Psychotechniktricks und etwas zu viel Brot
Andreas Brandhorsts Romane zu lesen ist wie eine gute Star Trek-Folge zu gucken. Man startet mit Vorfreude auf Vertrautes und Heimisches in die Geschehnisse und bekommt geliefert, was die Science Fiction unter vielem anderen so reizvoll macht: Die Möglichkeit, Entwicklungen aller Art zu erdenken und ihre Spielregeln auszureizen.
“Der letzte Regent” entäuscht nicht die Vorfreude und kommt auch nicht ohne Reize für SciFi-Nerds daher. Wie so häufig im phantastischen Genre-Regal ist die Geschichte aber stellenweise übersatt.
Brandhorst ist ein Autor mit handwerklichen Können, das er dieses Mal an der inneren und äußeren Reise des Chronisten Xavis V. Xavius auslebt. Der Roman ist gezimmert aus Krimi-Teilen auf Abenteuer-Agentenfilm-Blauplause mit ansprechend dunklen Psychothriller-Versatzstücken. Nur dieser Mix, inszeniert in einem abwechselungsreichen SciFi-Universum, macht schon Spaß.
Xavius hat sich – quasi als Arbeitswerkzeug – eine adaptive Schizophrenie in den Kopf pflanzen lassen. Er besitzt eine zusätzliche Persönlichkeit, Chronass genannt, die parallel zu Xaviu*s normalem Bewusstsein Teile der Schreibarbeit erledigt, Berichte verfasst, Reportagen ausformuliert und Aufzeichnungen verwaltet. Mit diesem Sidekick im Kopf führt Brandhorst einen Protagonisten ein, der dem Leser ein abwechslungsreiches, weil absolut nicht vertrauenswürdiges Innenleben liefert. Und das liefert gerade auf der ersten Hälfte des Buches viele Leseanreize.
Xavius ist dem Endurium, der absolutistisch-militärischen Regierung der Menschheit, angeführt vom Regenten, bis zur Denkverweigerung (oder Denkunmöglichkeit?) ergeben.
Das Endurium und der Regent haben natürlich so einige Feinde, zum Beispiel die Menschen der Splitterwelten, die sich der Regierung entziehen, und die undurchsichtige Alien-Spezies Ayunn, die die Menschheit auslöschen möchte. Als der Regent angegriffen wird, beginnt Xavius Reise. Er soll in die Splitterwelten aufbrechen, um die Täter bloßzustellen.
Der Chronass unterstützt Xavius bei der Ermittlung und den Geheimagent-Scharaden, die dank verschiedener Psychotechniktricks beinahe zur Realität werden. Dabei hat sich Xavius eigentlich der Wahrheit verschrieben, an die er sich im Verlauf der Geschichte katatonisch klammert, während ihm andere Wahrheiten sehr unbekömmlich werden. Xavius wird gezwungen, seine vertrauten Denkbahnen zu verlassen und die von ihm geliebte Heimat in ihrer Unfehlbarkeit infrage zu stellen.
Das sind vertraute Formen, die der Autor hier mit interessanten Gedankenspielen füllt, und feine Settings, die sich aus Abenteuergeschichten und Military-SciFi-Ideen speisen. Im letzten Drittel des Romans übersättigt der Autor den Leser allerdings mit dem Setting und die Geschichte kommt nicht gut voran. Wer aber Lust darauf hat, das Vertraute und Heimische im Buch mit dem Buch zu verlassen, den wird das nicht wirklich stören – aber beim Lesen nicht mit den Psychotechniktricks von Brandhorst Xavius durcheinanderkommen!
Cover © Heyne
- Autor: Andreas Brandhorst
- Titel: Der letzte Regent
- Verlag: Heyne
- Erschienen: 2013
- Einband: Taschenbuch, Broschur
- Seiten: 576
- ISBN: 978-3-453-52971-7
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Wertung: 12/15 dpt