Skogtatt ist ein ganz besonderes Buch – von der selten gewordenen Gattungsbezeichnung “Novelle” über den unvermittelten Beginn (»Aus der Hütte brach Lärm. Unerbittlich fraß er sich durch die klirrend kalte Nacht wie ein entfesseltes Tier mit eisernen Zähnen.«), das Sujet (Tod durch Erfrieren eines jungen Musikers), die schnörkellose Erzählweise, die zweisprachige Veröffentlichung, bis hin zur handwerklich einfach wunderschönen Art, in der das Buch als physisches Objekt produziert ist.
Doch der Reihe nach… Zur Autorin Ulrike Serowy erfahren wir: »Ulrike Serowy nimmt Musik und macht daraus Worte. Sie wurde 1983 geboren, wuchs auf und schreibt, seitdem sie es kann. Nach dem Studium der Geschichte, Anglistik, Skandinavistik und Ur- und Frühgeschichte in Köln lebt sie dort und auf dem Sprung. Sie spielt Gitarre und liebt Katzen.«
Zum Titel: »Im Norwegischen bedeutet ‘bergtatt’: verzaubert, gefesselt, gebannt, und: von den Unterirdischen in den Berg gelockt. In diesem Buch ist es der Wald, der ‘skog’, der unerbittlich lockt«
Womit wir schon mitten im Thema wären: Nach Beendigung ihrer nächtlichen Probe machen sich die Mitglieder einer (stark vermutlich: norwegischen Black Metal-)Band auf den Heimweg. Der Protagonist, der genauso namenlos bleibt (»der junge Mann«) wie die Band, fährt alleine los. Zu den Stärken des Buches gehört, wie Serowys eigentlich eher lakonische Sprache, die zunächst das Tosen und Rasen der geprobten Musik beschrieben hat (»Musik […] die Unendlichkeit beschwört«; »die immer wiederkehrenden Anrufungen dessen, was sie so schmerzlich herbeisehnen und doch fürchten«), nun den tragisch endenden Weg ihres “Helden” durch die eisige Januarnacht nachzeichnet – anfühlbar macht, wie der Wald auf ihn einzuwirken beginnt.
Hierbei lernen wir ihn noch etwas besser kennen (»er hasste die Menschen, so gut er konnte«, S. 13). Zunächst birgt ihn die Dunkelheit, in deren “Umarmung” er sich “hineingeträumt” hatte, dann spuckt sie ihn wieder aus »und beobachtet ihn mit tausend unsichtbaren Augen«
Dabei arbeitet Serowy als einzige Extravaganz mit Vergleichen wie »Der kahle, glatte Fels wirkte wie der Kopf eines Hundes, der sich dem Mond entgegenzurecken versuchte« oder beschreibt Taschenlampenlicht, das huscht »wie ein feiger Kundschafter«
Ein weiteres Stilmittel ist, dass mehrfach die Erzählzeit wechselt und dass die Interpunktion zum Ende hin verschwindet.
Zum Multimedialen: Faith Collocia hat zehn Illustrationen beigesteuert, die die Sprachmalerei ergänzen wie ein guter Soundtrack einen Roadmovie. Besonders gelungen ist die Doppelseite 10-11, die den Wald in all seiner geheimnisvollen Kälte leuchten lässt. Die der deutschen Fassung folgende englisch übersetzte wiederholt übrigens diese Motive nicht, sondern enthält eigene Bilder. A propos Soundtrack: Man kann dieses Buch vermutlich genießen, ohne Black Metal zu kennen oder gar zu mögen. Im Selbstversuch erwies sich allerdings eine Prise früher Emperor als die ideale Untermalung der Lektüre.
Zum Handwerklichen: Das Buch hat – passend zum Thema – sogar ein eigenes Logo im Black-Metal-Stil von Aaron Turner erhalten. Es ist zweimal gedruckt zu finden (einmal invers) und überdies aufwändig auf den Umschlag aus dickem grauen Karton geprägt. Dies und die offene Fadenheftung bewirken die ungemein wertige Wirkung dieses kleinen Gesamtkunstwerks.
Cover und Buchabbildungen © Hablizel Verlag
Autorenfoto © Alfred Jansen
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- Autor: Ulrike Serowy
- Titel: Skogtatt
- Verlag: Hablizel Verlag
- Erschienen: 28.03.2013
- Einband: Fadenheftung mit offenem Rücken und geprägtem Cover
- Seiten: 60 (inkl. 10 Abbildungen von Faith Collocia)
- ISBN: 978-3-941978-12-6
- Sprache: Deutsch und Englisch
- Sonstige Informationen:
Skogtatt @ Hablizel-Verlag - Erwerbsmöglichkeiten
Wertung: 12/15 dpt
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