Peter Criss – Ungeschminkt – Die offizielle Autobiografie (Buch)

Peter Criss - Ungeschminkt (Buch)Peter Criss (bürgerlich: Peter George John Criscuola) ist von zwei seiner ehemaligen Kiss-Bandkollegen immer unter anderem dafür gehänselt worden, dass er viele Wörter nicht buchstabieren konnte. Auf den 352 Seiten seiner Autobiografie konsumiert er (with a little help from his friends) weiche und harte Drogen im Gegenwert von ein bis zwei Flugzeugträgern – doch von Lesefrüchten erfahren wir nichts, jedenfalls nichts, was über gelegentliche, meist schmollende Rezeption von Albumkritiken hinausgeht. Die Auslassungen eines solchen Menschen in eine lesbare, idealerweise sogar interessante Lektüre zu verwandeln, ist eine Herkulesaufgabe für Lektor und Ghostwriter – hier immerhin mit Larry Sloman derselbe, der dem Red Hot Chili Peppers-Sänger Anthony Kiedis auf die Sprünge und in die Buchregale geholfen hat.

Doch beide – Sloman wie der Lektor – sind an Criss grandios gescheitert. Ständig stolpert man in diesem Buch über inhaltliche oder sprachliche Fehler beziehungsweise Plumpheiten, die von der Lebensbeichte ablenken, die an und für sich wenigstens aufgrund der Sex-and-Crime-Ballung süffig sein sollte. Beichte? Genau, denn der Ex-Kiss-Drummer ist im Laufe seines Lebens und wohl unter anderem durch das Trauma seiner Brustkrebserkrankung vom Prügelpeter der Brooklyn Street Gangs zum Sankt Petrus geworden, der sich ständig in Betrachtungen ergeht wie »…heute würde ich das natürlich nicht mehr tun, aber damals habe ich nun mal alles gef!#@t, was bei zehn nicht auf den Bäumen war.« – da werden »…ein paar Geschosse im Lake Tahoe versunken…” (S. 264) oder Menschen »in Trab gehalten« (S. 242), und wenn jemand zornig ist, ruft er: »Wag dich das bloß nicht!«

Auch der wenig beneidenswerte Übersetzer hat sich nicht mit Ruhm bekleckert, wenn man sich Sätze wie diese auf der Zunge zergehen lässt: »Er hatte sechs Winchester-Gewehre sowie jede Menge an .38ern, .45ern und 9-Millimetern« (die US-Patrone .38 ist unser metrisches 9 Millimeter-Kaliber). Geschenkt, denn eigentlich sollte es hier ja um höhere Werte gehen. Doch auch das ist problematisch: Um einen derartigen, in der Ich-Perspektive verfassten Schinken durchzustehen, sollte man ein Minimum an Sympathie für die Hauptfigur aufbringen können. Das gelingt auch bei einiger Anstrengung mit dem “Catman” nicht recht, bei dem wir beispielsweise mitbekommen, dass er sich einen feuchten Kehricht um seine Mutter kümmert, nach ihrem Tod 1991 aber in folgende selbstgerechte Tirade ausbricht: »Aber nun war die wichtigste Person in meinem Leben nicht mehr da. […] Es brauchte ein paar Psychiater und ein paar heftige Besäufnisse, um die Tatsache zu akzeptieren, dass ich nichts falsch gemacht hatte.« Auch schön: Bei den Dreharbeiten zu einem Kiss-Film ist Peterchen so auf Drogen-Marathon, das er sein bisschen Text nie behalten und reproduzieren kann. Als das Ding grausam floppt, triumphiert er: »Vielleicht hatte ich mit meiner Meinung zu dem Streifen doch nicht so falsch gelegen?« (S. 186)

Auch die Besessenheit, mit der hier Schwanzlängen verglichen und referiert werden (unter anderem S. 71), der Umstand, dass der von Gene Simmons und Paul Stanley drangsalierte Criss immer und immer wieder mit seinem Ausstieg aus der Band droht (dann aber schließlich doch von den anderen vor die Tür gesetzt wird) sowie das absurd überhöhte Selbstbild als Schlagzeuger und Komponist eines Musikanten, der immer wieder zu Unterricht und Ko-Autoren Zuflucht nehmen musste, tragen zwar zu hoher R’n’R-Credibility, aber zu geringer Identifikation mit dem Protagonisten  bei. Nur der Umstand, dass man auch aus dieser Perspektive einen Blick auf das Phänomen Kiss gewinnen kann, rettet das Machwerk davor, halbgelesen aus dem Fenster zu fliegen.

»You wanted the best, you got the best«, dieser Claim leitet traditionell Kiss-Darbietungen ein. Die ungeschminkte Wahrheit ist, dass hier wenig Qualität zu ernten ist. Beinharte Fans werden sich das natürlich trotzdem geben.

Wertung: 4/15 dpt

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