Jahrelang verpönt, haben sich die Bauchredner und Puppenspieler in den letzten Jahren wieder klar etablieren können. Man denke da nur an René Marik und seine Maulwurfn-Kompanie, Michael Hatzius und seine Echse, Martin Reinl mit seinen zahlreichen Figuren wie Wiwaldi oder Horst-Pferdinand, und ein weiterer Künstler, der sich zuletzt unübersehbar nach oben hangeln konnte, ist der gebürtige Spandauer Sascha Grammel.
Im Privatfernsehen verhält es sich seit Jahren ja leider meistens so, dass anfangs gute bis akzeptable Comedians ihr Programm noch massenkompatibler gestalten, worunter der Anspruch oder zumindest die Struktur der Liveprogramme enorm zu leiden hat. Die Befürchtung, dass Sascha Grammels zweites Bühnenprogramm qualitativ ebenso abrutschen könnte, war demnach durchaus berechtigt – doch hier kann man entspannt Entwarnung geben, denn “Keine Anhung” erfüllt seinen Unterhaltungsauftrag mehr als solide.
Man kann sogar eine deutliche Steigerung feststellen, denn während so mancher Teil seines ersten Programms “Hetz mich nicht!” doch einige Unausgegorenheiten aufwies und nicht alle Figuren die optimale Wirkung zu erzielen vermochten, wirkt hier alles aufwändiger, liebevoller, durchdachter und vor allem sympathischer. Auch hat Grammel, der Mann hinter (oder partiell in) den Puppen, einiges seiner früheren Hölzernheit abgelegt und führt deutlich lockerer durch sein Programm.
Eröffnet wird die in ein schickes Digicase verpackte erste DVD des Doppelpacks von einem Hauptmenü, das in sich selbst fast schon ein kleines Comedyprogramm ist, denn sämtliche Figuren werden hier bereits in einer etwa achtminütigen Mini-Geschichte vorgestellt, sodass man erst einmal minutenlang im Menü festhängt, da man bloß nichts verpassen möchte. Nach amüsiertem Kopfschütteln, wenn Schildkröte Josie erneut gegen das Hinweisschild donnert, darf man dann endlich das eigentliche Programm starten, welches mit einer ironisch-übertriebenen Einleitung beginnt.
Logischerweise eröffnet einer der großen Stars seiner Show das Event, nämlich der freche, um keine Unverschämtheit verlegene Geier Frederic Freiherr von Furchensumpf, der sich – als Zorro verkleidet – mit Grammel einen unterhaltsamen Schlagabtausch liefert, bei welchem sofort eines klar wird: Es werden keinerlei Gags aus dem Debütprogramm aufgewärmt. Nach einem kleinen Handpuppencrashkurs mit der neu eingeführten glubschäugigen Sockenpuppe Außer Rüdiger bekommen wir eine weitere bekannte Figur präsentiert, nämlich Josie, die in “Hetz mich nicht!” noch als gewöhnungsbedürftiger Geldautomat fungierte, dieses Mal allerdings in ihrer Rolle als liebesbedürftiges, einsames Panzertier ihrem Puppenmeister ihr Leid klagt und dabei herzzerreißend liebenswürdig daherkommt.
Ein Besuch vom handelstüchtigen Alien Herrn Schröder und dessen einer Sellerieknolle ähnelnden Sternschnuppe Ursula sorgt anschließend für Verwirrung, und im selben Zug genießt der Zuschauer noch die Gegenwart des flauschigen, kulleräugigen blauen Huhns namens Huhn. Prof. Dr. Peter Hacke, der Wissenschaftler mit dem Hamburger-Kopf und den Essiggurkenaugenbrauen, ist ebenfalls wieder mit von der Partie und präsentiert Grammel und dem Publikum seine neueste Entdeckung.
Bei letzterer Figur musste man in “Hetz mich nicht!” noch die schwer verständliche Aussprache kritisieren, da das kehlige Nuscheln Hackes teilweise in Kauderwelsch ausartete, doch offensichtlich hat Sascha Grammel diesbezüglich öfter kritische Bemerkungen zu hören bekommen, welche er sich, falls dem tatsächlich so sein sollte, zu Herzen genommen haben dürfte, da er dem Fast-Food-Wissenschaftler in “Keine Anhung” eine deutlich ohrenfreundlichere Stimme geschenkt hat.
Zwischendurch lockert der bauchredende Künstler sein deutlich stärkeres Programm durch die ein oder andere Einlage auf, diverse kurze Videoclips dienen zusätzlich dem schnellen Szenenwechsel, und durch diese beiden Maßnahmen reißt der Unterhaltungsstrom erst gar nicht ab. Die Mühen, die sich er und sein Team aufgebürdet haben, spiegeln sich allerdings nicht nur im Zwischendurch wider, sondern auch im Drumherum: Die Musikeinspieler passen perfekt, die Lightshow ebenso, und besonders hinsichtlich der bezaubernden, farbenfrohen Kulisse wurde mit einer spürbaren Hingabe gearbeitet – jede einzelne Figur bekam ihr eigenes Zuhause spendiert.
Hat man das runde Liveprogramm genossen, so werden dem Zuschauer auf der zweiten DVD, die einen wie die erste mit weit aufgerissenen Augen anglotzt, eine dreiviertel Stunde lang Extras präsentiert. Im Making Of wird von der Entstehung der Figuren ganz am Anfang des Jahrzehnts bis kurz vor dem Auftritt jede Phase ein wenig beleuchtet und von Sascha Grammel kommentiert. Hiernach darf man sich noch über ein paar Outtakes amüsieren, denn die zeigen einerseits, dass auch bekannte Comedians nur Menschen sind und sich gerne mal verzetteln oder verhaspeln, andererseits trumpft der Enddreißiger hierbei mit witzigen Improvisationen auf und rettet so die geschehenen Patzer spielend. Die anschließend gezeigten Puppet-Movies kennt man aus der Show, und hiernach präsentiert Grammel noch weitere Talente jenseits seiner Programmelemente. Und weil’s so schön war, wird Josies Liedchen “Willst du mein Freund sein?”, das übrigens auch als Single erscheinen wird, noch einmal geträllert. Kurz, bevor dann am Schluss der Bonus-DVD Danksagungen praktiziert werden, wird mit einem augenzwinkernden Trailer noch einmal etwas Werbung für das Buch “Das Hacke-Peter-Prinzip” (erschienen bei rororo) gemacht.
Der eher humorsnobistisch gepolte Klientelteil gehobener Comedy und des Kabaretts, wie man sie meistens nur in den dritten Programmen oder den digitalen Kanälen der Öffentlich-Rechtlichen zu sehen bekommt, wird wohl auch beim Zweitprogramm des Puppenkomikers die Nase rümpfen und sich abwenden, doch “Keine Anhung” verfolgt ohnehin einen komplett anderen Ansatz respektive Anspruch – der hört nicht auf den Namen Satire, hat nichts mit Politik zu tun, ebenfalls nichts mit Kulturunterschieden und weiteren intellektuell orientierten Themen, sondern auf die Namen Emotion und – so paradox das auch anhand der Tiercharaktere anmuten mag – Menschlichkeit. Und auf diese beiden Ziele wird mit einfachen und effektiven, aber niemals flachsinnigen Mitteln gefeuert.
Dies macht “Keine Anhung” letztendlich zu einem absolut familientauglichen Unterhaltungsprogramm, denn – das sieht man auch am bunt gemischten Publikum – hier bekommen Schulkinder, Teenager, junge Erwachsene, junggebliebene Erwachsene und auch junggebliebende Ergrauende eine herrlich unanstrengende Lachmuskeltrainingseinheit untergejubelt. Das schöne dabei: Nicht ein einziges negatives Thema ist dafür als Aufhänger notwendig.
Making Of-Fotos s/w © 2013 Nils Müller/Universal Music
Packshots und Cover © Universal Music
Liveshow-Fotos © 2013 Patrick Wamsganz/Universal Music
- Künstler: Sascha Grammel
- Titel: Keine Anhung
- Produktionsland und -jahr: Deutschland, 2013
- Aufnahmeort des Live-Mitschnitts: Historische Stadthalle, Wuppertal
- Genre:
Comedy
Puppet-Comedy
- Erschienen: 07.05.2013
- Label: Comydor/Universal Music Group
- Spielzeit:
97 + 45 Minuten auf 2 DVDs
- Darsteller:
Sascha Grammel und seine Figuren:
Frederic Freiherr von Furchensumpf
Josie
Prof. Dr. Peter Hacke
Herr Schröder & Ursula
Huhn
Außer Rüdiger
- Regie: Michael Maier
- Buch: Sascha Grammel
- Autoren: Stefan Ellerhorst, Sabine Stehr
- Produktion: Sascha Grammel, Wolfgang Teschner
- Extras:
Making Of
Die Outtakes
Puppet-Movies
Fast Las Vegas
Josies Liedchen
Hackes Trailer
Dankeschön
- Technische Details (DVD)
Sprachen: D, Gebärdensprache
Video: 16:9
Audio: D (DD 5.1, DD 2.0)
- Technische Details (Blu-Ray)
…folgen, sobald verfügbar.
- FSK: 0
- Sonstige Informationen:
Erwerbsmöglichkeiten der DVD/Blu-Ray
und viel Merchandise
Wertung: 13/15 dpt
Hallo,
damit habe ich nicht gerechnet,dass das Programm Hetz Mich Nicht so viele negative Spuren hinterlässt. Das tut mir schon leid,dass Sascha Grammel so extrem viel einstecken musste. Das war seine allerste DVD die er richtig gut gemacht hat. Mit seinem Keine Anhung Programm hat er so einiges verbessert. Das ist völlig normal,dass man Fehler macht die Auftreten wenn man Aufgeregt ist. Sascha hat das richtig gut gemacht mit seinen Ecken und kannten. Es gibt keine Menschen ohne Fehler. Wer sagt,dass er noch ein Fehler gemacht,der ist dümmer als man glaubt. Das Keine Anhung Programm ist der Knaller. Das Bühnenbild ist eine Sensation was Sascha mehr als stolz macht. Sascha hat sich weiter entwickelt aber auch seine Puppen. Für seine beiden Programme Hetz Mich Nicht und Keine Anhung gab es stehenden Applaus und für seine harte Arbeit. Damit zeigt sich,dass die beiden Programme Hetz Mich Nicht und Keine Anhung der richtige Schritt in seiner Karriere als Bauchredner und Zauberer erfolgreich sind. Ich wüsste nicht was es da negatives auszusetzen gebe. Sascha steckt seine ganze Energie seine ganze Kraft und seine Liebe in den beiden Programmen sowie in seine Puppen. Sein ganzes Team steht hinter ihm,unterstützten sich gegenseitig. Sascha hat sich in den letzten Jahren auch äußerlich verändert und sieht heute verdammt gut aus. Er ist so wie er ist mit all seinen Ecken und Kanten. Sascha muss man lieben 🙂
Schöner Beitrag allerdings heisst das neue Programm keine anhung und nicht keine ahnung
Wahnsinn, ist mir tatsächlich nicht aufgefallen. Habe es soeben genädert. Entschudligung. 😉