Die sechzehnjährige Londonerin Gwendolyn Shepherd ist im Grunde eine durchschnittliche Teenagerin, jedoch ahnt sie nicht, dass sie eine sehr sonderbare Eigenschaft geerbt hat: In ihrer Familie wird das Zeitreise-Gen durch die Generationen gereicht. Eigentlich dachte sie, nur ihre Schwester Charlotte besäße nun die Gabe, durch die Zeiten reisen zu können, doch nach einer Weile wird ihr klar, dass auch sie selbst dieses Gen besitzt – spätestens, als sie sich plötzlich im London um die letzte Jahrhundertwende wiederfindet. Nach ungewollten Sprüngen ins achtzehnte Jahrhundert verliebt sie sich zu allem Überfluss auch noch in den Jungen Gideon, und so nehmen die Dinge ihren seltsamen Lauf.
Die Idee hinter Kerstin Giers Jugendromanreihe “Liebe geht durch alle Zeiten”, derer erster Teil “Rubinrot” darstellt, hätte einiges an Potential besessen, hätte sich die Autorin nicht so unfassbar vieler Klischees bedient. Eine irrsinnige, “Chronograf” genannte Zeitmaschine. Rubinrote Lichtchen, magische Ringlein. Steinchen. Schlüsselchen. Funkel, leucht, blink. Beinahe hat man das Gefühl, man hätte um ein Computer-Adventurespiel aus den Achtzigern herum eine Geschichte geschrieben und diese mit Allgemeinplätzen von “Twilight” bis “Harry Potter” und allem dazwischen befindlichem angereichert. Allerdings einige Güteklassen weiter unten angesiedelt.
Diese Anhäufung unzähliger Stereotypen, welche man mit diesem Hörspiel zum Film noch auf die Spitze treibt, lässt den Hörer verzweifelt die Stirn runzeln, und wenn man den zahlreichen Meinungen Glauben schenken darf, hat die Verfilmung und ebendessen Hörspiel nicht mehr allzu viel mit dem eigentlichen Roman gemein – eine Tatsache, die eine Krankheit so einiger Romanverfilmungen ist. Es ist frustrierend, bereits in Minute x zu wissen, was in Minuten x + 5 passieren wird, und in Minute x + 3 wird schon klar, in welche Richtung es in x + 15 Minuten bereits gehen wird. Und hier könnte man dies praktisch in Echtzeit mitschreiben.
Hin und wieder kann man bei solch schwachen Umsetzungen durchaus noch ein wenig Hörspaß genießen, zum Beispiel durch den Charme der Darsteller, doch bei der Auswahl der Schauspieler, die bei vorliegendem Hörspiel auch die Stimmen liefern, hat man zum Großteil grandios daneben gelangt und hierbei auf zahlreiche Allerwelts-Darsteller in altbewährter, obsoleter Deutschfernsehen-Qualität (gerne auch in Anführungszeichen zu setzen) zurückgegriffen. Doch gut, wem die schauspielerischen und sprecherischen Leistungen einer Veronica Ferres, eines Uwe Kockisch, eines Axel Milberg, einer Josefine Preuß und einer Katharina Thalbach genügen, dem dürften die könnerischen Defizite einiger der jahrzehntelang etablierten – oder besser gesagt: inflationär gezeigten Gesichter – kaum auffallen.
Reicht der eigene qualitative Horizont allerdings über die typischen ARD-/ZDF- und auch Sat.1/RTL-Eigenproduktionen hinaus, kann man anhand des Dargebotenen nur noch die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, denn einen guten Schauspieler erkennt man doch eigentlich vor allem daran, dass man nicht merkt, dass er schauspielert – doch genau das hört man beinahe ausnahmslos allen Sprechern an. Womöglich liegt es daran, dass Schauspielerei in seiner Kunstform in Deutschland mangels ausreichender Förderung seit Jahrzehnten kaum wirkliche Talente hervorzubringen vermag – und wenn, dann nur eine Handvoll pro Generation. Und das ist letztendlich mehr als traurig, jedoch ein weiteres erschreckendes Indiz dafür, weshalb praktisch 99% der deutschen Produktionen nicht international konkurrenzfähig sind.
Auch hinsichtlich der musikalischen Untermalung und der Klangeffekte wird tief in die Klischeekiste gegriffen, der Kitsch wird dadurch noch stärker betont, besonders dann, wenn die Sprecher/innen gewollt ins Dramatische wechseln – aus den Lautsprechern trieft eimerweise Pathos der negativen Sorte, sodass selbst die Zielgruppe (Mädchen im jungen Teenie-Alter) teilweise mit den Augen rollen muss. Ein weiteres, in deutschen Produktionen leider viel zu weit verbreitetes No-Go ist die Schludrigkeit im Umgang mit der englischen Sprache. Wenn eine Geschichte schon in der englischen Hauptstadt spielt, so sollte man doch wenigstens ein Mindestmaß an Respekt gegenüber jener Sprache an den Tag legen und beispielsweise Queen Elizabeth nicht in eine “Kwihn Eliisabätt” verwandeln.
“Rubinrot” zu lesen mag noch halbwegs für Kurzweil sorgen, doch sich das Hörspiel anzutun kommt für den Rezensenten einer zweistündigen Geduldsprobe gleich, sodass er wohl davon absehen wird, sich der audiovisuellen Qual auch noch hinzugeben.
Cover © der Hörverlag
- Autor: Kerstin Gier
- Titel: Rubinrot (Filmhörspiel)
- Verlag: der Hörverlag
- Erschienen: 03/2013
- Sprecher:
Maria Ehrich
Jannis Niewöhner
Veronica Ferres
Uwe Kockisch
Katharina Thalbach
Gottfried John
Gerlinde Locker
Rüdiger Vogler
Florian Bartholomäi
Jennifer Lotsi
Josefine Preuß
Laura Berlin
Sibylle Canonica
Justine del Corte
Levin Henning
Johannes Silberschneider
Chiara Schoras
Kostja Ullmann
Peter Simonischek
Axel Milberg
Cornelia Dörr - Spielzeit: 121 Minuten auf 2 CDs
- ISBN: 978-3-86717-981-2
Wertung: 4/15 dpt