Yann Martels 2001er Weltbestseller, das Buch “Life Of Pi”, in Deutschland unter dem Titel “Schiffbruch mit Tiger” bekannt, galt lange als nicht verfilmbar. Erst mit Ang Lee (“Brokeback Mountain”, “Tiger And Dragon” und “Hulk”) hat sich ein Regisseur endlich an das Abenteuer-Epos gewagt – und das Ergebnis wurde zu Recht mit Oscars prämiert, denn die 3D-Technik, mit der hier gearbeitet wurde, ist schlichtweg spektakulär.
Der Film beginnt damit, dass ein Buchautor einen Mann namens Piscine Molitor Patel besucht – einen indischstämmigen Mann, der heute im kanadischen Montréal lebt. Der Autor lässt sich Patels Lebensgeschichte erzählen, beginnt bei der Kindheit und hört bei dem Ende seines Abenteuers auf: Im Grundschulalter lebt der junge Pi noch in Pondicherry/Südindien, wo er mit seiner kleinen Familie aufwächst. Von seinen Mitschülern wird er wegen seines Names Piscine häufig gehänselt und handelt sich unvermeidlich den Spitznamen “Pisser” ein, bis er den Spieß umdreht und sich fortan nur noch “Pi” nennt, basierend auf seiner Faszination für Zahlen, vor allem jene Kreiszahl.
Währenddessen baut sich auch ein großes Interesse für Religionen auf, was darin resultiert, dass er sowohl dem Hinduismus, dem Islam und dem Christlichen Glauben etwas abgewinnen kann, gleichermaßen das ein oder andere daran anzweifelt – und allen drei Religionen gleichzeitig angehört. Das passt Pis Vater, einem mäßig erfolgreichen Zoodirektor, der nicht viel von Religion hält, nicht so recht – er erwartet von Pi, dass der sich wenigstens auf eine einzige Religion konzentriert. Der Junge lässt sich davon nicht beirren – sollen die doch alle sagen, was sie wollen! – zieht sein Ding einfach durch. und ist gleichermaßen von einem bengalischen Tiger namens Richard Parker wie auch von einem Mädchen, in das er sich verliebt hat, enorm fasziniert.
Doch Pi wird jäh aus “seinem” Leben herausgerissen: Die Eltern beschließen aufgrund der finanziellen Schieflage, als Familie mitsamt der Tiere per Frachter nach Kanada auszuwandern, um dort ein neues Leben zu beginnen. Doch was soll der sich nun mitten in der Pubertät befindende junge Mann schon anderes tun, als in den sauren Apfel zu beißen und mit an Bord zu gehen? Was bringt ihm da seine Eigenwilligkeit?
Die ganzen Passagiere gehen ihm auf die Nerven, der Schiffskoch erweist sich als Ekel, und seine Familie könnte ihm eigentlich ebenfalls gestohlen bleiben. Angewidert von der derzeitigen Situation beschließt Pi in einem Moment des Übermuts, während eines heftigen Seesturms auf Deck zu gehen. Er genießt es, er schreit in den Himmel, er will mehr davon, immer mehr! Und diesen Übermut bestraft das Unwetter, indem es noch heftiger wird – und den Frachter zum Kentern bringt. Als sich der Sturm gelegt hat, realisiert Pi, auf einem Rettungsboot sitzend, dass er der einzige überlebende Mensch ist.
Einige wenige Tiere haben ebenfalls überlebt, und so findet sich Pi mit einem Zebra, einer Hyäne, einer Orang-Utan-Mutter, einer Ratte und dem Tiger Richard Parker auf dem Boot wieder – und auf diesen verschwindend wenigen, wackeligen Quadratmetern beginnt ein Kampf ums Überleben. Letztendlich teilen sich nur er und der Tiger das Boot, und so muss Pi sich bei dem hungrigen Raubtier Respekt verschaffen und sich einiges einfallen lassen, um eine räumliche Distanz zwischen ihnen zu bewahren. Die Tage verstreichen, und die Hoffnung auf Rettung bleibt unstet wie die Witterung. Ein dramatisches Abenteuer von 227 Tagen auf See nimmt seinen Lauf, und es geschehen in dieser Zeit einige sonderbare Dinge – ebenso sieht Pi sich mit seinen Glaubensformen konfrontiert und ist auf der Suche nach Antworten. Antworten auf das Warum. Antworten auf alles. Eine Selbstfindung unter extremen Bedingungen.
Wenngleich es ein paar teilweise deutliche Abweichungen vom Buch gibt, darf die audiovisuelle Umsetzung als äußerst gelungen bezeichnet werden, wobei vor allem die Animationseffekte derart photorealistisch sind, dass man kaum glauben mag, dass all die Tiger, Ratten, Zebras, Fische, der Tiger, die Erdmännchen, die Quallen, das Wasser, ja eigentlich fast alles von Computern generiert wurde. Doch auch die schauspielerischen Leistungen aller Darsteller sind schlichtweg hochklassig, sodass der nur wenige Minuten währende Auftritt von Gérard Depardieu als Schiffskoch bestenfalls als Randnotiz verzeichnet werden kann. Auch hinsichtlich Dramatik wurden hier so ziemlich alle Register gezogen, wenngleich – wahrscheinlich aufgrund der begrenzten Länge eines Films – hier und dort ein paar Selbsterklärungen mehr gut getan hätten. Doch das ist, wenn man so möchte, Meckern auf sehr hohem Niveau.
Einziger größerer Kritikpunkt mag vielleicht sein, dass der künstlerische Anspruch, welcher im Extra-Feature von den Machern auch mehrfach eindringlich betont wird, gelegentlich ein wenig über der eigentlichen Geschichte steht und die visuellen Effekte so etwas Überhand nehmen, den Film gar ein wenig überladen, was die ganze Sache manchmal etwas prätentiös wirken lässt. Auch lässt sich ein leichter Kitschfaktor nicht abstreiten, wobei man den durchaus auch als positive Eigenschaft deuten kann.
Letztendlich ist “Life Of Pi – Schiffbruch mit Tiger” ein wahrlich epischer, wahnsinnig spannender Mix aus Drama und Abenteuer, der besonders auf Leinwand oder einem großformatigen Fernseher seine wahre Wirkung zeigen wird (des Rezensenten Wohnzimmer ist leider nur mit einer alten Röhrenkiste ausgestattet) – sodass man vor Schreck schon mal rückwärts über die Sofalehne springt und einem die Popcornschüssel und die Taschentücherpackung, welche man ebenfalls benötigen wird, von der Sitzfläche purzeln.
(Bildmaterial © Twentieth Century Fox Home Entertainment)
- Titel: Life Of Pi – Schiffbruch mit Tiger
- Originaltitel: Life Of Pi
- Produktionsland und -jahr: USA, RC, 2013
- Erschienen: 05/2013
- Genre: Drama, Abenteuer
- Label: Twentieth Century Fox Home Entertainment
- Regie: Ang Lee
- Produktion: Ang Lee, Gil Netter, David Womark
- Musik: Mychael Danna
- Kamera: Claudio Miranda
- Schnitt: Tim Squyres
- Drehbuch: David Magee
- Spielzeit: 121 Minuten auf 1 DVD
- Darsteller:
Suraj Sharma, Irrfan Khan, Ayush Tandon und Gautam Belur (als Pi Patel)
Adil Hussain (als Santosh Patel)
Tabu (als Gita Patel)
Ayan Khan, Mohd Abbas Khaleeli und Vibish Sivakumar (als Ravi Patel)
Rafe Spall (als Autor)
Gérard Depardieu (als Koch) - Extras:
Original Kinotrailer
Die Computeranimationen im Film - Technische Details der DVD*:
DVD-Daten: DVD 9, Region 2 PAL
Bildformat: 1.85:1, 16:9
Audio: Englisch, Deutsch, Tamil DD 5.1
Untertitel: Deutsch, Englisch und andere
(* Für Infos zu den anderen Formaten bite Link
unter “Sonstige Informationen” beachten) - FSK: 12
- Sonstige Informationen:
Info & Erwerbsmöglichkeit aller Formate @ fox.de
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Wertung: 12/15 dpt