Arthur Conan Doyle – Die Memoiren des Sherlock Holmes, Folge 7 (Hörbuch, gelesen von Oliver Kalkofe)


Arthur Conan Doyle - Die Memoiren des Sherlock Holmes (Folge 7, Hörbuch)Die Menge an Sherlock-Holmes-Veröffentlichungen ist mittlerweile ins Maßlose gestiegen und fürwahr unübersichtlich. Das hindert jedoch sowohl Verlage als auch Audiolabels kaum daran, immer wieder neue Versionen der Geschichten des genialen Detekivs und seines Sidekicks Dr. Watson auf den Markt zu werfen. Das treibt teilweise die seltsamsten Blüten, wenngleich diese (aus rein subjektivem Blickwinkel heraus, versteht sich!) manchmal durchaus gelungen sind. Der Hörverlag orientiert sich zur Freude aller Holmes-Puristen jedoch an den Originalen und hat sich neben sämtlichen “Die Abenteuer des Sherlock Holmes”-Erzählungen (1891-1892) auch der zweiten Erzählungssammlung “Die Memoiren des Sherlock Holmes” angenommen, deren oftmals auch deutlicher in Holmes’ persönlichere Bereiche eindringende Geschichten bis auf “Silberstern” (1892) allesamt aus dem Jahr 1893 stammen.

In letztgenannter Story, die erste der insgesamt elf aus dieser Sammlung, verschlägt es Dr. Watson und Holmes nach Dartmoor, wo John Straker, ein Pferdetrainer des “King’s Pyland”-Stalls, in einer Senke tot aufgefunden wird – neben ihm ein Schneideinstrument, ein Skalpell. Der Stallbursche, der in jener Nacht eigentlich hätte wachen sollen, wurde mit Opium betäubt, und zu allem Überfluss ist auch noch Silberstern (“Silver Blaze”), das beste englische Rennpferd, wie vom Erdboden verschluckt. Nun liegt es an dem ungleichen Duo, Licht ins Dunkel zu bringen – und das Huftier rechtzeitig zu einem wichtigen Rennen wieder herbeizuschaffen. “Silberstern” gehört zu den eher kürzeren Erzählungen, doch in den rund achtundvierzig Hörbuchminuten geschieht derart viel, dass so mancher Autor auch heute noch neidisch darauf sein dürfte, wie wenig Buch man mit wie viel Inhalt spicken kann – gerade gegen Ende erreicht diese Story eine Geschwindigkeit, die man beinahe als schwindelerregend bezeichnen darf.

Bei der ebenfalls äußerst spannenden, jedoch gänzlich blutfreien Erzählung “Das gelbe Gesicht” überrascht der wohlhabende, renommierte Geschäftsmann und Hopfenhändler Mr. Grant Munro den Detektiv und Dr. Watson in deren Wohnung in der Baker Street 221b. Holmes und Watson, die sich gerade ein wenig die Füße vertreten haben, finden diesen Herrn völlig aufgelöst vor, denn dessen Ehefrau Effie verhält sich in letzter Zeit extrem seltsam – als sei sie ein komplett anderer Mensch. Er vertraut ihr nicht mehr, denn offenbar hat sie Geheimnisse vor ihm, ist öfters “nur mal eben vor der Tür”, und was sie mit den einhundert Pfund Sterling tat, um die sie ihn bat – er kam der Bitte aufgrund seiner Gutmütigkeit und Großzügigkeit gerne nach -, würde ihn dann doch ebenfalls mal interessieren. Das ist alles etwas seltsam in seinen Augen. Haben möglicherweise die neuen Bewohner des alten, verlassenen Landhauses etwas damit zu tun? Und wer ist dieser entstellte, gelbgesichtige Mensch, der immer wieder hinter einem der Fenster jenes Hauses erscheint? Holmes-Auge sei wachsam…

Im Gegensatz zu “Die Abenteuer des Sherlock Holmes” zeichnet nicht etwa der auch als Autor aktive Gisbert Haefs für die Übersetzung verantwortlich, sondern Neal Stephenson-, Andrew Miller-,  Thomas Pynchon- und Colson Whitehead-Übersetzer Nikolaus Stingl,  und dessen Formulierungen unterscheiden sich von der Haefs’schen Arbeit zwar nicht gravierend, aber vernehmbar, denn sie sind hinsichtlich des gewählten Vokabulars noch ein wenig verklausulierter und altmodischer, was den Erzählungen allerdings zugute kommt. Das bedeutet jedoch keinesfalls, dass einer der Übersetzer qualitativ über dem anderen steht, sondern, dass beide ihre Arbeit schlichtweg unterschiedlich ausgeführt haben und beiderlei Ausführungen ihren eigenen Reiz besitzen.

Wie bereits für sämtliche “Abenteuer”-Erzählungen wurde für die “Memoiren” einmal mehr Oliver Kalkofe als Hörbuchsprecher verpflichtet, und den Rezensenten beschleicht das Gefühl, dass sich der Mann von der “Mattscheibe” von Mal zu Mal wohler fühlt in seiner Rolle, denn er liest die Bücher mit einem spürbaren und somit fast ansteckenden Enthusiasmus vor, mit einem Temperament und einer Hingabe, dass es ein Fest für die Ohren ist. Den diversen Figuren werden eigene Stimmen auf den Leib gesprochen, jedoch niemals karikierend, wie man es bei Kalkofe befürchten könnte, sondern sachlich und stets den Erzählungen und der jeweiligen Situationsatmosphäre dienend. Gerade wenn Sherlock Holmes wieder seine seinen wachsamen Augen und seinem geschärften Verstand zu verdankenden, im Hinterkopf entstandenen Folgerungen, Kombinationen und Schlüsse darlegt, die den Täter entlarven und bloßstellen, merkt man, wie der Hannoveraner vor Spaß an der Sache förmlich zu beben scheint.

Mochte man also bereits die vorangegangenen “Sherlock Kalkofe”- beziehungsweise “Kalki Holmes”-Hörbücher, kann man auch bei diesem feinen CD-Doppeldecker bedenkenlos die gierigen Finger zuschnappen lassen. Sowohl als Komplettist als auch als Einsteiger.

 Cover © der Hörverlag

 

  • Autor: Arthur Conan Doyle
  • Titel: Die Memoiren des Sherlock Holmes
    CD1: Silberstern
    CD2: Das gelbe Gesicht
  • Teil/Band der Reihe: Folge 7
  • Originaltitel: “Silver Blaze”/”The Yellow Face”
  • Übersetzer: Nikolaus Stingl
  • Label: der Hörverlag
  • Erschienen: 09.04.2013
  • Sprecher: Oliver Kalkofe
  • Spielzeit: 118 Minuten auf 2 CDs
  • ISBN: 978-3-8445-1007-2
  • Sonstige Informationen:
    Vollständige Lesungen
    Erwerbsmöglichkeiten

Wertung: 12/15 dpt

 


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