Im Sommer 2011 erwacht der “Gröfaz” Adolf Hitler in Berlin-Mitte, mitten auf einem leeren Grundstück. Keine Eva Braun, kein Krieg, keine Partei, stattdessen Bundesmutti Merkel, eine multikulturelle Hauptstadt und eine Menge Dinge, die sich in den letzten sechsundsechzig Jahren verändert haben, allen voran die Technik. Die Werte der Gesellschaft heute: Streben nach Erfolg, nach Geld und nach Facebook-Likes. Schicklgrubers größtes Problem ist allerdings, dass man ihn für einen Comedian hält. Doch ein solcher ist er keinesfalls – ganz im Gegenteil: Er ist “erschreckend real”, wie es uns auch auf dem Backcover des Romandebüts von Timur Vermes vermittelt wird. Und so beginnt eine Odyssee durch das postmillenniale Leben und die Medienlandschaft.
Äußerst “stilsicher” mutet bereits das Cover des gebundenen, mit einem schwarzen Lesebändchen versehenen Buches an, und ein bitteres Schmunzeln kann man sich beim Betrachten des Preises von 19,33€ nicht verkneifen. Zuerst muss man sich natürlich die Frage stellen, wie weit Satire und Persiflage gehen dürfen. Man darf “Er ist wieder hier” als eine einerseits aberwitzige, mit viel schwarzbraunem Humor getränkte “Was wäre wenn?”-Geschichte deuten, die einerseits mit viel Situationskomik aufwartet, andererseits werden jedoch skalpellscharf die heutigen Missstände der Politik und der Gesellschaft an sich analysiert und offenbart, und so werden die heutigen Parteien als Lachnummern entlarvt und der Wirtschaftsterror hart an den Pranger gestellt. Es ist ja nicht abzustreiten, dass überall ein Fünkchen Wahrheit dahinter steckt. Immer wieder fühlt man sich als Leser hin- und her gerissen, denn auch ohne rechtsradikales Gedankengut muss man dem Protagonisten, der in der ersten Person erzählt, an gewissen Stellen in diesem Buch kopfnickend beipflichten, und in manchen Passagen entwickelt sich gar eine gefährliche Sympathie zu ihm. Dann jedoch wird man wieder mit der kruden, kranken Weltanschauung Hitlers konfrontiert, sodass es dem Leser eiskalt den Rücken hinunter läuft. Somit geht der offensichtliche Plan des Autors, den wir ihm einfach mal dreist unterstellen, hervorragend auf: Erst wird man regelrecht eingelullt und in die Gedankenwelt des grausamen Massenmörders eingesogen, bis man in regelmäßigen Abständen an einen Punkt gelangt, an welchem man einen dicken Brocken zu schlucken und zu verdauen hat. Schließlich lässt der Wiederauferstandene keine Gelegenheit und keine Plattform aus, um den Menschen seine Visionen zu vermitteln. Selbstverständlich werden hierbei Klischees bedient, und bei so manchem auflockerndem Kalauer weiß man nicht so recht, ob ein Lacher jetzt die richtige Reaktion ist.
Was bei diesem Buch auffällt, ist, dass es sehr filmreif geschrieben wurde, und es sollte demnach niemanden wundern, wenn wir in wenigen Jahren auch in den Genuss einer audiovisuellen Version des Romans kommen. Hierbei ist es wünschenswert, dass eine ernstzunehmende Produktionsfirma gefunden wird, deren Leistungen über dem Niveau des Großteils solcher Nullnummern liegen, wie man sie gerade in den letzten zehn Jahren auf RTL, SAT.1 und leider auch auf den öffentlich-rechtlichen Kanälen zu sehen bekam. Doch bis dahin ist es noch ein langer Weg, und es besteht ein wenig Hoffnung, dass man ein gutes Buch einfach auch mal ein gutes Buch sein lässt.
Mit “Er ist wieder da” ist Herrn Vermes, der für diverse Zeitungen und Magazine, unter anderem aber auch als Ghostwriter tätig ist und war, ein gewagter, aber auch grandioser Einstand gelungen. Es gibt nicht viele Schriftsteller, die so geschickt mit dem Leser spielen und ihn immer wieder in Fallen tapsen lassen – dem 1967 geborenen Deutsch-Ungarn fällt dies hingegen äußerst leicht. Das knapp 400-Seitige Werk ist jedem zu empfehlen, der einen guten Cocktail aus Geschichte, Zukunftsvision, Unterhaltung und Grauen wünscht.
Cover © Bastei Lübbe/Eichborn
- Autor: Timur Vermes
- Titel: Er ist wieder da
- Verlag: Bastei
- Erschienen: 09/2012
- Seiten: 400
- Einband: Hardcover
- ISBN: 978-3-8479-0517-2
Wertung: 12/15 dpt