“Noch ein Vampirroman?” wird so manchem Leser, der hier und dort mal ein paar Zeilen über dieses Buch gelesen hat, als Frage über dem Kopf schweben – doch keine Sorge, mit Schlüpferstürmer-Herzschmerzgeschichten für Teenies, die sich in ihren wilden Träumen schlecht geschminkte heranwachsende Ladykiller in albernen Capes vorstellen, hat “Der Übergang”, der erste Teil einer Trilogie, die mit “Die Zwölf“ Anfang 2013 fortgesetzt und ebenfalls hier besprochen wird, nichts zu tun.
Die sechsjährige Amy, wird von ihrer überforderten Mutter in einem Nonnenkloster zurückgelassen. Bald darauf wird die Kleine vom FBI-Agenten Brad Wolgast entführt, welcher sie zu einer streng geheimen militärischen Forschungseinrichtung bringt – was er sehr bald bereuen wird. In jener Einrichtung werden Versuche mit Menschen angestellt: Zwölf Probanden wird ein Virus verabreicht, das sie unsterblich werden lassen soll. Doch das Vorhaben endet in einem Desaster, und in rasender Geschwindigkeit breitet sich das extrem bösartige Virus auf der ganzen Welt aus. Nur wenige Menschen überleben, und auch Jahrzehnte später mag der Kampf vereinzelter, isolierter Kolonien gegen die grausamen Virals nicht enden. Bis die nun alterslose Amy, Proband 13, auftaucht. Ist sie der Schlüssel zu einer Welt ohne diese Kreaturen, welche drauf und dran sind, auch noch den Rest der Menschheit auszulöschen?
Anfangs erscheint die “Der Übergang” noch geringfügig konfus, da hier nicht ein oder zwei, sondern eine Vielzahl von Protagonisten existieren. Erst im Laufe der Zeit wird deutlich, wo die Fäden miteinander versponnen sind. Ebenso spielen sich die einzelnen Situationen in unterschiedlichen Tempi ab, sodass manchmal über 150 Seiten wenig passiert, sich in den nächsten dreißig Seiten die Ereignisse allerdings regelrecht überschlagen. Das verleiht dem Werk eine ureigene Dynamik, die durch den sehr schnell lesbaren, aber inhaltlich aussagekräftigen Erzählstil gefestigt wird. Cronin beschreibt die einzelnen Szenen sehr visuell und größtenteils sehr detailreich – auch die heftig blutigen Ereignisse, wie zum Beispiel die von immenser Kraft gesegneten, blutrünstigen Virals ihre Opfer mit ihren nadelspitzen Zähnen in Fetzen reißen, werden schonungslos präsentiert. “Der Übergang” eignet sich somit vielleicht nicht gerade als Geburtstagsgeschenk für die dreizehnjährige Tochter, die gerade von Vampirromanen angefixt wurde.
Grundsätzlich ist dieser fette Schinken ein richtig guter. Genialer. Großartiger. Manchmal wäre es jedoch wünschenswert gewesen, dass der Roman etwas weniger ausladend geschrieben worden wäre – nicht etwa, weil die Story zu lang ist, sondern eher, weil das Ganze hier und dort inhaltlich etwas mehr hätte gestrafft werden können. Doch vielleicht ist dieses zeitweise Mäandern ja gerade eine der Eigenarten des Autors? Vielleicht hätte die Geschichte anders überhaupt nicht gewirkt? Eine Empfehlung ist in jedem Fall auszusprechen, ganz gleich, ob sich das Werk nun über 600, 800 oder 1000 Seiten erstreckt.
Cover © Goldmann
- Autor: Justin Cronin
- Titel: Der Übergang
- Originaltitel: The Passage
- Übersetzer: Rainer Schmidt
- Verlag: Goldmann
- Erschienen: 2010 (HC), 2011 (TB)
- Seiten: 1024 (HC), 1040 (TB)
- ISBN: 978-3-442-31170-5 (HC), 978-3-442-46937-6 (TB)
- Sonstige Informationen: Erster Teil der “The Passage”-Trilogie
Wertung: 10/15 dpt
(Hierbei handelt es sich um eine überarbeitete Version des Originalartikels, welcher in noisyNeighbours, Ausgabe 32 – hier als kostenloser Download – erschien. Vielen Dank für die Gestattung der Übernahme des Artikels.)