Ganze sechs Jahre seit “Scoop – Der Knüller” sind verstrichen, bis sich Woody Allen, der für “To Rome With Love” das Drehbuch geschrieben und Regie geführt hat, auch mal wieder als Darsteller vor die Kamera gewagt hat – und wer die Arbeit des zum aktuellen Zeitpunkt 77-jährigen Multitalents kennt, dem sollte klar sein, dass sein neuestes Werk alles andere als gewöhnliche Kost ist. “To Rome With Love”, welches wenig überraschend in der “Ewigen Stadt” spielt, beleuchtet in vier voneinander unabhängigen und auch zeitlich unterschiedlich langen und unterschiedlich schnell verlaufenden Episoden, die immer wieder hin und her geswitcht werden, die amourösen Geschichten und Abschweifungen vierer Paare.
Liebe auf den ersten Blick erlebt die amerikanische Touristin Hayley (Alison Pill), die den Römer Michelangelo (Flavio Parenti) eigentlich nur nach dem Weg fragen wollte. Zwischen den beiden sprühen derart rasch die Funken, dass sie fortan ein unzertrennliches Paar sind – und recht bald stecken dann auch die Verlobungsringe an ihren Fingern. Die Eltern Phyllis (Judy Davis) und Jerry (Woody Allen) möchten ihren Schwiegersohn so schnell wie möglich kennen lernen, und so machen sich die Psychologin und der Opernregisseur außer Dienst schnurstracks per Flieger auf den Weg in die italienische Hauptstadt, wo sie auch die Schwiegereltern ihres Töchterchens kennen lernen. Jerry ist hierbei besonders von Michelangelos Vater, dem Bestatter Giancarlo (Fabio Armiliato) angetan und leckt noch mal berufliches Blut – denn der Mann singt wie ein Gott. Allerdings nur unter der Dusche. Durch dieses Problem lässt sich Jerry allerdings nicht in seinem Vorhaben beirren.
In der zweiten Episode will das frisch verheiratete Provinzehepaar Milly (Alessandra Mastronardi) und Antonio (Alessandro Tiberi) in Rom seine Flitterwochen verbringen, doch es geht so ziemlich alles schief. Sie verläuft sich hoffnungslos in der Stadt und verliert ihr Handy, und im gemeinsamen Hotelzimmer der beiden steht in Millys Abwesenheit plötzlich aus heiterem Himmel die Prostituierte Anna (Penélope Cruz) und bringt Antonio in eine schlüpfrige Situation nach der anderen. Milly hingegen trifft auf den bekannten Schauspieler Luca Salta (Antonio Albanese), der um die frischgebackene Ehefrau wirbt.
Der in der dritten Episode von Roberto Bengini gespielte Leopoldo Pisanello hingegen ist wohl das Musterbeispiel dessen, was man eine graue Maus nennt. Der verheiratete Durchschnittsmann hat einen einfachen Job und fällt nicht weiter auf – bis er urplötzlich und völlig grundlos Ruhm erlangt. Die Presse hofiert ihn, der Bekanntheitsgrad lässt ihn für die Damenwelt unwiderstehlich werden, und Leopoldo weiß noch nicht so recht mit seiner Situation umzugehen.
In Episode vier besucht der bekannte Architekt John Foy (Alec Baldwin) noch einmal seine Vergangenheit. Er lebte als junger Mann selbst in Rom und lässt nun das Leben noch mal mit seinem Alter Ego Jack (Jesse Eisenberg) an sich vorbei ziehen, der glücklich mit Sally (Greta Gerwig) zusammen lebt. Eines Tages besucht Sallys sexuell freizügige Freundin Monica (Ellen Page), eine nicht vom Glück verfolgte Schauspielerin auf permanenter Rollensuche, das Paar und sorgt für Chaos in Jacks Gefühlswelt. John Foy selbst nimmt hier den Part des quasi unsichtbaren Beobachters und Beraters ein und redet ihm immer wieder ins Gewissen. Versucht, ihn zu lenken, zu dirigieren.
Im Grunde ist “To Rome With Love” ein Flickenteppich aus vier gleichzeitig abgespielten Kurzgeschichten, was anfangs für Verwirrung sorgt, aber sehr schnell wird dem Zuschauer klar, dass er hier gewissermaßen den Blick auf ebenso viele Bühnen gewährt bekommt und er so Zeuge der einzelnen kurzen Lebensfragmente wird. Die Stories sind mit viel Überspitztheit garniert, es wird in Fettnäpfchen getreten, es ereignen sich kompromittierende Situationen, und nicht selten befällt den Beiwohner vor der Mattscheibe eine amüsierte Form der Fremdscham – denn Allen gelingt es bestens, das Ganze nicht in eine Aneinanderreihung peinlicher Slapsticks ausarten zu lassen. Immer wieder bekommt der Filmemacher rechtzeitig die Kurve. Doch wer glaubt, dass sich in den rund 112 Minuten irgend etwas beruhigt, irrt, denn Turbulenz ist die pulsierende Aorta dieses Streifens.
Auf das schauspielerische Können der Protagonisten und Nebenfiguren einzugehen erweist sich als überflüssig, denn sämtliche Darsteller geben in ihren Rollen einhundertzehn Prozent und mimen ihre Figuren äußerst glaubwürdig. Auch das Drumherum, sprich Filmkulisse und -musik, stimmt absolut, doch zwei Kritikpunkte schmälern den Genuss ein wenig – zumindest aus rein subjektivem Blickwinkel. Zum einen werden die einzelnen Charaktere etwas zu oberflächlich und eindimensional dargestellt, wodurch dieser Patchworkfilm etwas an Tiefe einbüßt, zum anderen – und das mag nun eher Einstellungssache sein – dürften so manche Situationen denen, die Promiskuität eher ablehnend gegenüber stehen, sauer aufstoßen.
Letztendlich lässt sich zusammenfassen, dass Mr. Allen mit “To Rome With Love” eine solide aber keinesfalls bahnbrechende Liebeskomödie erschaffen hat, die etwas mehr als eineinhalb Stunden für Kurzweil sorgt und die einen noch tagelang schmunzeln und den Kopf schütteln lässt. Ob sich der Film allerdings im Langzeitgedächtnis festfressen wird, darf angezweifelt werden.
Cover © Tobis
- Titel: To Rome With Love
- Herkunft, Jahr: USA/Italien, 2012
- Erschienen: 10.01.2013 (DVD, BluRay)
- Label: TOBIS Film/Universal
- Regie, Drehbuch: Woody Allen
- Produktion:
Letty Aronson
Stephen Tenenbaum
Giampalo Letta
Faruk Alatan - Musik: Goffredo Gibellini
- Kamera: Darius Khondji
- Schnitt: Alisa Lepselter
- Spielzeit: 106 Minuten (DVD),110 Minuten (BluRay)
- Darsteller:
Woody Allen
Judy Davis
Flavio Parenti
Alison Pill
Fabio Armiliato
Alec Baldwin
Roberto Benigni
Jesse Eisenberg
Greta Gerwig
Ellen Page
Alessandra Mastronardi
Alessandro Tiberi
Penélope Cruz
Simona Caparrini
Antonio Albanese - Technische Details:
Audio:
Dolby Digital 5.1 (DVD, BluRay)
Video:
1,85:1 anamorph Widescreen (DVD)
1,85:1 High Definition Widescreen 1080p (BluRay)
Sprachen:
Deutsch, Englisch
Untertitel:
Deutsch, Englisch (für Hörgeschädigte) - FSK: 0
- Filminformationen und Trailer @ Universal
Wertung: 10/15 dpt