Von seinen gerne auch grotesk-überspitzten “Hartmut und ich”-Romanen hat er gemeinsam mit Ehefrau Sylvia Witt schon einige verfasst, im November 2012 erschien ein neuer. Mittlerweile drei tolle Jugendromane stammen ebenso aus der Feder der beiden. Und mit “Fehlermeldung” kam dann auch noch ein satirischer Ratgeber auf den Markt. Ganz zu schweigen von “Überleben auf Festivals”, das im Frühjahr 2012 veröffentlicht wurde und im März 2013 in “Überleben auf Partys” einen Nachfolger mit sich zieht. Und jetzt schreiben die auch noch Kinderbücher? Man hätte ja befürchten können, dass dies vielleicht nicht so ganz hätte klappen können, da das Duo gerne komplexere Fäden spinnt und sich literarisch auch entsprechend ausdrückt, aber „Finn released“ ist in jeder Hinsicht ein absolut kinderkompatibles Buch, das den jungen Lesern nie ernsthaft Fragezeichen über dem Kopf aufleuchten lässt.
Der gerade in die Teenagerjahre gekommene Finn ist ein recht cleverer junger Spund mit einer sehr guten Beobachtungsgabe und viel Erzähltalent, und mit seinen beiden Schulfreunden verbringt er auch außerhalb der Schule sehr viel Zeit. Lukas ist der “coole Macker” der kleinen Gruppe, spielt erfolgreich in einem Fußballverein, ist durchtrainiert bis in die letzte Körperfaser, hat bereits eine Freundin – und von Geburt an eine große Klappe. Der etwas pummelige Flo ist hingegen eher schrullig verbringt seine Freizeit hauptsächlich mit Daddeln. Als die drei eines Morgens auf dem Schulweg sind, bauen sie eine Menge Mist und versauen sich mächtig beim Durch-den-Acker-Laufen, und so erscheinen sie eine Stunde zu Spät zum Unterricht.
Aber Finn regelt das – seine Ausreden werden einmal mehr geglaubt, und die drei sind aus dem Schneider. Während einer Art Parcourslauf, die im Sportunterricht stattfindet, bekleckert sich das Trio nicht gerade mit sportlichem Ruhm, und selbst Lukas gerät an seine Grenzen. Das bringt die drei auf eine schräge Idee: Wie in Computerspielen begeben sie sich auf eine Quest. Zwölf Stunden lang wollen sie gemeinsam auf einem sieben Meter breiten, imaginären Korridor immer geradeaus gehen, ganz egal, was vor ihnen liegt. Es darf nicht von ihm abgewichen werden und ein Richtungswechsel ist ebenfalls nicht erlaubt. Ein spannendes Abenteuer mit einigen unerwarteten und auch gefährlichen Hindernissen beginnt.
Ein hohes Tempo und eine ebensolche Ereignisdichte sorgen dafür, dass man das Buch kaum aus der Hand legen mag, denn Uschmann und Frau wissen den Leser fortlaufend zu fesseln. Das Tolle ist dabei, dass „Finn released“ nicht nur auf Unterhaltung abzielt, sondern auch soziale Werte, Individualismus, einzelne Schicksale und den Stellenwert von Respekt auf geschickt eingeflochtene Art und Weise thematisiert. Es bilden sich durch die reiche Sprache sehr starke Charaktere, wodurch das Buch ein gewisses Eigenleben entwickelt. Man könnte fast behaupten, dass der Autor den kreativen Geist Astrid Lindgrens in das neue Jahrtausend transportiert, denn vieles in diesem Werk erscheint wie eine moderne Version und Mischung der bekannten Lindgren-Romane, gewürzt mit etwas Patrick Jane (Figur aus der TV-Serie „The Mentalist“). So darf es ruhig weitergehen mit dem schreibwütigen Doppel.
Cover © Loewe Verlag
- Autor: Oliver Uschmann
- Titel: Finn released
- Verlag: Loewe
- Erschienen: 01/2012
- Einband: Paperback
- Seiten: 256
- ISBN: 798-3-7855-7403-4
- Sonstige Informationen: Erster Teil der Finn-Reihe
Wertung: 11/15 dpt
(Hierbei handelt es sich um den überarbeiteten Originaltitel aus noisyNeighbours, Heft 36 – Download hier. Vielen Dank für die Gestattung der Artikelübernahme!)