Sophie McKenzie – Seit du tot bist (Hörbuch, gelesen von Britta Steffenhagen)


Sophie McKenzie - Seit du tot bist (Hörbuch) Acht lange Jahre sind vergangen, seit Geniver Loxleys Tochter Beth bei der Geburt starb. Obwohl ihre beste Freundin Hen sowie ihr Ehemann Art, seines Zeichens erfolgreicher Unternehmer, offenbar alles Erdenkliche tun, um ihr Unterstützung und Geborgenheit zu bieten, ist sie über all die Jahre nie über diesen entsetzlichen Verlust hinweggekommen. Kaum sieht sie Eltern und ihre Kinder, deprimiert sie dieser Anblick. Unter dem schweren Schicksalsschlag hat auch die Schriftstellerkarriere der Engländerin stark gelitten, denn seit sie tagtäglich Beth nachtrauert, befindet sich in ihrem Kopf eine massive, unbewegliche Blockade. Doch sie hangelt sich stoisch von Tag zu Tag und glaubt fest daran, dass sie letzten Endes auf die Hilfe der liebsten Menschen ihres Umfelds zählen kann.

Eines Tages gerät ihre nebelverschleierte Welt ins Taumeln, denn vor der Haustür steht eine fremde Frau, die ihr mitteilt, dass Beth nicht tot sei. Geniver hält diese Frau für verrückt, ist voll unbändigem Zorn auf sie – es kann unmöglich sein, dass ihr doch totgeborenes Kind noch lebt . Ihr Instinkt sagt ihr allerdings, dass diese mysteriöse Frau womöglich noch nicht lügt, und so wachsen die inneren Zweifel wie ein aggressives Geschwür. Es gibt keine Alternative: Sie muss sich auf die Suche nach der Wahrheit begeben, und dafür muss sie durch ihr persönliches Höllenfeuer schreiten. War die Schutzglocke, unter der sie sich fast ein Jahrzehnt befand, in Wirklichkeit nur eine Scheinwelt? Wem kann sie vertrauen? Wem kann sie überhaupt nur ansatzweise glauben? Wenn Beth tatsächlich noch lebt: Wieso verheimlicht man es ihr dann? Und falls dem so ist: Wer tut das? Und wieso will Art sie immer wieder zur künstlichen Befruchtung überreden, um Beth zu ersetzen? Ihre Forschungen stoßen vor allem ihn vor den Kopf, doch das hält Geniver nicht davon ab, der Sache weiter auf den Grund zu gehen. Als Arts alter Bekannter, der aus Irland stammende Schauspieler Lorcan auftaucht, dem allgemein der Ruf eines Windhunds am Schuh haftet, findet sie in genau ihm ihren Verbündeten – allerdings hegt sie auch an ihm Zweifel.

“Seit du tot bist”, der aktuellste Roman aus der mittlerweile rund zwanzig Titel umfassenden Bibliographie der britischen Autorin Sophie McKenzie und ihr erster Erwachsenen-Psychothriller überhaupt, läuft zwar anfangs etwas ruhig an – was auch zu Genivers Situation passt – doch ab der fragwürdigen Szene an der Haustür entwickelt sich die Story zu einem reißenden Strom, der sehr bald mit solch einem Tempo fließt und von solcher Ereignisdichte ist, dass es unmöglich ist, das Medium zur Seite zu legen. Dieser Psychothriller offenbart Stück für Stück immer neue Wendungen, neue Erkenntnisse und die unerwartetsten Irrungen und Wirrungen, sodass man selbst kaum so recht weiß, welche Person nun eigentlich noch vertrauenswürdig ist, zumal die Grenzen zwischen Täter und Opfer immer wieder verschwimmen.

Dabei beeindruckt es, wie virtuos die Autorin Fäden in Form komplexer Gedankengänge spinnt und miteinander verknüpft, ohne dass die Nachvollziehbarkeit leiden muss. Man ist im Grunde permanent dabei, die Fäden zu entwirren und den Ursprung zu suchen, und kaum glaubt man, zu ahnen, was nun wirklich los ist, wird man mit dem literarischen Holzhammer darauf hingewiesen, dass man schon wieder falsch kombiniert hat. Bis zum Ende tun sich Abgründe und Schicksale auf, jedes Mal erschüttern neue Erkenntnisse das Innere, sodass man beinahe deswegen die Luft anhält, weil man vor lauter Konzentration auf “Seit du tot bist” das Atmen vergisst.

Durch seinen direkten Stil und die einfache Sprache  ist dieser Thriller ohne Umwege zugänglich, und es ist letztendlich Sprecherin Britta Steffenhagen (Synchronsprecherin, Radiojournalistin und Schauspielerin) zu verdanken, dass man beim Hören keinen Herzkasper erleidet, denn sie liest angenehm unhektisch, beinahe distanziert und erst  in den richtigen Momenten so emotional, wie es die jeweiligen Situationen verlangen. Hätte Steffenhagen nämlich das komplette Buch so gelesen, wie es in geschriebener Form abläuft, wäre der Hörgenuss nach der ruhigen Anfangsphase ein einziger Strudel aus Stress und hätte so manch zartbesaitete Zeitgenossen zur Kapitulation gezwungen. Zudem passt die junge Stimme schlichtweg hervorragend zum Persönlichkeitsprofil der Protagonistin, und auch die Zwischenkapitel aus der Sicht einer Person im Kindesalter werden von Steffenhagen glaubwürdig gen Ohr transportiert.

Dieses Hörbuch ist zweifellos eine riesige Überraschung und darf in der ersten 2013er-Halbzeit zur bislang stärksten Genre-Veröffentlichung gezählt werden. Man darf gespannt bleiben, ob jemand in der zweiten Jahreshalbzeit gleichzieht oder McKenzie die Führung abnimmt.

Cover © Random House Audio

 

 

Wertung: 14/15 dpt


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