Im Sommer 2011 erwacht der “Gröfaz” Adolf Hitler in Berlin-Mitte, mitten auf einem leeren Grundstück. Keine Eva Braun, kein Krieg, keine Partei, stattdessen Bundesmutti Merkel, eine multikulturelle Hauptstadt und eine Menge Dinge, die sich in den letzten sechsundsechzig Jahren verändert haben, allen voran die Technik. Die Werte der Gesellschaft heute: Streben nach Erfolg, nach Geld und nach Facebook-Likes. Schicklgrubers größtes Problem ist allerdings, dass man ihn für einen Comedian hält. Doch ein solcher ist er keinesfalls – ganz im Gegenteil: Er ist “erschreckend real”, wie es uns auch auf dem Backcover des Romandebüts von Timur Vermes vermittelt wird. Und so beginnt eine Odyssee durch das postmillenniale Leben und die Medienlandschaft.
Bitterböse persiflierend, immer wieder Wahrheiten und “Wahrheiten” aufdeckend, deren angebrachte Kritik durch die unfassbar idiotische Weltanschauung sofort ad absurdum geführt werden, wird eine Zukunftsvision gezeichnet, was heuer passieren könnte, erstünde der Führer von heute auf morgen wieder auf. Soll man als Leser lachen oder sich lieber die Gänsehaut vom Leibe reiben? Beides ist erlaubt in dieser literarischen Politikgroteske der heftigsten Sorte.
Als Sprecher wurde für “Er ist wieder da” Christoph Maria Herbst auserkoren, der mehr als prädestiniert für diese Rolle ist, denn kaum einer aus der deutschen Medienwelt hat den “Hitlersprech” so gut drauf wie der vielseitige Comedian, den man neben “Stromberg” und “Kreutzer kommt” auch aus unzähligen weiteren TV-Produktionen und so mancher Comedy-Reihe kennt. Hörbuchaffine Literaturfans dürften den vielseitigen Herrn allerdings auch aufgrund seiner hervorragenden Fähigkeiten als Vorleser zu schätzen wissen. Auf “Er ist wieder da” entpuppt sich Herbst als ein wahres Stimmchamäleon, denn er schlüpft nicht nur in die “Rrrrolle des Föhrers”, sondern auch in die aller anderen vorkommenden Charaktere. Zuweilen strengt das Hören – gerade während der Monologe Hitlers – ein wenig an, denn äs ärrrforrrdert dorrrchaus einiges an Konzentrrration ond Kondition, derrrr! sehr! abgehackten! Sprache zu folgen! Letztendlich pumpt diese überzeichnete, beinahe comichafte Darstellung der einzelnen Figuren jedoch das erforderliche schwarzhumorige Blut in die satirische Ader des für die Audioproduktion minimal bearbeiteten Werkes, ohne die es als viel zu trockenes, bei ironieresistenten Zeitgenossen gar als stark zu misinterpretierendes Schriftstück ersterben würde. Sicherlich ist das Umschalten zwischen dem Pro- und den einzelnen Coprotagonisten keine einfache Sache gewesen, und hierfür gibt es schließlich auch gute Schnittsoftware, aber allein die Gabe, als Sprecher konstant die Stimme der jeweiligen Figuren ohne Abweichung von den entsprechenden Klangfarben zu halten, ist eine Leistung, die nur wenige in dieser Güteklasse abliefern. Bestenfalls Stefan Kaminski fiele dem Verfasser dieser Zeilen als Vergleich hinsichtlich Qualität ein.
Die einzelnen Kapitel sind, wie gewohnt bei Lübbe, die sich ja des Eichborn-Verlags angenommen haben, angenehm aufgeteilt – bei 76 Tracks und einer Gesamtlänge von 411 Minuten, die sich auf sechs CDs verteilt und somit fünfeinhalb Minuten pro Track ergeben, ist das Hören dieses exzellent produzierten Hörbuchs eine flüssige, unkomplizierte Angelegenheit, denn durch die nicht zu langen Tracks eignet sich der akustische Inhalt dieses schicken Digipaks optimal zum Lauschen an Haltestellen, im Bus, vor dem Einschlafen oder einfach mal zum Zwischendurch-mal-zwei-Kapitel-hören. Somit ist für Aug’ und Ohr allerlei geboten, und bei noinzähn Reichsma… äh, Euro und drrreionddrrreißäg Cent besteht, gemessen an dem Aufwand, der für die Audioversion von “Er ist wieder da” betrieben wurde, kein Grund zur Kritik. Vielerorts wird ja geschimpft, dass Hörbücher ach so überteuert seien, aber wenn man sich einmal überlegt, dass hier fast sieben Stunden Perfektion auf Konserve gebannt wurden, die bestimmt nicht beim ersten Take saßen, so muss man feststellen, dass ein läppischer “Zwanni” eigentlich ein Witz ist.
Fazit: Sorgt die gedruckte Form bereits für allerhand Spaß, so entfaltet der Vermes-Erstling erst durch die urkomische und hochprofessionelle Vortragsweise Christoph Maria Herbsts die erwünschte Wirkung. Vielleicht ist das für den ein oder anderen Freund eher ruhiger und besonnener vorgetragener Audiobooks “too much”, aber hat man das halbe Dutzend Rundlinge erst einmal mit Herbsts Stimme erlebt, ist es kaum vorstellbar, dass jemand anders “Er ist wieder da” hätte einsprechen sollen. So wie es ist, ist es perfekt. Oder zumindest fast perfekt.
Cover © Lübbe Audio
- Autor: Timur Vermes
- Titel: Er ist wieder da
- Verlag/Label: Lübbe Audio
- Sprecher: Christoph Maria Herbst
- Erschienen: 09/2012
- Spielzeit: 411 Minuten auf 6 CDs
- ISBN: 978-3-7857-4741-4
- Sonstige Informationen: Bearbeitete Hörbuchfassung
Wertung: 12/15 dpt