John Kennedy Toole – Die Verschwörung der Idioten (Buch)


John Kennedy Toole - Die Verschwörung der Idioten (Roman)

Wenn in New Orleans, der Heimatstadt der fiktiven Figur Ignatius J. Reillys, eine Statue derselben steht, ist es wohl kaum abwegig zu behaupten, dass “A Confederacy Of Dunces”, so der Originaltitel des erstmals 1980 erschienenen Werkes, absoluten Kultstatus erlangt hat. Hierzulande wurde das Buch erstmals 1982 unter dem Namen “Ignaz oder: Die Verschwörung der Idioten” verlegt, allerdings in eher mäßig übersetzter Form, und so musste es bis 2011 dauern, bis sich ein fähiger Übersetzer in Gestalt des Autors Alex Capus dieses Romans annahm.

Noch immer lebt der dreißigjährige Ignatius J. Reilly mit seiner nervtötenden, alkoholaffinen Mutter zusammen. Am liebsten rastet er vor dem Fernseher zu Sendungen aus, bei denen er sich dazu verpflichtet fühlt, sie hassen zu müssen – oder aber legt er sich aus verschiedensten Gründen mit Personen innerhalb seines Umfelds an. Ignatius’ Gabe ist gleichzeitig sein Fluch, denn der äußerst pfundige Mann mit dauerfeuchtem Schnauzbart und grüner Jagdmütze verfügt über einen Intelligenzquotienten, der in etwa seinem Gewicht entspricht – und der steht ihm ständig im Weg, denn er ist stets der Meinung, er müsse alles und jeden gegen die Wand argumentieren.

Durch seine extrem eloquenten Monologe – oder Ansätze solcher-, die er sehr energisch vorträgt, löst er immer wieder Streitereien aus, und dadurch gerät Ignatius in aller Regelmäßigkeit in Teufels Küche. Als seine Mutter Irene eines Tages mit ihrem Auto einen Unfall baut, weil ihr Sohn sich wieder einmal in temperamentvolle Ausführungen ergießt, hat Mrs. Reilly genug: Dieses Mal kommt ihr uterales Erzeugnis nicht ungeschoren davon. Um den entstandenen Schaden wieder zu begleichen, verdonnert sie diesen unmöglichen Kerl dazu, sich Arbeit zu suchen.

Nach massivem Widerstand realisiert Ignatius, dass er chancenlos gegen die Autorität seiner Mutter ist, und so beginnt eine wahnwitzige Odyssee durch die Arbeitswelt. Zuerst findet er sich in einer heruntergekommenen Hosenfabrik wieder, später wiederum schiebt er widerwillig einen Hot-Dog-Wagen durch das French Quarter von New Orleans. Allerdings unterwirft sich der kugelrunde, in Stresssituationen mit Quaddeln und magenventilbedingten Flatulenzen zu kämpfen habende Querkopf nicht so einfach den Regeln, die in seinen Jobs gelten – nein, er formt sich seine Gesetze und seine Arbeit so, wie er sie sich persönlich vorstellt. Diese Sturheit und Eigenwilligkeit, fußend in seinen felsenfesten Überzeugungen und seiner Lebenseinstellung, führt entsprechend schnell zu chaotischen Zuständen, Revolutionen und Turbulenzen. Er, der selten so recht weiß, wohin mit seiner ganzen Intelligenz, hält das Gros der Menschheit für Opfer der Dummheit, Geschädigte der Idiotie sowie den Lastern, der Unzucht und der Moderne Verfallene, während die meisten Menschen, die ihn erleben, ihn selbst für einen Wahnsinnigen halten.

Muss man zu Anfang noch heftig den Kopf über Ignatius’ Mutter schütteln, so durchdringen den Leser, je unglaublicher sich ihr Filius verhält, zunehmend gemischte Gefühle, denn Irene Reilly mausert sich Stück für Stück immer mehr sowohl zu einer Pro- als auch zu einer Antagonistin in Personalunion. Doch ebenso bekriegen sich im Kopf  Sympathien und Aversionen gegenüber dem bemützten durchgeknallten Sonderling. Und genau dieser innere Zwiespalt macht die Spannung dieses mit irrsinnigem Wortwitz erzählten Klassikers aus: Des Lesers Persönlichkeit wird von “Die Verschwörung der Idioten” regelrecht gespalten, denn einerseits birgen die Gedankengänge Ignatius J. Reillys dermaßen viel Genialität in sich, dass man ähnlich einem Wackeldackel zustimmend nicken muss, und dann wieder wünscht man sich am liebsten: “Junge, jetzt lass doch mal gut sein!” – und hier ist das vor der Story platzierte Zitat des irischen Schriftstellers Jonathan Swift (1667-1745) nur allzu passend, da es die sinngewordene Aorta dieses Machwerks bildet: “Wenn ein wahres Genie in die Welt tritt, erkennt ihr es an den Idioten, die sich dagegen verschwören.”

Im Nachwort erfährt man übrigens viel Aufschlussreiches über den Autor. So soll John Kennedy Toole, der seinem Leben 1969 mit gerade mal zweiunddreißig Jahren mangels Erfolg und Glauben an alles ein Ende setzte, selbst sehr “ignatious” gewesen sein, wodurch das Buch an einigen Stellen gar nicht all zu weit entfernt von der eigenen Biographie Tooles zu sein scheint. Auch wird erzählt, dass die Mutter des Schriftstellers unnachgiebig nach Verlagen suchte, bis “A Confederacy Of Dunces” nach vielen, vielen Jahren endlich veröffentlicht wurde. Zum Glück, denn “Die Verschwörung der Idioten” kann man nur als genial bezeichnen, und zwar nicht im modernen Sinne als inflationär gebrauchte synonyme Definition von “sehr gut”, sondern im Wortsinn. Allerdings: So komödiantisch und lustig, wie der Roman durch zahlreiche kursierende Beschreibungen angepriesen wird, ist “Die Verschwörung” der Idioten nur oberflächlich, denn in ihm schwingt eine enorm tragische Note mit, die nachdenklich stimmt.

Cover © Klett-Cotta

  • Autor: John Kennedy Toole
  • Titel: Die Verschwörung der Idioten
  • Originaltitel: A Confederacy Of Dunces
  • Übersetzer: Alex Capus
  • Verlag: Klett-Cotta
  • Erschienen: 2011
  • Einband: Hardcover
  • Seiten: 452 plus Nachwort
  • ISBN: 978-3-608-93900-2
  • Sonstige Informationen: Neue Übersetzung

Wertung: 13/15 dpt

 (Die ursprüngliche Version dieses überarbeiteten Artikels hat der Autor für noisyNeighbours, Heft 34, verfasst, welches unter dieser Adresse zum kostenfreien Download zur Verfügung steht. Vielen Dank an dieser Stelle an das nN-Team!)


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