Maik Klingenberg, Produkt einer alkoholkranken Mutter, welche regelmäßig zur “Schönheitskur” geht, sowie eines Bauunternehmers, der regelmäßig mit seiner Assistentin “Geschäftsreisen” antritt, glaubt, er sei der größte Langweiler unter der Sonne und geht davon aus, dass all das der Grund für sein Außenseiterdasein in der 8c ist. Kein gutes Los, um jemals für “seine” Tatjana interessant zu werden.
Eines Tages wird der in einer als Asi-Gegend verpönten Ecke wohnende Andrej Tschichatschow neuer Schüler in seiner Klasse: Hose von KiK, jeden Tag das selbe Hemd am Leib und gelegentlich bereits vor dem Unterricht ordentlich vollgetankt. Gingen sich er und Tschick, so Andrejs baldiger Spitzname, vorher noch aus dem Weg, so platzt während der Sommerferien plötzlich der Knoten.
Papa Klingenberg ließ seinem Sohn 200 Euro Verpflegungsgeld im Haus, bevor er sich mit Assistentin Mona aus dem Staub machte, und endlich war Maik allein. Bis Tschick unverhofft vor der Garage seines Zuhauses steht – mit einem geknackten Lada. Aus Skepsis und Ablehnung wird Neugier und Aufbruchstimmung, prompt sitzen die beiden Jungs in der alten Kiste, und die planlose Reise ins Ungewisse, gespickt mit sonderbaren Ereignissen, Erkenntnissen und Überraschungen, beginnt.
Wolfgang Herrndorf wiederholt sich auch mit seinem dritten Buch zu keiner Sekunde und liefert einen würdigen Nachfolger zu “In Plüschgewittern” und “Diesseits des Van-Allen-Gürtels”. Es gelingt dem Schriftsteller in seinem 2010er Roman bestens, sich in die Rolle des Jugendlichen hineinzuversetzen und dabei nicht in Pseudo-Jugendslang zu verfallen. Auf sehr bildhafte, detailreiche, präzise und analytische Weise vermittelt Herrndorf dem Leser, mittendrin im Geschehen zu sein – als säße man auf der Rückbank des Lada, an Maiks Krankenbett, als Schüler in seiner Klasse.
Dies geschieht auf eine solch intensive Weise, dass man nach dem Lesen der letzten Zeile nur noch das Buch zuklappen und “Wow… uff…” von sich geben kann, denn trotz einiger Lacher dominiert hier eine – wie soll man sagen? – “positive Tragik”. Der Leser ist einer von Maiks besten Freunden, und es tut Maik gut, ihm das Erlebte zu erzählen. Und beiden geht es hinterher besser. Zu gern würde man hinterher selbst etwas aus dem eigenen Leben mit Maik teilen wollen. Fazit: “Tschick” ist eines der absoluten Highlights des Jahres 2010 und gilt völlig zu Recht als moderner Klassiker.
Cover © rowohlt Berlin
- Autor: Wolfgang Herrndorf
- Titel: Tschick
- Verlag: Rowohlt Berlin
- Erschienen: 2010
- Einband: Hardcover
- Seiten: 256 (HC)
- ISBN: 978-3-87134-710-8 (HC)
- Sonstige Informationen:
Erschien mittlerweile in diversen Taschenbuchversionen via rororo und rororo rotfuchs.
Wertung: 13/15 dpt
(Artikel wurde vom Verfasser überarbeitet und erschien ursprünglich in noisyNeighbours #31. Vielen Dank an die Gestattung der Artikelübernahme!)