren enorm starke Persönlichkeiten verliehen hat, die von ebenfalls grandiosen Schauspielern verkörpert werden. Selbst Statisten werden in “Justified” in Szene gesetzt, als seien sie ein unverzichtbares Detail. Und wohl kaum eine Serie hat einen solchen Verschleiß an charakterstarken Figuren wie die FX-Serie – unzählige Kugeln und Schrotladungen beendeten in der ersten Staffel das Leben vieler, und auch in vorliegender zweiter Staffel beißen zahlreiche Personen früher ins Gras, als es ihnen lieb ist. Umso verwunderlicher ist es, dass qualitativ stets ebenbürtiger Nachschub hinterherrückt. Nie sind die Persönlichkeiten flach, es existieren keinerlei Logiklöcher, immer wieder ergeben sich neue Verstrickungen und Konstellationen, und das lässt “Justified” – so schwärmen auch die Macher in den enthaltenen Extra-Features – ein gewisses Eigenleben entwickeln. Selbst die Drehbuchautoren und Storywriter wissen während der Entstehung nie genau, was noch so kommen mag und wohin sich alles entwickeln wird.
Erweisen sich die Cliffhanger von Episodenenden bei diversen anderen Serien als nervtötend, so gehören sie hier, so hundsgemein sie anhand ihres Extremneugierweckfaktors auch platziert sind, zum guten Ton – der scharfe Cut weckt sofort Neugier auf die nächste Folge und hält den Zuschauer so vor der Mattscheibe, denn entgegen der “Alles gut, Fall gelöst!”-Strickmuster vieler Reihen atmet man hier nicht erleichtert aus, sondern hält die Luft an und ist erst beruhigt, wenn man zumindest noch mal kurz reinschaut, wie es weitergeht. Man hat zu jeder Zeit das Gefühl, nicht einfach nur berieselt und unterhalten zu werden, sondern wird regelrecht in das Geschehen eingesogen. Man fiebert und ärgert sich mit. Man hasst und liebt, verachtet und verehrt, wünscht derselben Person erst den Tod und ist dann doch froh, sie noch lebend zu sehen, man sympathisiert mit den bösen Guten – und man ist von der atmosphärischen Dichte der Serie dermaßen in den Bann gezogen, dass die Fussel und Krümel auf dem Teppich, der Abwasch in der Küche und der eigentlich wichtige Papierkram zum Irrelevantesten auf diesem Erdball degradiert werden. Harlan County ist das Gesetz im heimischen Wohnzimmer.
Der Quell des Lobes will nicht versiegen, denn was nicht unerwähnt bleiben sollte, ist die authentische, vor Kleinigkeiten zu zerbersten drohende Kulisse, bei der man glauben könnte, sie sei nicht entworfen worden, sondern man sei einfach dahin gekommen und habe angefangen zu drehen, ohne etwas auf- oder wegzuräumen – was laut dem Stab zum Teil ja tatsächlich so war. Alles wirkt schlichtweg echt, so als sei es dort nie anders gewesen. Ebenso hat man bei der Musikauswahl ein gutes Händchen bewiesen, denn der Bluegrass-, Country- und Americana-Stoff, der im Hintergrund gespielt wird, greift niemals Western- und Cowboyklischees auf, ebenso sind die gelegentlichen Blues-Sounds weit entfernt von den stereotypen Klängen, die sonst so über den großen Teich zu uns schwappen.
Es lässt sich trotz intensiver Suche nach dem Haar in der Suppe kein einziger Kritikpunkt ausfindig machen, und dass an dieser Stelle dennoch keine Höchstpunktzahl vorzufinden ist, liegt einzig und allein daran, dass somit die Möglichkeit einer noch besseren Wertung erhalten bleibt, falls die kommende Staffel die ersten beiden perfekten Staffeln in irgend einem Bereich noch zu toppen vermag.
Bleibt nur zu hoffen, dass die kommenden “Justified”-Staffeln – in den USA wurden bereits zwei weitere ausgestrahlt, eine fünfte ist bestellt – noch den Weg nach Deutschland finden, denn hierzulande enttäuschten die Free-TV-Einschaltquoten der hier besprochenen dreizehn Folgen immens. Und gerade kabel eins, auf denen hierzulande “Justified” ausgestrahlt wurde, sind ja in letzter Zeit dafür bekannt, Serien einfach mal mittendrin auf Nimmerwiedersehen abzusetzen oder unbemerkt ins Nachtprogramm zu verbannen, weil man sich von den Wiederholungen zigfach wiederholter “Dauerbrenner” dann doch dreieinhalb Zuschauer mehr verspricht.
Cover und DVD-Packshot © 2013 Sony Pictures Home Entertainment
- Titel: Justified
- Originaltitel: Justified
- Staffel: 2
- Produktionsland und -jahr: USA, 2011
- Genre:
Krimi
Drama - Erschienen: 11.04.2013
- Label: Sony Pictures Home Entertainment
- Spielzeit:
524 Minuten auf 3 DVDs - Episoden: 13
- Darsteller:
Timothy Olyphant
Nick Searcy
Joelle Carter
Jacob Pitts
Erica Tazel
Natalie Zea
Walton Goggins
Raymond J. Barry
David Meunier
Jere Burns
Rick Gomez
Brent Sexton
Damon Herriman
Linda Gehringer
William Ragsdale
Kevin Rankin
Steven Flynn
Stephen Root
Kaitlyn Dever
Jim Beaver
Abby Miller
Jeremy Davies
Margo Martindale
Joseph Lyle Taylor
Brad William Henke
Peter Murnik
James LeGros
und mehr…
- Regie:
Jon Avnet
Adam Arkin
Peter Werner
Michael Dinner
Michael W. Watkins
John Dahl
Tony Goldwyn
- Drehbuch:
Elmore Leonard
Graham Yost
Benjamin Cavell
Taylor Elmore
Dave Andron
Fred Golan
Chris Provenzano
Wendy Calhoun
- Produktion:
Don Kurt
Elmore Leonard
Timothy Olyphant - Kamera: Francis Kenny
- Kostüme: Patia Prouty
- Production Design: David Blass
- Art Direction:
David Blass
Gina B. Cranham - Schnitt:
Keith Henderson
Victor Du Bois
Bill Johnson
- Musik: Steve Porcaro
- Ausstattung:
Shauna Aronson
Alexander Carle - Extras:
Entfallene Szenen
Clans, Fehden & Apfelkuchen
Verpatzte Szenen
Am Set von “Justified”
- Technische Details (DVD):
Video: 16:9 Widescreen (1.78:1)
Ton:D (Dolby Surround), GB (DD 5.1), I (Dolby Surround)
Untertitel: D, GB, TR, I
- FSK: 18
- Sonstige Informationen:
Infos und Erwerbsmöglichkeiten
Wertung: 14/15 dpt
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