Cybermobbing war in letzter Zeit ein großes Thema in den Medien, und das entging auch der rührigen Autorin Agnes Hammer, die stets direkt am Puls der Zeit zu sein scheint, nicht. Inwiefern die Idee zu “Ich blogg dich weg!” bereits da war, darüber kann man bestenfalls spekulieren – verkehrt ist die Veröffentlichung eines Buches wie dieses bestimmt nicht.
Die Schülerin Julie besitzt ein außerordentliches Gesangstalent und ist allgemein sehr beliebt – obendrein sieht sie auch noch verdammt gut aus. Regelmäßig proben sie, ihr Bruder Noah, der gute Freund Sebastian und dessen Schwester Jasmina gemeinsam mit ihrer Band “Jase Noju”. Noah wird bald ein Jahr lang in England eine Schule besuchen, und so machen sich die drei übrigen Bandmitglieder nach einer angenehmen Abschiedsparty im Garten in den nächsten Tagen auf die Suche nach einem temporären Ersatzschlagzeuger, was sich als gar nicht so einfach erweist.
Eines Abends erhält Julie Hass- und Droh-E-Mails von jemandem, der sich hinter dem Pseudonym “Stüpp7” versteckt, und die anfängliche Skepsis weicht sehr schnell einem mulmigen Gefühl – und als im Internet die Hasskampagne gegen sie erst richtig Fahrt aufnimmt, bekommt sie es allmählich mit der Angst zu tun, denn mittlerweile ist auch eine sich nur vorgeblich mit dem Thema Cybermobbing befassende Webseite, auf der munter gehetzt wird, online.
Der Gipfel der Anti-Julie-Kampagne ist allerdings ein gefälschtes Social-Network-Profil, auf welchem ihr die arrogante und eingebildete Art in den Mund gelegt wird, die der ein oder andere Neider offensichtlich wahrzunehmen meint. In immer kürzeren Abständen sieht sich die Teenagerin mit Hasstiraden, Drohungen und Beschimpfungen konfrontiert, eine Gruppendynamik setzt sich in Gang, und es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis ihr diese Welle der Ablehnung auch jenseits der Datenautobahn entgegenschlägt – physisch und psychisch, bis ins Klassenzimmer hinein.
Wer ist diese Person, die kein gutes Haar an Julie lassen, sie gar zerstören will? Julie versucht, Spuren zu finden und muss sich Stück für Stück Hilfe von denen holen, die ihr etwas bedeuten, und irgendwie häuft sich die Anzahl der Verdächtigen beinahe täglich.
Wie schon in den Jugendromanen “Bewegliche Ziele” und “Regionalexpress” hat die Autorin auch hier die multiperspektivische Schreibweise gewählt, und so existieren in diesem Buch keine herkömmlichen Kapitel, sondern Abschnitte, die jeweils aus der Ich-Sicht geschrieben wurden. Das mag gewöhnungsbedürftig sein, doch das Switchen zwischen den einzelnen Charakteren bringt die Geschichte durch die jeweils subjektive Erzählform sehr intensiv und nah an den Leser heran, der sich seinerseits – empathische Ader vorausgesetzt – hervorragend in die jeweiligen Personen hineinversetzen kann. Das ist nicht zuletzt auch den vielseitigen und glaubwürdigen Skizzierungen aller Figuren zu verdanken.
Agnes Hammer gelingt es, die Spannung bis kurz vor Schluss aufrecht zu erhalten und streut auch beim Rezipienten immer wieder Zweifel, sodass der sich ebenfalls permanent fragen muss, welche Person einen solchen Krieg angezettelt haben könnte. Zwar ist die Wortwahl etwas kinderfreundlicher als bei manchen ihrer Jugendbücher, in denen es schon einmal etwas derber und expliziter zugeht, doch ansonsten weiß die Schriftstellerin, sämtliche Ecken und Kanten des echten Lebens auch in diesem Buch zu belassen und zeigt auf, wie viel Brutalität allein schon in Worten stecken kann.
Mit gerade einmal 160 Seiten eignet sich das Buch einerseits hervorragend für einen langen, verregneten Nachmittag, andererseits ist es – wie bei “Bewegliche Ziele” bereits geschehen – durchaus denkbar, dass das quietschgelbe Druckwerk auch in Schulen eingesetzt wird. Denn so etwas kann jedem passieren, egal, ob man Angriffsfläche bietet oder nicht.
Ein kleiner und ein klitzekleiner Kritikpunkt sollten dennoch gestattet sein: Wenn es sich bei dem sozialen Netzwerk, das innerhalb der Buchdeckel nicht beim Namen genannt wird, tatsächlich um Facebook handeln sollte, hat sich hier ein inhaltlicher Fehler eingeschlichen, denn bei einem Provider kann man keine Löschung eines Facebook-Profils beantragen, weil der darauf keinerlei Einfluss hat. Hierzu muss man sich direkt an Facebook wenden und notfalls rechtliche Schritte gegen Facebook einleiten. Den kleineren der beiden Kritikpunkte stellt der Buchtitel dar, denn der erscheint leider ein wenig zu plakativ und reißerisch und hätte vielleicht noch einmal überschlafen werden sollen.
Cover © Loewe Verlag
- Autor: Agnes Hammer
- Titel: Ich blogg dich weg!
- Verlag: Loewe
- Erschienen: 03/2013
- Einband: Taschenbuch
- Seiten: 160
- ISBN: 978-3-7855-7706-6
Wertung: 10/15 dpt