Der in Indien geborene Ex-Times Of India-, Independent- und New York Times-Redakteur Manu Joseph versucht sich nun auch als Romanautor. Man darf, wenn man das zu Ende gelesene Buch beiseite gelegt hat und sich auch das letzte Gedankenkonfetti zu “Ernste Männer” auf dem imaginären Boden abgesetzt hat, schlussfolgern: Eine brillante Idee, denn dieses Aufgabengebiet liegt ihm bestens.
Der Leser geht auf eine Reise nach Mumbai, wo der Familienvater Ayyan Mani als Sekretär in einem Institut für Astrologie beschäftigt ist und geschickt seine Fäden spinnt. Der Wahnsinn der Wissenschaft kollidiert mit Zwischenmenschlichkeiten, die verschiedenen Gesellschaften und Kulturen Indiens prallen aufeinander, Macht gerät außer Kontrolle oder wird gar ausgehebelt, Vorurteile und Ressentiments werden gepflegt.
Dann kommt auch noch Manis schwerhöriger, cleverer Sohn Adi, ein vermeintliches Wunderkind, welches beispielsweise die ersten tausend Primzahlen über ein manipuliertes Hörgerät aufsagen “kann”, ins Spiel. So werden durch Ayyans perfide Pläne nicht nur die Professoren gnadenlos vorgeführt – langsam aber sicher bahnt sich auch eine Katastrophe der etwas anderen Art an.
“Ernste Männer” ist packend, die Story ist in große Worte gehüllt, wurde intelligent formuliert und ist dennoch in einfacher Sprache gehalten. Manu Joseph hat interessante, sympathisch-lebensnahe Figuren erschaffen und umschifft dabei die gängigen Klischees Indiens, indem er trotz einer verrückten Geschichte stets nachvollziehbar und realitätsnah bleibt. Es bereitet immensen Spaß, dem ach so unscheinbaren Sekretär “zuzusehen”, wie er die richtigen Schalter im passenden Moment betätigt. Man gewinnt die “sympathische Schweinebacke” einfach lieb, und selbst die weniger netten Charaktere schließt man durch Josephs nie übertriebene Detailverliebtheit in sein Herz.
Im Jahr 2010 erschienen so einige beeindruckend gute Bücher, doch dieses aufwändig eingebundene Werk zählt – zumindest aus rein subjektiver Sicht – zu den stärksten Veröffentlichungen jenes Jahrgangs.
Cover © Klett-Cotta
- Autor: Manu Joseph
- Titel: Ernste Männer (HC), Genie ist relativ (TB)
- Originaltitel: Serious Men
- Übersetzer: Anke Burger
- Verlag: Klett-Cotta (HC), Suhrkamp Taschenbuch (TB)
- Erschienen: 2010 (HC), 2012 (TB)
- Einband: Hardcover mit Schutzumschlag, Taschenbuch
- Seiten: 357
- ISBN: 978-3-608-93892-0 (HC)/978-3-518-46358-1 (TB)
Wertung: 12/15 dpt
(Diese Rezension erschien ursprünglich in noisyNeighbours #32 und wurde für booknerds.de vom Verfasser überarbeitet. Vielen Dank an dieser Stelle für die Gestattung der Artikelübernahme.)